Kambodscha: auf Tuchfühlung

Nicht ganz ohne ist die traditionelle Khmer-Massage, die ich in Kambodscha ausprobiere. Nach der Teilnahme an einer internationalen Konferenz bin ich mit einigen Kolleginnen und Kollegen noch ein paar Tage geblieben, um das Land besser kennenzulernen. Im Vergleich zu Hongkong ist Phnom Penh geradezu ländlich und leer. Kaum ein Auto ist unterwegs, das Strassenbild ist geprägt von Mopeds und Tuk-Tuks. Für manche mag das langweilig erscheinen, ich selber bin aber einfach nur fasziniert davon.
Später steige ich mit einem etwas mulmigen Gefühl die enge Treppe zu einem Khmer-Massageraum hoch. Ich habe gehört, dass diese Massage schmerzhaft sein kann, und bin etwas unsicher, worauf ich mich da einlasse. Zuerst werde ich in einen schön dekorierten Raum geführt, um meine Kleider gegen Hose und Kittel zu tauschen, die mich wie eine Judoka aussehen lassen. Dann lege ich mich auf eine Matratze, und die Masseurin greift in die verspannten Muskeln. Bei der Khmer-Massage wird kein Öl verwendet und überhaupt peinlichst genau darauf geachtet, jegliche direkte Berührung mit der Haut zu vermeiden. Beim Kopf kommt ein Extratuch zum Einsatz. Die Masseurin knetet und klopft eine Stunde lang – wunderbar. Ich tauche ab und geniesse. Diese Massage ist zwar nichts für Zartbesaitete, aber definitiv nicht so schmerzhaft, wie einige mich vorwarnten.
Nach ein paar Tagen in Phnom Penh fahren wir weiter in Richtung Norden an den Tonle Sap und besuchen zusammen mit lokalen Gewerkschaftern Leute in den schwimmenden Dörfern. Der See ist riesig und unser Boot eine kleine, in die Jahre gekommene Nussschale. Ich bin beeindruckt, wie das Leben hier organisiert ist. Kleine Kinder rudern in grossen Kochtöpfen übers Wasser, grössere in eigenen Booten. Die lokale Schule und sogar die Turnhalle stehen auf Flössen. Ich frage mich, wie es ist, auf einem so eng begrenzten Raum gross zu werden. Ob die Kinder es vermissen, frei herumzurennen und zu spielen? Müssen sie ständig befürchten, ins Wasser zu fallen?
Mit vielen Eindrücken von diesem Besuch beschliessen ein Kollege und ich am Abend, uns nochmals eine Khmer-Massage zu genehmigen. Wir liegen je auf einer Matratze, ein dünner Vorhang dazwischen. Uns wird klar, dass es eine Massageart für Frauen und eine für Männer gibt. Während meine Masseurin dezidiert zupackt, stellt sich der Masseur nebenan kurzerhand auf den Rücken meines Kollegen. Nach 30 Minuten dürfen wir uns wieder umziehen. Mein Kollege muss sich die restlichen Tage von diesem Malträtieren erholen. Ich hingegen fühle mich gut und bin weiterhin erkundungsfreudig.
In meinem Reisehandbuch habe ich von einem Projekt für Blinde gelesen, die in Shiatsu-Massage ausgebildet werden, um so am Erwerbsleben teilzunehmen. Also suche ich diesen Massagesalon. Das Schild finde ich zwar noch, doch dann bin ich etwas verloren. Ich treffe einen kleinen Jungen und sage ihm, was ich suche. Der Kleine ruft seinen Papa. Der ist anscheinend der Masseur. Der blinde Mann führt mich zu den Massageliegen, die in einem Hinterhof aufgestellt sind. Auch er ist wiederum darauf bedacht, meine Haut nicht direkt zu berühren. Ansonsten ist er aber nicht gerade zurückhaltend und drückt so ziemlich gnadenlos auf Triggerpunkte, von deren Existenz ich bis dahin nichts gewusst habe. Er arbeitet sich konzentriert durch den Körper und spricht kaum, fragt nur ab und zu, ob es okay sei. Ja, es ist mehr als okay!
Noch am gleichen Tag rattere ich in einem Tuk-Tuk zum Flughafen von Siem Reap. Die Abflughalle gleicht einer Pagode. Mein Flug wird nicht via Lautsprecher, sondern durch lautes Rufen angekündigt. Was mich an Kambodscha beeindruckt, sind die Ruhe, die Freundlichkeit und die Unaufgeregtheit, die ich als Touristin erlebe und die ich fast nicht zusammenbringe mit der blutigen Vergangenheit des Landes und der Repression, der ich in meiner Arbeit für die Rechte der Arbeiterschaft so oft begegne. Kambodscha bleibt für mich ein bisschen unergründlich. Der Besuch geht tief, aber wie bei der Massage bleibt irgendwie auch immer ein zwischenmenschliches Schutztuch dazwischen.

