«Du kannst die Welt ändern»
Wer im "internationalen Businesshotel" Marriott, dem ehemaligen Hotel Zürich, absteigen will, muss tief in die Tasche greifen. Das günstigste Einzelzimmer kostet 235 Franken, üblich sind 400 bis 500 Franken, und die günstigste Suite ist ab 750 Franken die Nacht zu haben. Beim Putzpersonal ist das "Marriott" weniger grosszügig: Hier putzen Angestellte des Dienstleisters Vebego. Für schäbige 17.05 Franken die Stunde. Und selbst die mussten sich die rund 50 Mitglieder des "Marriott"- Putzteams erst erstreiten. Immerhin mit Erfolg. Mit breitem Lachen sagt die 36jährige Filipina Zarina Bried: "Du kannst die Welt ändern!" Bried war die treibende Kraft dahinter, dass sich das "Marriott"- Putzpersonal für bessere Arbeitsbedingungen starkmachte. Und tatsächlich: Seit April hält sich auch die Vebego an den Gesamtarbeitsvertrag (GAV) für die Reinigungsbranche. Er war vom Bund schon längst für allgemeingültig erklärt worden. Und rückwirkend mit dem Mai-Lohn will Vebego eine Lohnnachzahlung leisten.
Versteckter Akkord
Im Oktober des letzten Jahres fing Zarina Bried für Vebego im Hotel Marriott an. In ihrem Vertrag stand zwar der Stundenlohn von 17.05 Franken. "Doch im letzten Absatz hiess es, ich müsse mindestens vier Zimmer pro Stunde putzen." Ein versteckter Akkord: Pro Zimmer wurde eine Viertelstunde Arbeitszeit gutgeschrieben, also rund 4.25 Franken. Bried begann sofort damit, ihre Arbeitszeit selbst genau zu erfassen. Im ersten Monat arbeitete sie 96 Stunden. Doch viele der Zimmer sind in 15 Minuten einfach nicht sauber zu bekommen. Bezahlt bekam sie deshalb nur 51 Stunden. Macht noch einen Stundenlohn von 9.05 Franken. Und das für eine körperlich anstrengende Arbeit. Bried sagt: "Ich habe zum ersten Mal so einen Job gemacht, und ich habe grossen Respekt vor allen, die diese Arbeit machen." Auf den Philippinen war sie unter anderem in der Entwicklungszusammenarbeit tätig. Sie wandte sich an die Fernsehsendung "Kassensturz", die im Dezember über den Fall berichtete. Bried sagte damals: "So wie sie uns behandeln, verdient dieses Hotel die fünf Sterne nicht." Der Bericht rief die Unia auf den Plan. Sie intervenierte, und die paritätische Kommission ordnete eine Lohnbuchkontrolle an. Resultat: Die Lohnpolitik der Vebego war nicht GAV-konform. Für Rita Schiavi, Geschäftsleitungsmitglied der Unia und für die Reinigungsbranche zuständig, ist dies "ein wichtiger Erfolg". Denn auch in anderen Hotels wird das Putzpersonal nach Zimmern statt nach Stunden bezahlt (siehe Beitrag weiter unten).
Vermittlerin Unia
Vebego akzeptierte den Entscheid und kündigte Lohnnachzahlungen an. Und seit April wird das "Marriott"-Putzteam nun für alle geleisteten Stunden bezahlt. Zwar gilt noch immer das Soll von vier Zimmern pro Stunde. Doch neu führt das Putzpersonal eine Liste. Es wird eingetragen, wann welches Zimmer geputzt wurde. Und es können auf der Liste auch Gründe für einen zeitlichen Mehraufwand angegeben werden. Es finden regelmässige Treffen zwischen dem Putzteam und Vebego statt. An denen nimmt die Unia als Vermittlerin teil. Noch traut Zarina Bried dem neuen Stil bei Vebego nicht ganz. Aber sie hofft, "dass die Sache wirklich ein Erfolg wird". Auf jeden Fall habe es sich für das "Marriott"-Putzteam gelohnt, sich zu wehren. Bried versteht nicht, weshalb das nicht schon früher geschehen ist. Natürlich habe man Angst, "aber wenn du nur deiner Angst folgst, wird sich nie etwas ändern".
ACCOR-Hotels: Streik brachte Erfolg
Hotelzimmer putzen im Akkord: Das Zürcher "Marriott" ist kein Einzelfall. So gab es beispielsweise auch im Zürcher Hotel Stoller einen Akkordlohn von Fr. 7.60 pro gemachtes Zimmer (work berichtete). Das "Stoller" gehört zur französischen Accor-Hotelkette mit Marken wie Ibis, Novotel, Mercure, Sofitel und Etap. 2002 kam Accor wegen eines Streiks der sogenannten Zimmermädchen in Frankreich in die Schlagzeilen. Die meist afrikanischen Frauen wurden vom Unterakkordanten Arcade bei Accor eingesetzt. Mit dem Streik forderten sie mehr Lohn (beziehungsweise weniger zu reinigende Zimmer pro Stunde), garantierte Mindeststunden, Auszahlung aller geleisteten Arbeit sowie Pausen- und Umkleideräume. Der Film "Remue-ménage dans la sous-traitance – Grosser Aufwasch im Subunternehmen" dokumentiert den Arbeitskampf, der fast ein Jahr dauerte und schliesslich erfolgreich war. Bis eine der Streikführerinnen ein Jahr später unter einem Vorwand entlassen wird und der Kampf wieder von vorne beginnt. Der Film kann im Internet als DVD für 10 Euro bestellt werden unter http://is.gd/aufwasch.
Der Beitrag wurde am 12.05.2011 in "Work", der Zeitung der Gewerkschaften, veröffentlicht. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung. Weitere Informationen. www.workzeitung.ch;
Informieren Sie sich über den Frauenstreik und wo was stattfindet auf www.14juni2011.ch ;