Immer höher hinauf in die Berge windet sich die Strasse. Hinter uns liegen die warmen, den nahen Frühling verheissenden Sonnenstrahlen an der libanesischen Mittelmeerküste. Über den Hügelkämmen vor uns dräuen dunkle Wolken, aus denen immer wieder Schnee fällt. Dazu bläst ein scharf schneidender Wind, der einen die Temperatur um den Gefrierpunkt noch kälter empfinden lässt. Je mehr wir an Höhe gewinnen, desto höher türmen sich links und rechts der Strasse die Schneeverwehungen. Schliesslich passieren wir das Ortsschild von Mayrouba. Wenige Meter dahinter erhebt sich linker Hand ein schmuckloser, mehrstöckiger Betonbau. Hier, in diesem nie wirklich fertig gebauten Wohnhaus, haben Seba Kairout (34) und ihr Mann Samer Mahfoud (43) mit den drei Kindern Asia (11), Youssef (9) und Ahmad (2) nach ihrer Flucht aus Syrien vor rund eineinhalb Jahren eine vorläufige Bleibe gefunden. Sie empfangen uns in ihrem kleinen, kaum 20 Quadratmeter grossen Zimmer mit einer kleinen Anrichte und einem winzigen WC. Im Zimmer ist es nur wenige Grad über null. Die einzigen Wärmequellen sind ein behelfsmässig aufgestellter Heizstrahler und eine kleine, mit Gas beheizte Kochstelle in der Mitte des Zimmers, auf der ein Krug mit Tee steht. Durch die schlecht abdichtenden Fenster zieht es so eiskalt herein, dass wir unsere Winterjacken anbehalten. Das übrige Mobiliar im Zimmer beschränkt sich auf einen klapprigen Tisch, zwei ausgebleichte Plastikstühle und ein Bett. Dort schlafen jeweils zwei der drei Kinder, während der Rest der Familie auf dem mit alten Teppichen belegten Fussboden schläft.

Zwischen den Fronten

"In unserem Dorf in Syrien führten wir zwar auch ein einfaches, bescheidenes Leben. Aber wir hätten euch wenigstens in unserem Haus empfangen können", beginnt Seba fast entschuldigend zu erzählen, während sie uns eine Tasse Tee einschenkt. "Wir hatten ein Stück Land, auf dem wir Früchte und Gemüse anpflanzten", fährt sie fort. Doch dann sei auch ihr Dorf zwischen die Fronten der verschiedenen Kriegsparteien geraten. Einmal waren es Kämpfer der selbsternannten "Freien syrischen Armee", dann wieder Soldaten der Regierungstruppen, die das Dorf zum Kriegsschauplatz machten. "Jeden Tag schlugen Bomben ein, es wurde geschossen und wir mussten immer wieder um unser Leben rennen und uns im Keller verstecken." "Vor allem die Kinder waren sehr verängstigt, sie schrien und weinten oft", ergänzt Sebas Mann Samer. Schliesslich wurde die Situation so unerträglich, dass sich Seba und Samer entschlossen, aus Syrien zu flüchten und sich im Libanon in Sicherheit zu bringen.

Eine Flucht in Etappen

Samer ging voraus, um für die ganze Familie eine Unterkunft und für sich eine Arbeit zu suchen. Seine erste Station war Tripoli, doch weil er dort nichts fand, reiste er weiter Richtung Beirut. Schliesslich gelangte er nach Mayrouba, wo er durch die Vermittlung anderer syrischer Flüchtlinge dieses Zimmer und zeitweise auch Arbeit als Taglöhner in der Landwirtschaft fand. Doch jetzt, im Winter, gebe es in der Landwirtschaft nichts zu tun. "Seit über einem Monat habe ich nun nicht mehr arbeiten können und sitze nur herum, das fällt mir schwer", klagt Samer. "Wir haben kaum noch Geld und ich weiss noch nicht, wie ich die nächste Miete bezahlen soll. Zum Glück gibt es in Mayrouba gute Menschen, zum Teil auch Landsleute, die uns manchmal etwas zu essen besorgen oder auch Kleider weitergeben." Seba und die Kinder folgten Samer einige Wochen später. Auch ihre Flucht verlief in Etappen. Von Edlib über Homs nach Damaskus. Immer wieder hätten sie nach einer neuen Mitfahrgelegenheit suchen müssen. "Schliesslich gelang auch Seba und ihren Kindern der Grenzübertritt in den Libanon und die Familie fand in Mayrouba wieder zusammen.

