Grandios! Welch ein Ausstoss! Bombastisch! Mit fanatischem Fleiss produzieren Weltenlenker und Konzernherren immer im Januar ungeheure Haufen von Wortschutt. Es geschieht am Weltwirtschaftsforum WEF in Davos. Jede Form von Schutt: Plattitüden. Hirnrissige Lügen. Leerformeln. Wortdurchfall wie: "Krieg ist der bessere Frieden" (gab der frühere US-Vizepräsident Dick Cheney zum besten).

In den Händen weniger

Interessant an diesem Schutt ist nur, dass er zeigt, was er eigentlich zudecken soll. 2014 ging es um die explodierende Ungleichheit. Im WEF-Jahresbericht über die Weltrisiken steht: "Der Graben zwischen den Einkommen der Reichsten und den Einkommen der Ärmsten, wird als das Risiko betrachtet, das im nächsten Jahrzehnt die schwersten Schäden in der Welt anrichten könnte."
Typische WEF-Fehldiagnose. Nicht der Einkommensunterschied zwischen den Reichsten und den Ärmsten ist das grösste Problem. Viel bedrohlicher ist, dass eine sehr kleine Gruppe von Menschen die Regeln von Wirtschaft und Politik so geändert hat, dass sie immer grössere Teile von Einkommen, Vermögen und Wachstum kapert. Motto: Der Sieger nimmt sich alles.

  • Die 63 reichsten Menschen besitzen so viel wie die 3,5 Milliarden Ärmsten.

  • 1 Prozent besitzt 110 Billionen Dollar (110 000 Milliarden). Das ist 65 mal mehr als die ärmere Hälfte der Menschheit hat. Und etwa so viel wie anderen 99 Prozent besitzen.

  • In den USA hat sich das reichste Prozent 95 Prozent des Wachstums nach der Finanzkrise geschnappt.

Woraus man sieht: Es geht eben nicht nur um die Reichsten und die Ärmsten, sondern darum, dass der Grossteil der Menschheit gerade seine Zukunft verliert, manche Lebenschance streichen muss und Sicherheit einbüsst. Nicht nur jener Teil der Menschheit in den fernen, armen Ländern. Sondern auch die Mehrheit in den reichen Ländern. Diese Umverteilung beschleunigte sich in den vergangenen Jahren. Begleitet wird sie von einem Umbau der politischen Systeme durch die 1-Prozent-Elite (die Wirtschaftszeitschrift "Forbes" meint sogar höhnisch: "Wir sind nur 0,1 Prozent!"). Zur wirtschaftlichen Macht gesellen sie die Verfügungsmacht über die Politik. So gut wie alle Gesetze, die im letzten Jahrzehnt in den USA und in Europa verabschiedet wurden, dienen den Reichsten: Steuersenkungen, Deregulierung des Finanzsektors, Unternehmenssteuerreform, Liberalisierung der Arbeitsmärkte und einiges mehr.

Auf dem Weg ins Chaos

Rechtzeitig zum WEF hat die Entwicklungsorganisation Oxfam diese Vorgänge belegt und ausgeleuchtet. Es ist eine äussert dichte, faktenreiche Studie geworden. Nur 30 Seiten schlank. Die Oxfam-Analytiker haben sie mit zahlreichen früheren Studien, Umfragen und mit einem immensen Datenmaterial genährt.
Sie zeichnen das Bild einer Welt, deren materiellen Güter, Werte und Möglichkeiten von einer Handvoll Konzerne und ein paar Tausend Aktionären, Bankern und Grundbesitzern konfisziert werden. Es ist die Welt von 1426 Milliardären.
Eine Welt im Epochenbruch. Am WEF sprachen die Weltenlenker über die Oxfam-Studie. Denn sie fürchten, dass sich, für sie nicht sichtbar, die Gegenwehr formiert. Oder sich in revolutionären Ausbrüchen entlädt. Von den Oxfam-Vorschlägen wie höheren Steuern auf Gewinnen und hohen Einkommen, besserem Arbeitsschutz oder Mindestlöhnen (!) wollten die Konzernchefs nichts hören. Aber die Oxfam-Kernbotschaft hörten sie klamm: Diese Ungleichheit stürzt die Menschheit ins Chaos. Und: "Handelt schnell! Sehr schnell!"