Der Exil-Burmese und Seelsorger ist erschüttert: Er versteht nicht, warum der Militärregierung in seiner Heimat der Machterhalt wichtiger ist als das Schicksal der Überlebenden des Zyklons vom 2. Mai.
Thawm Hlei Mang (39) hat fast täglich Kontakt mit Freunden und Verwandten im vom Wirbelsturm Nargis verwüsteten Burma. Der seit 13 Jahren in der Schweiz lebende Theologe arbeitet als Gastgewerbe-Seelsorger für die Evangelische Stadtmission Basel. Bevor er in die Schweiz kam, bemühte sich Mang als Christ in Burma auch um den Dialog mit Angehörigen der buddhistischen Religion. Christen sind in Burma eine diskriminierte Minderheit (sechs Prozent der Bevölkerung). Beim vom Militärregime niedergeschlagenen Aufstand von 1988 war Mang Studentenführer. Er floh nach Indien und konnte dort Theologie studieren.

Herr Mang, wie gut funktioniert die Kommunikation mit Ihrer Heimat?
Es geht inzwischen besser; in den ersten drei Tagen nach dem Sturm war kein Kontakt möglich. Danach konnte ich mit  Verwandten und Freunden in Rangun telefonieren. Aber es ist schwierig: Grosse Teile der Infrastruktur wurden durch den Sturm zerstört – Telefon und Strom, Strassen, Brücken –, zudem blockiert Burmas Regierung immer wieder die E-Mail-Server.
Was sagen Sie zur Haltung der Regierung?
Ich habe mich immer geärgert: Was für ein Regime, was für Menschen sind diese Leute? Sie haben keine Gefühle. Sie lassen Millionen hungern und Hunderte, Tausende sterben. Das verstehe ich nicht. Und auch die Leute dort, wenn ich telefoniere, sagen laut, wie schlecht die Regierung sei. Aus ihrer Wut und Frustration merkt man, dass sie die Geduld verlieren. Es gibt viel Kritik an der Regierung.
Warum lässt die Regierung ausländische Hilfsorganisationen nicht ins Land?
Sie hat Angst davor, dass die Ausländer sehen, wie brutal das Regime mit den Menschen umgeht. Jeglicher Kontakt soll verhindert werden – in einem Fall wurde einer Ärztin, die dennoch einreisen konnte, verboten, mit den Patienten zu sprechen. Wer die Regierung kritisiert, kommt ins Gefängnis. Über die Verfassungsabstimmung vom 10. Mai konnte nicht diskutiert werden; wer sich mit einem «Nein»-T-Shirt zeigte, wurde eingesperrt. Aus einzelnen Orten habe ich von 80 bis 90 Prozent Ablehnung gehört, aber national hiess es dann, es habe 92,4 Prozent Zustimmung gegeben.
Könnte diese Katastrophe einen neuen politischen Aufstand auslösen?
Die Wut und der Ärger werden lauter. Man sieht die Unfähigkeit der Regierung. Inzwischen steigen die Preise, Salz kostet rund siebenmal mehr als vor zwei Wochen. Es wird lange Zeit Probleme geben mit der Ernährung. Im Irrawaddy-Delta kann man wegen des vielen Salzwassers aus dem Meer erst in etwa zwei Jahren wieder Reis anpflanzen. Es gibt aber Regionen, die vom Sturm verschont wurden, dort hat man Angst vor Konflikten mit jenen Menschen, die hungern müssen. Ich hoffe, dass etwas geschieht, dass die Bevölkerung den Mut hat, Veränderungen zu fordern. Aber Voraussagen sind schwierig – wir hatten uns auch 1988 zu früh gefreut.
Wie hat Ihre Familie in Rangun den Sturm erlebt?
Meine Schwester erzählte, sie habe die ganze Nacht geweint. Sie konnten während zehn Stunden das Haus nicht verlassen. Mein Onkel verglich den Sturm mit einem Tiger, der sich auf seine Beute stürzt. In Rangun hat es auch Tote gegeben, viele lagen am Flussufer; die meisten Bäume in der Hauptstadt stürzten glücklicherweise auf die Strassen und nicht auf die Häuser. Aber die Zugänge zu ihren Häusern müssen die Menschen selbst freiräumen. Sie warten vergeblich auf Hilfe. Eine christliche Organisation hat in den letzten Tagen Kinder aus der Irrawaddy-Region geholt; die sind alle traumatisiert und brauchen extreme Betreuung.
Sie unterstützen Kinderheime in Burma. Wo liegen die?
Im Nordwesten. Diese Region ist zum Glück nicht betroffen. Aber im Osten des Irrawaddy-Deltas, an der Grenze zu Thailand, hat der Wirbelsturm ebenfalls gewütet; von dort hört man selten etwas, obwohl allein in dieser Region von 90 000 Einwohnern rund 18 000 gestorben sind. Es ist das Gebiet der Karen, einer ethnischen Minderheit, die mehrheitlich christlich ist. Einheimische, die mit Wasser und Nahrungsmitteln helfen wollten, sollen von den Behörden behindert worden sein. Wir sind jetzt im Verein Kinder Projekt Burma in der Schweiz dabei, mit einer Partnerorganisation in Burma ein spezielles Hilfsprogramm aufzubauen.
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*Basel, 22.05.2008, akte/ Thawm Hlei Mang ist seit 13 Jahren Weggefährte und Mitglied des arbeitskreises tourismus & entwicklung. Gemeinsam kämpften wir für sein Bleiberecht in der Schweiz und zusammen engagieren wir uns für die Achtung der Menschenrechte in Burma. Über die letzten 10 Jahre hat er mit einem Freundeskreis aus der Schweiz ein Kinderhilfsprojekt in seiner Heimat, dem Bundesstaat Chin an der Grenze zu Indien, aufgebaut. Angesichts der Weigerung der herrschenden Militärregierung, den unter der Flutkatastrophe notleidenden Menschen internationale Hilfe zukommen zu lassen, will Thawm Hlei Mang befreundete burmesische Organisationen von Theologen, die in Kleinprojekten im Irrawaddy Delta und im Gebiet der ebenso betroffenen indigenen Bevölkerungsgruppe der Karen der Bevölkerung direkte und unbürokratische Hilfe bringen, mit Spenden aus der Schweiz unterstützen. Sie können dies ebenfalle tun: Verein Kinder-Projekt Burma, Bank Coop, 4002 Basel, Konto Nr:784015.290000-0 / PC 40-8888-1 / Clearing 8440 / Bemerkung – Wirbel-Sturm Nothilfe.
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Das Interview mit Thawm Hlei Mang erschien am 19. Mai 2008 in der Basler Zeitung © Basler Zeitung
Lesen Sie auch den Spendenaufruf von Thawm Hlei Man vom 20. Mai 2008: Hilfe für Opfer des «Cyclone Nargis» in Burma