Eine zufällige Begegnung wird zum Wendepunkt

Asia und Youssef, die beiden älteren Kinder, können hier sogar die Schule besuchen. Stolz zeigen sie uns ihre Schulbücher und -hefte. Sie sind beide sehr fleissige und aufgeweckte Kinder, die sogar schon etwas Französisch gelernt haben. Asia meint: "Ich möchte gerne Ärztin oder Lehrerin werden." Und Youssef träumt davon, später einmal als Ingenieur zu arbeiten. Für die Eltern hingegen war insbesondere die erste Zeit im Libanon, ohne Geld und mit einer völlig ungewissen Zukunft vor sich, eine grosse psychische Belastung. Vor allem Seba war oft verzweifelt. Auf der Suche nach Unterstützung suchte sie das Büro des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) in Beirut auf. Doch dort beschied man ihr, dass man ihrer Familie nicht helfen könne. Seba erinnert sich: "Da stand ich dann vor diesem Büro, ohne Hoffnung auf Hilfe." Sie sei in Tränen ausgebrochen. Doch für einmal sollte es das Schicksal gut mit ihr meinen. Denn plötzlich trat ein Mann an sie heran; er kenne eine italienische Organisation, die Flüchtlingen aus Syrien und deshalb vielleicht auch ihr helfen könne. Diese zufällige Begegnung sollte zu einem Wendepunkt im Leben von Seba und ihrer Familie werden.

Am Anfang stand ein Drama

Die Organisation, von der der Fremde sprach, ist die italienische Waldenserkirche, die grösste Gemeinschaft innerhalb der "Federazione delle Chiese Evangeliche in Italia" (FCEI), der Vereinigung der evangelischen Kirchen in Italien. Als im Jahre 2015 immer mehr Flüchtlinge auf ihrem gefährlichen Weg auf seeuntüchtigen Booten nach Europa in Sichtweite der Insel Lampedusa elend im Mittelmeer ertranken, konnten und wollten die Verantwortlichen der Waldenserkirche dem Massensterben nicht mehr länger untätig zusehen. Zusammen mit der katholischen Laiengemeinschaft "Sant‘Egidio" riefen sie das Projekt "Mediterranean Hope" ins Leben. Im November 2015 war es schliesslich so weit. Nach langen Verhandlungen konnten sie mit den italienischen Behörden eine Vereinbarung treffen, die es den beiden Organisationen erlaubt, innerhalb von zwei Jahren insgesamt tausend besonders verletzliche Flüchtlinge, vorwiegend aus Syrien, auf sicherem Flugweg direkt nach Italien einreisen zu lassen und sie dort ins ordentliche Asylverfahren aufzunehmen. Während des Asylverfahrens tragen dafür die beiden kirchlichen Organisationen vollumfänglich die Kosten für die Unterbringung der Flüchtlinge und die verschiedenen Integrationsmassnahmen. Danach sollten die Flüchtlinge in der Lage sein, ihren Lebensunterhalt mit eigenen Mitteln zu bestreiten und ihre Zukunft eigenverantwortlich zu gestalten. 

Eine Flucht in Etappen

Samer ging voraus, um für die ganze Familie eine Unterkunft und für sich eine Arbeit zu suchen. Seine erste Station war Tripoli, doch weil er dort nichts fand, reiste er weiter Richtung Beirut. Schliesslich gelangte er nach Mayrouba, wo er durch die Vermittlung anderer syrischer Flüchtlinge dieses Zimmer und zeitweise auch Arbeit als Taglöhner in der Landwirtschaft fand. Doch jetzt, im Winter, gebe es in der Landwirtschaft nichts zu tun. "Seit über einem Monat habe ich nun nicht mehr arbeiten können und sitze nur herum, das fällt mir schwer", klagt Samer. "Wir haben kaum noch Geld und ich weiss noch nicht, wie ich die nächste Miete bezahlen soll. Zum Glück gibt es in Mayrouba gute Menschen, zum Teil auch Landsleute, die uns manchmal etwas zu essen besorgen oder auch Kleider weitergeben." Seba und die Kinder folgten Samer einige Wochen später. Auch ihre Flucht verlief in Etappen. Von Edlib über Homs nach Damaskus. Immer wieder hätten sie nach einer neuen Mitfahrgelegenheit suchen müssen. "Schliesslich gelang auch Seba und ihren Kindern der Grenzübertritt in den Libanon und die Familie fand in Mayrouba wieder zusammen.

