Efta-Freihandelsverträge: Norwegische Menschenrechtslektion für die Schweiz
Paukenschlag in der Europäischen Freihandels-Assoziation (Efta): Norwegen will im Rahmen des Freihandelabkommens mit Indien nicht über die von der Schweiz gewünschte Stärkung des Patentschutzes verhandeln. Zudem hat die norwegische Regierung entschieden, den Freihandelsvertrag zwischen der Efta und Kolumbien ihrem Parlament vorerst nicht zur Ratifizierung vorzulegen. Diese starken Signale zeigen, dass Norwegen Menschenrechte höher gewichtet als Freihandel. Alliance Sud und die Erklärung von Bern fordern die Schweiz auf, sich daran ein Beispiel zu nehmen.
Die norwegische Staatssekretärin für Handel und Industrie, Rikke Lind, bestätigte am Freitag gegenüber der norwegischen Wochenzeitung "Ny Tid", dass ihr Land im Freihandelsabkommen der Efta mit Indien keine Bestimmungen über das geistige Eigentum wünscht. "Norwegen verfolgt keine Politik, die Entwicklungsländer zwingen könnte, ein Abkommen zu akzeptieren, das ihren politischen Handlungsspielraum über die multilateralen Verpflichtungen zum Patentschutz hinaus einschränkt", lautet ihre Begründung. Damit will Norwegen sicher stellen, dass Indiens Generika-Produzenten, die viele Entwicklungsländer mit günstigen Medikamenten versorgen, nicht beeinträchtigt werden. Rund die Hälfte der in Entwicklungsländern abgegebenen Aids-Medikamente stammen aus indischer Produktion.
In Verhandlungen zwischen den Efta-Staaten und Drittländern nimmt die Schweiz oft eine Führungsrolle wahr. Dabei vertritt sie einseitig die Interessen der pharmazeutischen Industrie und versucht, härtere Bestimmungen zum Schutz des geistigen Eigentums durchzusetzen. Mit bilateralen Freihandelsabkommen möchte sie das erreichen, was ihr im Rahmen des Trips-Abkommens der Welthandelsorganisation (WTO) nicht gelang. Dort waren und sind die Widerstände zu gross, weil ein schärferer Patentschutz dem Zugang zu erschwinglichen Medikamenten und damit dem Recht auf Gesundheit entgegenläuft.
Um Menschenrechtsbedenken geht es auch beim Entscheid Norwegens, die Ratifizierung des bilateralen Freihandelabkommens zwischen der Efta und Kolumbien zu verschieben. Gemäss Regierung braucht es einen verstärkten Einbezug der Menschenrechte, bevor dieser Vertrag zur Ratifizierung ins Parlament kommt. „Was die Menschen- und Arbeitsrechte anbelangt, sind wir mit dem Handelsabkommen nicht zufrieden“, wird Finanzministerin Kristin Halvorsen in der norwegischen Presse zitiert. Die Skandinavier haben nun den kolumbianischen Handelsminister zu Gesprächen eingeladen. Zudem soll im Juni eine Delegation nach Kolumbien reisen um die norwegischen Bedenken bezüglich Menschenrechten zu erörtern..
Die EvB und Alliance Sud begrüssen Norwegens konsequente Haltung und weisen darauf hin, dass die Schweiz den Entscheid der WTO-Ministerkonferenz von 2001 unterstützte, das Patentschutzabkommen zugunsten eines vereinfachten Zugangs zu lebenswichtigen Medikamenten flexibel zu handhaben. Sie haben die Schweiz bereits mehrfach aufgefordert, in bilateralen Verhandlungen auf eine Verschärfung des Patentschutzes zu verzichten. Auch im Fall Kolumbien haben die beiden Entwicklungsorganisationen mehrfach auf dortige Menschenrechtsverstösse hingewiesen und gefordert, dass Menschenrechte vor Freihandel kommen müssen.
Hintergrundinfos auf www.evb.ch/p25014777.html und www.alliancesud.ch/deutsch/pages/T/T_Ho.htm, Weitere Auskünfte bei: Thomas Braunschweig, Handelsexperte der Erklärung von Bern, Tel. +41 (0)44 277 70 11, trade@evb.ch, Bastienne Joerchel, Programmverantwortliche Alliance Sud, Tel. +41 (0)79 445 94 87, bastienne.joerchel@alliancesud.ch;
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