Basel, 27.11.2008, akte/ Wie ein Zirkusakrobat jongliert unser Fahrer – wir nennen ihn Johnny – mit seinen Mobiltelefonen. Mindestens eines hat er immer am Ohr, mindestens zwei hat er immer dabei, wenn die Fahrt weiter weg führt, sind es gar vier. Denn mit seinem Auftraggeber, dem Reiseveranstalter aus Bethlehem, gilt es den Kontakt zu halten. Die fremden Gäste, die er chauffiert, sollen ja möglichst reibungslos und sicher durch die Checkpoints gebracht werden – mehr als 75 militärisch besetzte und mehrere hundert weitere, oft mobile Strassensperren hat Israel zur Abriegelung der palästinensischen Gebiete errichtet. Bei den zahlreichen, oft unvorhergesehenen scharfen Kontrollen riskiert auch Johnny selbst als Palästinenser aus Jerusalem hängen zu bleiben. Obwohl sein Kleinbus an sich über ein Nummernschild verfügt, das freie Fahrt in Israel gewährleisten sollte. Da kann der permanente Draht zum Auftraggeber auch überlebenswichtig sein und eine zweite Verbindung über ein anderes Netz allemal hilfreich. Auch für die Tipps von Kollegen, etwa über neue Strassensperren oder Risiken, braucht’s stets eine freie Linie. Und nicht zuletzt will die Familie – die Eltern, die Brüder, die Verlobte – wissen, wo Johnny grad so steckt. Und umgekehrt. Dazu hat Johnny sein privates Handy mit dem poppigen Klingelton.

"Eigentlich bin ich Küchenchef", erzählt Johnny stolz. Er war auf dem besten Weg zu einer erfolgreichen Karriere mit dem Abschluss seiner Lehre in einem Fünf Stern-Hotel in Westjerusalem, als im Jahr 2000 die zweite Intifada ausbrach. "Sämtliche palästinensischen Angestellten des Hotels wurden sofort gefeuert. Und der Tourismus brach in den palästinensischen Gebieten total ein. So hatte ich keine Chance mehr, als ‹Chef› Arbeit zu finden."

Seine Familie, von der etliche Angehörige auch als Sicherheitskräfte bei Botschaften in Jerusalem arbeiten, ermöglichte die Anschaffung des kleinen Touristenbusses. Das eröffnete neue Perspektiven. Seine Fahrdienste werden zwar nicht von israelischen Firmen beansprucht und von palästinensischen Reiseveranstaltern kriegt er erst wenige Aufträge. Aber seine Arbeit als Touristenfahrer gefällt ihm. "Wir können Euch in Palästina so vieles zeigen. Ihr müsst den Touristen sagen, sie sollen nach Bethlehem kommen und auch da übernachten, nicht nur die Geburtskirche besuchen und dann zurück nach Jerusalem fahren." Denn Johnny möchte einfach mehr arbeiten und den fremden Gästen Palästina zeigen, die historischen Orte, aber auch den Alltag der Menschen, die – abgeriegelt hinter Mauern und sogenannten Sicherheitssperren – vom Reisen nur noch träumen können und BesucherInnen umso herzlicher willkommen heissen. Er ärgert sich denn auch über die Journalisten- und Expertengruppen, die bis spät nachts in der Westbank Gespräche führen und dann noch nach Jerusalem zurückchauffiert werden wollen. Sein grösstes Problem sind aber die Sicherheitskontrollen und Schikanen an den Checkpoints. Dies bekennt Johnny freimütig und klemmt sich mit besorgter Mine das nächste Mobiltelefon ans Ohr, das schon wieder penetrant klingelt.