Eine zufällige Begegnung wird zum Wendepunkt

Asia und Youssef, die beiden älteren Kinder, können hier sogar die Schule besuchen. Stolz zeigen sie uns ihre Schulbücher und -hefte. Sie sind beide sehr fleissige und aufgeweckte Kinder, die sogar schon etwas Französisch gelernt haben. Asia meint: "Ich möchte gerne Ärztin oder Lehrerin werden." Und Youssef träumt davon, später einmal als Ingenieur zu arbeiten. Für die Eltern hingegen war insbesondere die erste Zeit im Libanon, ohne Geld und mit einer völlig ungewissen Zukunft vor sich, eine grosse psychische Belastung. Vor allem Seba war oft verzweifelt. Auf der Suche nach Unterstützung suchte sie das Büro des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) in Beirut auf. Doch dort beschied man ihr, dass man ihrer Familie nicht helfen könne. Seba erinnert sich: "Da stand ich dann vor diesem Büro, ohne Hoffnung auf Hilfe." Sie sei in Tränen ausgebrochen. Doch für einmal sollte es das Schicksal gut mit ihr meinen. Denn plötzlich trat ein Mann an sie heran; er kenne eine italienische Organisation, die Flüchtlingen aus Syrien und deshalb vielleicht auch ihr helfen könne. Diese zufällige Begegnung sollte zu einem Wendepunkt im Leben von Seba und ihrer Familie werden.

Am Anfang stand ein Drama

Die Organisation, von der der Fremde sprach, ist die italienische Waldenserkirche, die grösste Gemeinschaft innerhalb der "Federazione delle Chiese Evangeliche in Italia" (FCEI), der Vereinigung der evangelischen Kirchen in Italien. Als im Jahre 2015 immer mehr Flüchtlinge auf ihrem gefährlichen Weg auf seeuntüchtigen Booten nach Europa in Sichtweite der Insel Lampedusa elend im Mittelmeer ertranken, konnten und wollten die Verantwortlichen der Waldenserkirche dem Massensterben nicht mehr länger untätig zusehen. Zusammen mit der katholischen Laiengemeinschaft "Sant‘Egidio" riefen sie das Projekt "Mediterranean Hope" ins Leben. Im November 2015 war es schliesslich so weit. Nach langen Verhandlungen konnten sie mit den italienischen Behörden eine Vereinbarung treffen, die es den beiden Organisationen erlaubt, innerhalb von zwei Jahren insgesamt tausend besonders verletzliche Flüchtlinge, vorwiegend aus Syrien, auf sicherem Flugweg direkt nach Italien einreisen zu lassen und sie dort ins ordentliche Asylverfahren aufzunehmen. Während des Asylverfahrens tragen dafür die beiden kirchlichen Organisationen vollumfänglich die Kosten für die Unterbringung der Flüchtlinge und die verschiedenen Integrationsmassnahmen. Danach sollten die Flüchtlinge in der Lage sein, ihren Lebensunterhalt mit eigenen Mitteln zu bestreiten und ihre Zukunft eigenverantwortlich zu gestalten.

Zwischen Hoffnung und Trauer

Seba, Samer und ihre drei Kinder wissen erst seit wenigen Tagen, dass sie tatsächlich zu den Flüchtlingen gehören, die auf ein "neues" Leben in Italien, in Freiheit und Sicherheit hoffen dürfen. Dementsprechend aufgeregt sind sie, als wir sie zusammen mit den beiden verantwortlichen Koordinatoren von "Mediterranean Hope", Francesco Piobbichi und Simone Scotta, sowie der kulturellen Mediatorin und Übersetzerin Silvia Turati besuchen. "Die Kinder fragen jeden Tag, wann wir endlich nach Italien reisen können", erzählt Seba. Und auch ihr zaubert die Aussicht auf einen Neubeginn fern von Krieg und Gewalt kurz ein zaghaftes Lächeln aufs Gesicht. Doch die Zuversicht in ihren Augen erlischt einen Augenblick später schon wieder, als Seba daran denkt, dass die bevorstehende Reise aller Voraussicht nach auch ein endgültiger Bruch mit ihrem bisherigen Leben in Syrien sein wird. Denn da sind Eltern, Geschwister, Freunde, die sie zum Teil seit Jahren nicht mehr gesehen hat, und die sie vielleicht nie mehr sehen wird. In diesem Moment treten Tränen in Sebas Augen.

Intensive Befragungen

Bevor die Familie den positiven Bescheid erhielt, hatten Seba und Samer eine ganze Reihe von Befragungen zu bewältigen, in denen sie detailliert über ihre bisherigen Lebensumstände in Syrien, die Hintergründe ihrer Flucht und ihre Motivation bzw. Erwartungen im Hinblick auf einen Neuanfang in Italien Auskunft geben mussten. Schliesslich blieben keinerlei Zweifel offen: Die Familie erfüllt alle Voraussetzungen, um ins Programm aufgenommen zu werden. Mit einer Unsicherheit muss die Familie aber auch dann noch leben, als wir uns nach einem zweiten Treffen einige Tage später von ihr verabschieden. Denn ganz am Ende werden in einigen Wochen nicht die Verantwortlichen von "Mediterranean Hope", sondern das italienische Konsulat in Beirut darüber entscheiden, ob sie die Reise nach Italien antreten kann.

