Der Sprachkompass gibt Fachleuten, Entscheidungsträgern ebenso wie Laien ein Instrument in die Hand, ihre sprachlichen Denkmittel in Bezug auf die Themen Landschaft und Mobilität kritisch zu prüfen.

Der Sprachkompass basiert auf neuen sprachwissenschaftlichen Methoden der Diskurslinguistik und stellt seine Ergebnisse allgemein verständlich vor. Indem er einen reflektierten Umgang mit der Sprache fördert, leitet er zu einem umsichtigen und nachhaltigen Umgang mit Landschaft und Mobilität an und unterstützt die Verständigung unter den verschiedenen Akteuren. 

Die Untersuchung von Caviola und KollegInnen zur Sprache der Reisewerbung und der Reiseberichterstattung zeigt eindrücklich, dass der Diskurs über touristische Fernreisen Distanzen und somit auch den mit deren Überwindung verbundenen CO2-Ausstoss vergessen lässt. Sowohl Reiseberichte als auch Reisewerbungen verwenden Hochwertwörter wie Juwel, Perle, oder Paradies, die Reisedestinationen als Konsumgüter ohne reale Geografie erscheinen lassen. Die Hochwertwörter dienen dabei als ‹Lockvögel›, denn sie wecken positive Emotionen, werten das Bezeichnete auf und bilden eine Antithese zum Alltag. Den Lesenden wird das Gefühl vermittelt, sie müssten in die weite Ferne reisen, um dem düsteren, mit Terminen vollgestopften Alltag entfliehen zu können. Ohne die An- und Rückreise, und somit auch die weite Distanz der als magisch dargestellten Feriendestinationen zu erwähnen, setzt sowohl die Reisewerbung als auch die Reiseberichterstattung den Flug an den Traumstrand stillschweigend voraus. Die fehlende Thematisierung der Entfernung hat zur Folge, dass die Umweltbezüge, wie der CO2-Ausstoss der Flugreise, unsichtbar gemacht werden. Diese Distanzvergessenheit, welche mit dem Fliegen ermöglicht wird, nennt der Soziologe Hartmut Rosa passend "Raumvernichtung." 

Zu dieser Distanzblindheit gesellt sich im Reisediskurs ein gieriger, höchst insuffizienter Konsummodus. Die Werbung sowie Reiseberichterstattung verspricht möglichst viel in möglichst kurzer Zeit: möglichst viele Abenteuer, möglichst viele "paradiesische" Erlebnisse und möglichst viel Ausgelassenheit sind nur einige dieser Versprechungen. Damit rücken die mit der Reise verbundene Umweltverantwortung und der Ressourcenverbrauch aus dem Blick. So werden die besuchten Orte auf dem Erdball zu Abhak-Destinationen, die man wie Trophäen nach den Ferien stolz vorzeigen kann.

Um dieser Entwicklung entgegen zu wirken, haben Caviola und sein Team für staatliche Führungsstellen, NGOs, Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürgern folgende Empfehlungen zusammengetragen:  

1) Naheliegendes exotisieren: Auch Angebote in der Nähe kann man mit Attributen des Fernen und Andersartigen bewerben und somit für Reisefreudige attraktiver machen.  

2) Neologismen: Auch einprägsame Neologismen (Wort-Neuerfindungen) können der blinden Reiseflucht gegensteuern. So benennt der neue Ausdruck Flugscham (vom schwedischen flygskam) das Peinlichkeitsgefühl, das manche Menschen befällt, die sich trotz des Wissens um den Klimawandel in ein Flugzeug setzten. Das Wort eröffnet eine sprachliche Perspektive, die es möglich macht, etwas zuvor bloss ‚Gespürtes‘ privat sowie politisch zu diskutieren.

3) Distanzen deklarieren: Weiter sollten Distanzen deklariert und der ökologische Fussabdruck bei Werbeanzeigen für Fernreisen angegeben werden. Dies würde der Distanzblindheit vieler Reisenden entgegenwirken. Auch eine gesetzliche Deklarationspflicht des CO2-Ausstosses der Tourismusindustrie könnte ähnliches bewirken.

4) Den Alltag aufwerten: Die Darstellung des Fernurlaubs als Paradies wertet den Alltag systematisch ab. Insbesondere das Versprechen von spannenden und erholsamen Erlebnissen in fernen Destinationen suggeriert, dass der Alltag Zuhause weder Erlebnisse noch Abenteuer zu bieten habe. Doch für eine  Auszeit im Alltag mit kleinen Ausflüge in fremde Welten braucht es nicht viel: Ein gutes Buch, ein mitreissender Film oder eine interessante Veranstaltung ermöglichen magische Momente sowie neue Perspektiven und Einblicke in andere Kulturen und Lebensweisen. Wer sich regelmässig eine Auszeit gönnt, muss ausserdem im Urlaub weniger das im Alltag zu kurz Gekommene kompensieren. 

5) Andere Anreize setzen: Schliesslich kann auch das Einführen von CO2-Steuern und Codes für massvolles Fliegen sinnvoll sein. Behördenmitglieder könnten verpflichtet werden, möglichst umweltschonende Mobilitätsvorgaben einzuhalten und somit Vorbildfunktionen zu übernehemen. Auch einfache Faustregeln können zur Orientierung hilfreich sein. So schlägt Patrick Hofstetter, Fachgruppenleiter der Abteilung Klima und Energie des WWF Schweiz, vor, pro Flugstunde mindestens eine Woche am Zielort zu verbringen.