Ungarn: Durchgewalkt und abgeduscht

In Ungarn beginnt die erste Herausforderung bereits in der Umkleidekabine. Eine Angestellte des Badehauses begleitet mich und meine Reisekollegin zu unserer Kabine, einen Schlüssel erhalten wir jedoch nicht, der wird zentral verwaltet. An der Innenseite der Garderobentür steht eine mehrstellige Zahl, die man sich zusätzlich zur Nummer an der Aussentür merken muss. Will man sich wieder umziehen, muss man die Aufpasserin vor die richtige Tür führen und ihr die auf der Innenseite verborgene Nummer korrekt aufsagen, ansonsten bleibt der Zugang zur eigenen Kabine verwehrt. Wir lernen also brav die Nummern auswendig und machen uns dann auf Erkundungstour.
Die Badehallen mit Thermal- und Dampfbädern sind geschlechtergetrennt. Im ersten Raum gibt es zwei grosse runde Becken unter einer riesigen Kuppel. Sicher an die 60 Frauen sitzen in zwei grossen Kreisen in den Becken, schwatzen, plaudern und entspannen sich. Das eine Becken ist 38 Grad Celcius warm, das andere 36. Im kühleren kann man stundenlang vor sich hindümpeln. Ich habe nebst dem Badehauseintritt natürlich auch eine Massage gebucht und begebe mich zur vereinbarten Zeit an den Treffpunkt. Ich stelle mir vor, dass der Massagebereich ebenso schön ist wie die prunkvolle Badehaushalle, verziert mit Mosaiken und altehrwürdigen Säulen. Die Bademeisterin holt mich ab und führt mich durch ein kleines Labyrinth in den hinteren Teil des Gebäudes. Dort fällt mir beinahe die Kinnlade hinunter: In einem etwa zehn man zehn Meter grossen Schwimmbecken hängen Menschen im Wasser. Um den Hals tragen sie Holzrondellen, damit der Kopf über Wasser bleibt. Das Ganze erinnert an einen mittelalterlichen Pranger. Die Szenerie hat etwas Gespenstisches, doch den Menschen im Wasser scheint es durchaus gut zu gehen.
Ein bisschen beunruhigt folge ich der Masseurin, die mich zwischenzeitlich in Empfang genommen hat. Sie führt mich ein Kabäuschen, das alles andere als prunkvoll ist. Der Massagetisch: eine Metallliege. Ich versuche, meine mulmige Vorahnung zu unterdrücken und vorurteilslos der Massage entgegenzublicken, aber es gelingt mir nicht ganz. Hier hat Massage offensichtlich nichts mit Wellness zu tun, sondern ist primär funktional angelegt. Die Dame knetet und walkt mich durch, ich glaube zu erahnen, wie sich ein Wiener Schnitzel beim Flachklopfen fühlt. Um fair zu bleiben: Die Masseurin ist sicherlich gut in ihrem Fach, nur ist es halt so, dass auf einer derart harten Unterlage und in einer solch lieblosen Umgebung auch die Tiefenentspannung etwas in Mitleidenschaft gezogen wird.
Massage ist für mich nicht nur eine Frage der Technik, sondern auch der Atmosphäre. Dies wird mir hier defnitiv bewusst. Und funktionale Massage, auch wenn professionell ausgeführt, ist etwa so aufregend wie ein Teller perfekt al dente gekochte Pasta ohne Sauce. Auf jeden Fall habe ich nichts dagegen, dass mich die Masseurin nach rund 30 Minuten ein letztes Mal klopft, dann erst mich und danach den Tisch abduscht und mich in die Folterhalle rausschickt. Hier hängen die Menschen noch immer gemütlich in ihren Holzprangern. Ich freue mich, dass es ihnen gut geht, aber bei aller Neugier, Massagen und Ähnliches zu testen – diese Behandlung werde ich definitiv nie ausprobieren.

Tipps für Massagen unterwegsLass dir von einer lokalen Person (am besten gleichen Geschlechts) einen Ort für Gesundheitsmassagen empfehlen. Nimm dir genügend Zeit, um anzukommen, Land und Leute zu erfahren, und lass dich nicht sofort massieren. Gehe am besten tagsüber in die Massage, denn oftmals liegen die authentischen Massageorte etwas abseits – bei Tageslicht kommst du stressfrei und sicherer dorthin. Gehe wenn möglich zu Fuss, lass die Umgebung auf dich wirken, und entscheide spontan, ob dir die Umgebung und Stimmung des Massageorts gefällt oder du dir doch einen anderen Ort suchen willst. Nimm den Massagedienst eines auf Touristen ausgerichteten Hotels in Anspruch, wenn du ausschliesslich deine Muskeln kneten lassen willst, und gehe nur in eine authentische Massage, wenn du in der Stimmung bist, dich darauf einzulassen. Eine Massage ist etwas sehr Persönliches, nicht nur für dich, sondern auch für die Masseurin, die sich auf dich einlässt. Lass dir erklären, wie die Behandlung abläuft. Erweise der Masseurin den Respekt, den sie als Massageprofi verdient. Sag immer, wenn dir etwas nicht behagt, aber lass es geschehen, wenn sie einfach anders massiert, als du es von zu Hause kennst, und freu dich an dieser nicht alltäglichen kulturellen Begegnung. 

Dieser Beitrag erschien im Globetrotter Magazin Nr. 125, Frühling 2018. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung. 

Tipps für Massagen unterwegsLass dir von einer lokalen Person (am besten gleichen Geschlechts) einen Ort für Gesundheitsmassagen empfehlen. Nimm dir genügend Zeit, um anzukommen, Land und Leute zu erfahren, und lass dich nicht sofort massieren. Gehe am besten tagsüber in die Massage, denn oftmals liegen die authentischen Massageorte etwas abseits – bei Tageslicht kommst du stressfrei und sicherer dorthin. Gehe wenn möglich zu Fuss, lass die Umgebung auf dich wirken, und entscheide spontan, ob dir die Umgebung und Stimmung des Massageorts gefällt oder du dir doch einen anderen Ort suchen willst. Nimm den Massagedienst eines auf Touristen ausgerichteten Hotels in Anspruch, wenn du ausschliesslich deine Muskeln kneten lassen willst, und gehe nur in eine authentische Massage, wenn du in der Stimmung bist, dich darauf einzulassen. Eine Massage ist etwas sehr Persönliches, nicht nur für dich, sondern auch für die Masseurin, die sich auf dich einlässt. Lass dir erklären, wie die Behandlung abläuft. Erweise der Masseurin den Respekt, den sie als Massageprofi verdient. Sag immer, wenn dir etwas nicht behagt, aber lass es geschehen, wenn sie einfach anders massiert, als du es von zu Hause kennst, und freu dich an dieser nicht alltäglichen kulturellen Begegnung. 

Dieser Beitrag erschien im Globetrotter Magazin Nr. 125, Frühling 2018. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.