Wiedersehen in Süditalien

Mitte Februar erhalte ich eine E-Mail von Simone Scotta, in dem er mir bestätigt, dass Seba und ihre Familie definitiv zu jener Gruppe von Flüchtlingen gehören, die Ende Februar nach Italien einreisen dürfen. Ihre neue Heimat werde in Kalabrien, in Süditalien sein, in der 7000-Seelen-Gemeinde Gioiosa Ionica, berichtet mir Simone. Ich spüre eine grosse Freude, denn die Familie ist uns in den wenigen Stunden unseres Besuchs im Libanon sehr ans Herz gewachsen.
27. Februar 2017: Nach einer langen Reise sind Seba und ihre Familie heute zusammen mit rund sechzig weiteren Flüchtlingen mit der von "Alitalia" zur Verfügung gestellten Linienmaschine auf dem Flughafen Roma-Fiumicino gelandet. "Wir sind sehr herzlich empfangen worden", wird uns Seba zwei Tage später erzählen, als wir sie in ihrer grosszügigen Vierzimmerwohnung im Kleinstädtchen Gioiosa Ionica besuchen. Hier, in diesem malerischen Städtchen, soll die Familie also in Zukunft leben. Dafür, dass ihre Integration gelingt, will die von Maurizio Zavaglia, dem Präsidenten des Stadtrates, mit einigen anderen Freiwilligen gegründete "Cooperativa Nelson Mandela" mit ihrem Engagement einstehen. Denn in Gioiosa Ionica hat man erkannt, dass Flüchtlinge eine Chance sein können, das in den letzten Jahrzehnten von Landflucht und wirtschaftlichem Niedergang gezeichnete Städtchen neu zu beleben.
Maurizio und seine MitstreiterInnen haben grosse Pläne: "In unserer Gemeinde gibt es sehr viel Land, das seit langer Zeit nicht mehr bewirtschaftet wird. Dieses Land wollen wir pachten und zusammen mit den in Gioiosa Ionica verbliebenen jungen, meist arbeitslosen Leuten und den Flüchtlingen wieder landwirtschaftlich nutzen", erzählt der initiative Dorfpolitiker. Und Maurizio schaut noch weiter in die Zukunft: "In absehbarer Zeit wollen wir auch sozial verträglichen Tourismus anbieten."

Unsicherheit und Zweifel

Seba und ihre Familie sind indessen gerade erst zwei Tage in Italien. Noch leben sie im Moment und unter dem verwirrenden Eindruck all des Neuen, dem sie hier auf Schritt und Tritt begegnen. Vor allem bei Seba sind die Unsicherheit und das Gefühl der Entwurzelung deutlich zu spüren. Es gibt nichts, was irgendwie vertraut wäre. Die Verständigung mit den Mitgliedern der "Cooperativa" ist noch sehr schwierig, denn diese sprechen nur italienisch und Seba und ihr Mann nur arabisch.
Seba beschleichen sogar Zweifel, ob es der richtige Entscheid gewesen ist, nach Italien zu gehen. Als sie jedoch erfährt, dass ihre Kinder bereits in den kommenden Tagen in die Schule gehen können, ist Seba sehr erleichtert. Denn schon im Libanon hat sie uns erklärt, dass sie und ihr Mann in erster Linie wegen ihrer Kinder geflüchtet seien. "Ich möchte, dass unsere Kinder in Frieden aufwachsen, zur Schule gehen und später einen guten Beruf erlernen können", sagte sie damals.
Noch fällt es Seba und ihrem Mann in diesen ersten Tagen schwer, zuversichtlich zu sein und sich in Geduld zu üben, wenn trotz dem grossen Engagement der ehrenamtlichen HelferInnen der "Cooperativa Nelson Mandela" manches noch improvisiert wirkt und nicht auf Anhieb klappt. Eine willkommene Ablen- kung von den Sorgen sind für die Familie die ersten Ausflüge in die nähere Umgebung und ans nahe Meer. Da macht sich auch bei Seba und Samer plötzlich wenigstens für einige Momente so etwas wie Entspannung bemerkbar.
Bei unserem Abschied kehren Sebas Ängste vor der Zukunft zurück. Was das Leben am neuen Ort in den kommenden Wochen und Monaten für die Familie wohl bereithalten wird? Wir werden es erfahren, denn wir haben uns fest vorgenommen, Seba, Samer, Asia, Youssef und Ahmad in spätestens einem Jahr wieder zu besuchen. "Wollen wir wetten, dass ihr dann viel besser italienisch sprecht als wir?" Mein Vorschlag bringt sogar Seba zum Lachen…    

