Frauen-Reiseberichte haben Hochkonjunktur. Immer mehr einschlägige Titel locken in den Buchhandlungen, Verlage warten gar mit entsprechenden Reihen auf, oft leider unbesehen der kulturhistorischen und literarischen Qualität der Berichte. Dennoch – sie alle helfen mit, endlich ins Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit zu rücken, dass Frauen viel öfters zu Reisen aufbrechen als gemeinhin angenommen; auch allein und dies bereits im vergangenen Jahrhundert, wo die bürgerlichen Normen sie mehr denn je an Haus und Herd festzubinden versuchten. Alleinreisende Frauen – lange abschätzig als «Abenteuerinnen» bezeichnet – wagen einen Schritt aus den gesellschaftlichen Konventionen hinaus; Reisen bedeutet in diesem Fall immer auch Emanzipation von der vorgegebenen Frauenrolle. Dies erklärt wohl auch, weshalb die «Abenteuerinnen» von feministisch engagierten Frauen oft recht unkritisch in die Rolle von Heldinnen erhoben werden. Allein der Status «Frau auf Reisen» sagt noch längst nichts aus über den Umgang der reisenden Frauen mit der «Fremde», mit den Menschen, denen sie unterwegs begegnen. Ihr Blick auf die «Fremde» bleibt denn auch oft geprägt von ihrer sozialen und geographischen Herkunft, zumeist der domierenden Kolonialmächte und Industrienationen, wie die neue Publikation zum Thema Frauenreisen auf sehr spannende und unterhaltsame Weise zeigt. Der Sammelband, entstanden aus Beiträgen zum Symposium über Frauenreisen von Bremen 1993, vereinigt äusserst aufschlussreiche Beiträge, die auch tabuisierte Themen wie die «Kolonialisierung» von Frauen durch Frauen nicht aussparen, und leistet als eine der raren geschlechtsspezifischen Untersuchungen einen wichtigen Beitrag zur Tourismusforschung.
eFeF Zürich – Dortmund 1994, 312 Seiten, Fr. 37.-