Erklärung von Belém – Global Tourism Interventions Forum

Weltsozialforum, Belém do Pará, Brasilien, 28. Januar bis 1. Feburar 2009
Wir, die Teilnehmenden des Global Tourism Intervention Forum, das vom 28. Januar bis 1. Februar während des Weltsozialforums in Belém do Pará/Brasilien im pan-amazonischen Gebiet stattfand, sind Mitglieder von Organisationen aus Ländern Lateinamerikas, Nordamerikas, Asiens, Afrikas und Europas und erklären, dass ein anderer Tourismus möglich und dringend notwendig ist!

Wir erachten die vorherrschende Tourismuspolitik als Haupthindernis für den Aufbau eines neuen Tourismusmodells. Kennzeichnend für diese Politik sind:

  • die neoliberalen Visionen nationaler Regierungen, der globalen Tourismusbranche und internationaler Organisationen wie der UN-Welttourismusorganisation (UNWTO);

  • die Privatisierung des Landes von traditionellen und indigenen Völkern durch transnationale und multinationale Konzerne, mit Unterstützung der Regierungen, insbesondere in Entwicklungsländern;

  • die ungestrafte Begünstigung sexueller und ökonomischer Ausbeutung der Arbeitskraft und des Körpers von Frauen, Kindern und Jugendlichen und von Arbeitnehmenden, die eine klare und abstossende Verletzung von Menschenrechten, gesellschaftlichen Rechten und Arbeitsrechten bedeutet;

  • die Zerstörung der Umwelt in Küstenzonen, Wäldern, Gebieten traditioneller und indigener Völker und Orten von besonderer landschaftlicher Schönheit, wo riesige touristische Überbauungen realisiert werden, die mit spekulativen Finanzgeschäften einher gehen;

  • das Fehlen von Demokratie und Transparenz bei der Umsetzung solcher Unternehmen, wobei die Gemeinden und kritischen Organisationen absichtlich vom Entscheidungsprozess ausgeschlossen werden;

  • die Zunahme der Armut unter der Lokalbevölkerung sowie der sozialen Ungleichheit;

  • die Konzentration des Einkommens aus dem Tourismus in den Händen grosser Konzerne, die mit namhaften Beiträgen der öffentlichen Hand und internationaler Finanzinstitute gefördert werden;

  • und die Deregulierung des Tourismus, die zur Verschärfung der sozialen und ökologischen Konflikte beiträgt, wie wir sie in verschiedenen Erdteilen klar als Folge eines räuberischen, ausschliessenden und nicht nachhaltigen Tourismus erkennen können.

Der konventionelle Tourismus trägt zur globalen Erwärmung und dem Klimawandel bei. Die Tourismusindustrie stösst Treibhausgase aus, weil sie mit fossiler Energie betriebene Transportmittel begünstigt und zudem andere nicht nachhaltige Praktiken und Konsumformen betreibt. Indem sich der Tourismus an Meeresküsten und auf dem Land von indigenen und traditionellen Völkern ausbreitet, die eng vernetzt mit der Umwelt leben, indem natürliche Ökosysteme (Dünenfelder, Mangrovenwälder, Sandbänke) für den Aufbau von Ferienanlagen und Hotels zerstört werden, indem Massentourismus gefördert wird, der weder die Tragfähigkeit des Orts, noch die Bedürfnisse, das Bestreben und die Sorgen zur Nachhaltigkeit der Gemeinden der Tourismus-“Destination” berücksichtigt, indem im Zuge der Tourismusentwicklung Landgebiete privatisiert und dabei Gemeinschaften in ungesunde und unwürdige städtische Gebiete vertrieben werden, trägt der Tourismus zur Verschärfung der sozialen Ungerechtigkeit vor dem Klimawandel bei und erhöht zudem die Anfälligkeit der lokalen Gemeinschaften auf die Auswirkungen des Klimawandels. Wir werden in den laufenden Verhandlungen zur Klima-Rahmenkonvention der Vereinten Nationen das Bewusstsein für die Beziehung zwischen Tourismus und Klimawandel schärfen.
Wir stehen für eine Art von Tourismus ein, die der Logik des gängigen Tourismusmodells und der Immobilienspekulation für neue Erschliessungen entgegensteht, welche das Land traditioneller Völker bedrohen und im Interesse des grossen Kapitals deren Naturräume und Kulturen in Marktgüter verwandeln. Denn längst blühen in allen Kontinenten auf der Basis von Netzwerken hoffnungsvolle, selbstbestimmte und mutige Initiativen auf, die auf den gemeindeorientierten und solidarischen Tourismus im vollen Respekt der lokalen Kultur und der Umwelt setzen. Sie sind legitimer Ausdruck des Kampfs und Widerstands der Gemeinschaften gegen den konventionellen, nicht nachhaltigen und ausbeuterischen Tourismus, der Verteidigung ihres Landes und ihrer natürlichen Ressourcen sowie der Rettung und Bekräftigung ihres tief verwurzelten kulturellen Ausdrucks. Und sie erweisen sich als ein Mittel zur Stärkung der lokalen und gemeinschaftlichen Organisationen. Es sind Erfahrungen mit einem Tourismusmodell, das die Lebensweise der Gemeinden wertschätzt, die eng mit dem Ökosystem verbunden sind, das ihr Überleben garantiert.

Wir rufen alle Bürger der Welt auf, zur Stärkung eines Tourismus beizutragen, der gemeindeorientiert, solidarisch, gerecht und nachhaltig ist:

  • als zivilgesellschaftliche Organisation und als bewusste KonsumentInnen sich über die neuen Ansätze zu informieren und das Wissen weiter zu verbreiten;

  • eine Politik einzufordern, welche die Regulierung des Tourismus anstrebt, die Unterstützung von touristischen Megaprojekten aus öffentlichen Mitteln umgehend stoppt und das Zugangsrecht der Gemeinden zu ihrem Land ebenso sicherstellt, wie die verfassungsmässigen Rechte der Gemeinschaften auf Entwicklung und Selbstbestimmung sowie die rigorose Umsetzung der Umweltgesetzgebung zum Schutz der biologischen und kulturellen Vielfalt;

  • und den Widerstand in der ganzen Welt ebenso wie die Alternativen und die konkreten Initiativen für einen gemeindeorientierten und solidarischen Tourismus zu unterstützen.

Belém, 1. Februar 2009.

Brasilianisches Forum von NGOs und sozialen Bewegungen für Umwelt und Entwicklung (FBOMS), Argonautas Environmentalists des Amazonas (Brasilien), EQUATIONS (India), Forum zum Schutz der Küste von Ceará (Brasilien), Institut Terramar (Brasilien), Netzwerk TURISOL (Brasilien), Netzwerk TUCUM (Brasilien), Coopesolidar (Costa Rica), Institut Vitae Civilis (Brasilien), Verein für die Verteidigung und die Entwicklung von Kuelap (Peru), Alba Sud (Spanien/Nicaragua), Verein für verantwortlichen Tourismus (Spanien), Brasilianisches Institut für die Verteidigung der KonsumentInnen, Gemeinde der Mapuche-Tehuelche Pu Fotum Mapu (Argentina), Verein Freunde von Prainha do Canto Verde (Schweiz).
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Bild: ÖRK, Juan Michel