HUMANITÄRE KORRIDORE FÜR FLÜCHTLINGE: DIE SCHWEIZ SOLL FARBE BEKENNENDie reformierten Kirchen und die katholische Laiengemeinschaft "Sant’Egidio" in Italien haben es vorgemacht: Sie haben mit den Behörden ihres Landes vereinbart, dass innert zweier Jahre insgesamt tausend besonders verletzliche Flüchtlinge, vorwiegend aus Syrien, mit einem humanitären Visum sicher nach Italien gelangen können und dort während des ordentlichen Asylverfahrens von Freiwilligen begleitet werden. Die Kosten für die Unterbringung und die ersten Massnahmen zur Integration der Flüchtlinge werden von den beiden kirchlichen Organisationen getragen.
Dieses zivilgesellschaftliche, von grosser Menschlichkeit und Solidarität geprägte Engagement für Menschen auf der Flucht sollte für die Schweiz beispielgebend sein und könnte auch bei uns Schule machen. Denn die Schweiz als eines der weltweit reichsten Länder könnte und sollte zweifellos bedeutend mehr als bisher tun zur Bewältigungder Krise.
HEKS wird deshalb in den nächsten Wochen und Monaten mmit Behörden und zivilgesellschaftlichen Akteuren Gespräche darüber führen, wie das Modell der "humanitären Korridore" auf schweizerische Verhältnisse adaptiert werden könnte, um noch mehr schutzbedürftigen Menschen die lebensgefährlichen Fluchtwege zu ersparen. 

Eine Flucht in Etappen

Samer ging voraus, um für die ganze Familie eine Unterkunft und für sich eine Arbeit zu suchen. Seine erste Station war Tripoli, doch weil er dort nichts fand, reiste er weiter Richtung Beirut. Schliesslich gelangte er nach Mayrouba, wo er durch die Vermittlung anderer syrischer Flüchtlinge dieses Zimmer und zeitweise auch Arbeit als Taglöhner in der Landwirtschaft fand. Doch jetzt, im Winter, gebe es in der Landwirtschaft nichts zu tun. "Seit über einem Monat habe ich nun nicht mehr arbeiten können und sitze nur herum, das fällt mir schwer", klagt Samer. "Wir haben kaum noch Geld und ich weiss noch nicht, wie ich die nächste Miete bezahlen soll. Zum Glück gibt es in Mayrouba gute Menschen, zum Teil auch Landsleute, die uns manchmal etwas zu essen besorgen oder auch Kleider weitergeben." Seba und die Kinder folgten Samer einige Wochen später. Auch ihre Flucht verlief in Etappen. Von Edlib über Homs nach Damaskus. Immer wieder hätten sie nach einer neuen Mitfahrgelegenheit suchen müssen. "Schliesslich gelang auch Seba und ihren Kindern der Grenzübertritt in den Libanon und die Familie fand in Mayrouba wieder zusammen.

Eine zufällige Begegnung wird zum Wendepunkt

Asia und Youssef, die beiden älteren Kinder, können hier sogar die Schule besuchen. Stolz zeigen sie uns ihre Schulbücher und -hefte. Sie sind beide sehr fleissige und aufgeweckte Kinder, die sogar schon etwas Französisch gelernt haben. Asia meint: "Ich möchte gerne Ärztin oder Lehrerin werden." Und Youssef träumt davon, später einmal als Ingenieur zu arbeiten. Für die Eltern hingegen war insbesondere die erste Zeit im Libanon, ohne Geld und mit einer völlig ungewissen Zukunft vor sich, eine grosse psychische Belastung. Vor allem Seba war oft verzweifelt. Auf der Suche nach Unterstützung suchte sie das Büro des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) in Beirut auf. Doch dort beschied man ihr, dass man ihrer Familie nicht helfen könne. Seba erinnert sich: "Da stand ich dann vor diesem Büro, ohne Hoffnung auf Hilfe." Sie sei in Tränen ausgebrochen. Doch für einmal sollte es das Schicksal gut mit ihr meinen. Denn plötzlich trat ein Mann an sie heran; er kenne eine italienische Organisation, die Flüchtlingen aus Syrien und deshalb vielleicht auch ihr helfen könne. Diese zufällige Begegnung sollte zu einem Wendepunkt im Leben von Seba und ihrer Familie werden.