Tipps für Massagen unterwegsLass dir von einer lokalen Person (am besten gleichen Geschlechts) einen Ort für Gesundheitsmassagen empfehlen. Nimm dir genügend Zeit, um anzukommen, Land und Leute zu erfahren, und lass dich nicht sofort massieren. Gehe am besten tagsüber in die Massage, denn oftmals liegen die authentischen Massageorte etwas abseits – bei Tageslicht kommst du stressfrei und sicherer dorthin. Gehe wenn möglich zu Fuss, lass die Umgebung auf dich wirken, und entscheide spontan, ob dir die Umgebung und Stimmung des Massageorts gefällt oder du dir doch einen anderen Ort suchen willst. Nimm den Massagedienst eines auf Touristen ausgerichteten Hotels in Anspruch, wenn du ausschliesslich deine Muskeln kneten lassen willst, und gehe nur in eine authentische Massage, wenn du in der Stimmung bist, dich darauf einzulassen. Eine Massage ist etwas sehr Persönliches, nicht nur für dich, sondern auch für die Masseurin, die sich auf dich einlässt. Lass dir erklären, wie die Behandlung abläuft. Erweise der Masseurin den Respekt, den sie als Massageprofi verdient. Sag immer, wenn dir etwas nicht behagt, aber lass es geschehen, wenn sie einfach anders massiert, als du es von zu Hause kennst, und freu dich an dieser nicht alltäglichen kulturellen Begegnung.  

In den nächsten Wochen bringen wir in lockerer Folge weitere 2 Beiträge über Massage in verschiedenen Ländern.
Dieser Beitrag erschien im Globetrotter Magazin Nr. 125, Frühling 2018. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.   

Tipps für Massagen unterwegsLass dir von einer lokalen Person (am besten gleichen Geschlechts) einen Ort für Gesundheitsmassagen empfehlen. Nimm dir genügend Zeit, um anzukommen, Land und Leute zu erfahren, und lass dich nicht sofort massieren. Gehe am besten tagsüber in die Massage, denn oftmals liegen die authentischen Massageorte etwas abseits – bei Tageslicht kommst du stressfrei und sicherer dorthin. Gehe wenn möglich zu Fuss, lass die Umgebung auf dich wirken, und entscheide spontan, ob dir die Umgebung und Stimmung des Massageorts gefällt oder du dir doch einen anderen Ort suchen willst. Nimm den Massagedienst eines auf Touristen ausgerichteten Hotels in Anspruch, wenn du ausschliesslich deine Muskeln kneten lassen willst, und gehe nur in eine authentische Massage, wenn du in der Stimmung bist, dich darauf einzulassen. Eine Massage ist etwas sehr Persönliches, nicht nur für dich, sondern auch für die Masseurin, die sich auf dich einlässt. Lass dir erklären, wie die Behandlung abläuft. Erweise der Masseurin den Respekt, den sie als Massageprofi verdient. Sag immer, wenn dir etwas nicht behagt, aber lass es geschehen, wenn sie einfach anders massiert, als du es von zu Hause kennst, und freu dich an dieser nicht alltäglichen kulturellen Begegnung.  

In den nächsten Wochen bringen wir in lockerer Folge weitere 2 Beiträge über Massage in verschiedenen Ländern.
Dieser Beitrag erschien im Globetrotter Magazin Nr. 125, Frühling 2018. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.