Am Anfang stand ein Drama

Die Organisation, von der der Fremde sprach, ist die italienische Waldenserkirche, die grösste Gemeinschaft innerhalb der "Federazione delle Chiese Evangeliche in Italia" (FCEI), der Vereinigung der evangelischen Kirchen in Italien. Als im Jahre 2015 immer mehr Flüchtlinge auf ihrem gefährlichen Weg auf seeuntüchtigen Booten nach Europa in Sichtweite der Insel Lampedusa elend im Mittelmeer ertranken, konnten und wollten die Verantwortlichen der Waldenserkirche dem Massensterben nicht mehr länger untätig zusehen. Zusammen mit der katholischen Laiengemeinschaft "Sant‘Egidio" riefen sie das Projekt "Mediterranean Hope" ins Leben. Im November 2015 war es schliesslich so weit. Nach langen Verhandlungen konnten sie mit den italienischen Behörden eine Vereinbarung treffen, die es den beiden Organisationen erlaubt, innerhalb von zwei Jahren insgesamt tausend besonders verletzliche Flüchtlinge, vorwiegend aus Syrien, auf sicherem Flugweg direkt nach Italien einreisen zu lassen und sie dort ins ordentliche Asylverfahren aufzunehmen. Während des Asylverfahrens tragen dafür die beiden kirchlichen Organisationen vollumfänglich die Kosten für die Unterbringung der Flüchtlinge und die verschiedenen Integrationsmassnahmen. Danach sollten die Flüchtlinge in der Lage sein, ihren Lebensunterhalt mit eigenen Mitteln zu bestreiten und ihre Zukunft eigenverantwortlich zu gestalten. 

Eine Flucht in Etappen

Samer ging voraus, um für die ganze Familie eine Unterkunft und für sich eine Arbeit zu suchen. Seine erste Station war Tripoli, doch weil er dort nichts fand, reiste er weiter Richtung Beirut. Schliesslich gelangte er nach Mayrouba, wo er durch die Vermittlung anderer syrischer Flüchtlinge dieses Zimmer und zeitweise auch Arbeit als Taglöhner in der Landwirtschaft fand. Doch jetzt, im Winter, gebe es in der Landwirtschaft nichts zu tun. "Seit über einem Monat habe ich nun nicht mehr arbeiten können und sitze nur herum, das fällt mir schwer", klagt Samer. "Wir haben kaum noch Geld und ich weiss noch nicht, wie ich die nächste Miete bezahlen soll. Zum Glück gibt es in Mayrouba gute Menschen, zum Teil auch Landsleute, die uns manchmal etwas zu essen besorgen oder auch Kleider weitergeben." Seba und die Kinder folgten Samer einige Wochen später. Auch ihre Flucht verlief in Etappen. Von Edlib über Homs nach Damaskus. Immer wieder hätten sie nach einer neuen Mitfahrgelegenheit suchen müssen. "Schliesslich gelang auch Seba und ihren Kindern der Grenzübertritt in den Libanon und die Familie fand in Mayrouba wieder zusammen.

Eine zufällige Begegnung wird zum Wendepunkt

Asia und Youssef, die beiden älteren Kinder, können hier sogar die Schule besuchen. Stolz zeigen sie uns ihre Schulbücher und -hefte. Sie sind beide sehr fleissige und aufgeweckte Kinder, die sogar schon etwas Französisch gelernt haben. Asia meint: "Ich möchte gerne Ärztin oder Lehrerin werden." Und Youssef träumt davon, später einmal als Ingenieur zu arbeiten. Für die Eltern hingegen war insbesondere die erste Zeit im Libanon, ohne Geld und mit einer völlig ungewissen Zukunft vor sich, eine grosse psychische Belastung. Vor allem Seba war oft verzweifelt. Auf der Suche nach Unterstützung suchte sie das Büro des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) in Beirut auf. Doch dort beschied man ihr, dass man ihrer Familie nicht helfen könne. Seba erinnert sich: "Da stand ich dann vor diesem Büro, ohne Hoffnung auf Hilfe." Sie sei in Tränen ausgebrochen. Doch für einmal sollte es das Schicksal gut mit ihr meinen. Denn plötzlich trat ein Mann an sie heran; er kenne eine italienische Organisation, die Flüchtlingen aus Syrien und deshalb vielleicht auch ihr helfen könne. Diese zufällige Begegnung sollte zu einem Wendepunkt im Leben von Seba und ihrer Familie werden.

Am Anfang stand ein Drama

Die Organisation, von der der Fremde sprach, ist die italienische Waldenserkirche, die grösste Gemeinschaft innerhalb der "Federazione delle Chiese Evangeliche in Italia" (FCEI), der Vereinigung der evangelischen Kirchen in Italien. Als im Jahre 2015 immer mehr Flüchtlinge auf ihrem gefährlichen Weg auf seeuntüchtigen Booten nach Europa in Sichtweite der Insel Lampedusa elend im Mittelmeer ertranken, konnten und wollten die Verantwortlichen der Waldenserkirche dem Massensterben nicht mehr länger untätig zusehen. Zusammen mit der katholischen Laiengemeinschaft "Sant‘Egidio" riefen sie das Projekt "Mediterranean Hope" ins Leben. Im November 2015 war es schliesslich so weit. Nach langen Verhandlungen konnten sie mit den italienischen Behörden eine Vereinbarung treffen, die es den beiden Organisationen erlaubt, innerhalb von zwei Jahren insgesamt tausend besonders verletzliche Flüchtlinge, vorwiegend aus Syrien, auf sicherem Flugweg direkt nach Italien einreisen zu lassen und sie dort ins ordentliche Asylverfahren aufzunehmen. Während des Asylverfahrens tragen dafür die beiden kirchlichen Organisationen vollumfänglich die Kosten für die Unterbringung der Flüchtlinge und die verschiedenen Integrationsmassnahmen. Danach sollten die Flüchtlinge in der Lage sein, ihren Lebensunterhalt mit eigenen Mitteln zu bestreiten und ihre Zukunft eigenverantwortlich zu gestalten.

Zwischen Hoffnung und Trauer

Seba, Samer und ihre drei Kinder wissen erst seit wenigen Tagen, dass sie tatsächlich zu den Flüchtlingen gehören, die auf ein "neues" Leben in Italien, in Freiheit und Sicherheit hoffen dürfen. Dementsprechend aufgeregt sind sie, als wir sie zusammen mit den beiden verantwortlichen Koordinatoren von "Mediterranean Hope", Francesco Piobbichi und Simone Scotta, sowie der kulturellen Mediatorin und Übersetzerin Silvia Turati besuchen. "Die Kinder fragen jeden Tag, wann wir endlich nach Italien reisen können", erzählt Seba. Und auch ihr zaubert die Aussicht auf einen Neubeginn fern von Krieg und Gewalt kurz ein zaghaftes Lächeln aufs Gesicht. Doch die Zuversicht in ihren Augen erlischt einen Augenblick später schon wieder, als Seba daran denkt, dass die bevorstehende Reise aller Voraussicht nach auch ein endgültiger Bruch mit ihrem bisherigen Leben in Syrien sein wird. Denn da sind Eltern, Geschwister, Freunde, die sie zum Teil seit Jahren nicht mehr gesehen hat, und die sie vielleicht nie mehr sehen wird. In diesem Moment treten Tränen in Sebas Augen.

Intensive Befragungen

Bevor die Familie den positiven Bescheid erhielt, hatten Seba und Samer eine ganze Reihe von Befragungen zu bewältigen, in denen sie detailliert über ihre bisherigen Lebensumstände in Syrien, die Hintergründe ihrer Flucht und ihre Motivation bzw. Erwartungen im Hinblick auf einen Neuanfang in Italien Auskunft geben mussten. Schliesslich blieben keinerlei Zweifel offen: Die Familie erfüllt alle Voraussetzungen, um ins Programm aufgenommen zu werden. Mit einer Unsicherheit muss die Familie aber auch dann noch leben, als wir uns nach einem zweiten Treffen einige Tage später von ihr verabschieden. Denn ganz am Ende werden in einigen Wochen nicht die Verantwortlichen von "Mediterranean Hope", sondern das italienische Konsulat in Beirut darüber entscheiden, ob sie die Reise nach Italien antreten kann.

Wiedersehen in Süditalien

Mitte Februar erhalte ich eine E-Mail von Simone Scotta, in dem er mir bestätigt, dass Seba und ihre Familie definitiv zu jener Gruppe von Flüchtlingen gehören, die Ende Februar nach Italien einreisen dürfen. Ihre neue Heimat werde in Kalabrien, in Süditalien sein, in der 7000-Seelen-Gemeinde Gioiosa Ionica, berichtet mir Simone. Ich spüre eine grosse Freude, denn die Familie ist uns in den wenigen Stunden unseres Besuchs im Libanon sehr ans Herz gewachsen.
27. Februar 2017: Nach einer langen Reise sind Seba und ihre Familie heute zusammen mit rund sechzig weiteren Flüchtlingen mit der von "Alitalia" zur Verfügung gestellten Linienmaschine auf dem Flughafen Roma-Fiumicino gelandet. "Wir sind sehr herzlich empfangen worden", wird uns Seba zwei Tage später erzählen, als wir sie in ihrer grosszügigen Vierzimmerwohnung im Kleinstädtchen Gioiosa Ionica besuchen. Hier, in diesem malerischen Städtchen, soll die Familie also in Zukunft leben. Dafür, dass ihre Integration gelingt, will die von Maurizio Zavaglia, dem Präsidenten des Stadtrates, mit einigen anderen Freiwilligen gegründete "Cooperativa Nelson Mandela" mit ihrem Engagement einstehen. Denn in Gioiosa Ionica hat man erkannt, dass Flüchtlinge eine Chance sein können, das in den letzten Jahrzehnten von Landflucht und wirtschaftlichem Niedergang gezeichnete Städtchen neu zu beleben.
Maurizio und seine MitstreiterInnen haben grosse Pläne: "In unserer Gemeinde gibt es sehr viel Land, das seit langer Zeit nicht mehr bewirtschaftet wird. Dieses Land wollen wir pachten und zusammen mit den in Gioiosa Ionica verbliebenen jungen, meist arbeitslosen Leuten und den Flüchtlingen wieder landwirtschaftlich nutzen", erzählt der initiative Dorfpolitiker. Und Maurizio schaut noch weiter in die Zukunft: "In absehbarer Zeit wollen wir auch sozial verträglichen Tourismus anbieten."

Unsicherheit und Zweifel

Seba und ihre Familie sind indessen gerade erst zwei Tage in Italien. Noch leben sie im Moment und unter dem verwirrenden Eindruck all des Neuen, dem sie hier auf Schritt und Tritt begegnen. Vor allem bei Seba sind die Unsicherheit und das Gefühl der Entwurzelung deutlich zu spüren. Es gibt nichts, was irgendwie vertraut wäre. Die Verständigung mit den Mitgliedern der "Cooperativa" ist noch sehr schwierig, denn diese sprechen nur italienisch und Seba und ihr Mann nur arabisch.
Seba beschleichen sogar Zweifel, ob es der richtige Entscheid gewesen ist, nach Italien zu gehen. Als sie jedoch erfährt, dass ihre Kinder bereits in den kommenden Tagen in die Schule gehen können, ist Seba sehr erleichtert. Denn schon im Libanon hat sie uns erklärt, dass sie und ihr Mann in erster Linie wegen ihrer Kinder geflüchtet seien. "Ich möchte, dass unsere Kinder in Frieden aufwachsen, zur Schule gehen und später einen guten Beruf erlernen können", sagte sie damals.
Noch fällt es Seba und ihrem Mann in diesen ersten Tagen schwer, zuversichtlich zu sein und sich in Geduld zu üben, wenn trotz dem grossen Engagement der ehrenamtlichen HelferInnen der "Cooperativa Nelson Mandela" manches noch improvisiert wirkt und nicht auf Anhieb klappt. Eine willkommene Ablen- kung von den Sorgen sind für die Familie die ersten Ausflüge in die nähere Umgebung und ans nahe Meer. Da macht sich auch bei Seba und Samer plötzlich wenigstens für einige Momente so etwas wie Entspannung bemerkbar.
Bei unserem Abschied kehren Sebas Ängste vor der Zukunft zurück. Was das Leben am neuen Ort in den kommenden Wochen und Monaten für die Familie wohl bereithalten wird? Wir werden es erfahren, denn wir haben uns fest vorgenommen, Seba, Samer, Asia, Youssef und Ahmad in spätestens einem Jahr wieder zu besuchen. "Wollen wir wetten, dass ihr dann viel besser italienisch sprecht als wir?" Mein Vorschlag bringt sogar Seba zum Lachen…    

HUMANITÄRE KORRIDORE FÜR FLÜCHTLINGE: DIE SCHWEIZ SOLL FARBE BEKENNENDie reformierten Kirchen und die katholische Laiengemeinschaft "Sant’Egidio" in Italien haben es vorgemacht: Sie haben mit den Behörden ihres Landes vereinbart, dass innert zweier Jahre insgesamt tausend besonders verletzliche Flüchtlinge, vorwiegend aus Syrien, mit einem humanitären Visum sicher nach Italien gelangen können und dort während des ordentlichen Asylverfahrens von Freiwilligen begleitet werden. Die Kosten für die Unterbringung und die ersten Massnahmen zur Integration der Flüchtlinge werden von den beiden kirchlichen Organisationen getragen.
Dieses zivilgesellschaftliche, von grosser Menschlichkeit und Solidarität geprägte Engagement für Menschen auf der Flucht sollte für die Schweiz beispielgebend sein und könnte auch bei uns Schule machen. Denn die Schweiz als eines der weltweit reichsten Länder könnte und sollte zweifellos bedeutend mehr als bisher tun zur Bewältigungder Krise.
HEKS wird deshalb in den nächsten Wochen und Monaten mmit Behörden und zivilgesellschaftlichen Akteuren Gespräche darüber führen, wie das Modell der "humanitären Korridore" auf schweizerische Verhältnisse adaptiert werden könnte, um noch mehr schutzbedürftigen Menschen die lebensgefährlichen Fluchtwege zu ersparen.