Eine portugiesische Hochzeit, ein Abenteuer auf Rädern und Erinnerungen fürs Leben
Die Idee: per Rad zum Flug
Die Hochzeitseinladung einer guten Studienfreundin flattert ins Haus: Geheiratet wird in Porto, der Heimatstadt des Brautpaars. Wir sind hin- und hergerissen: nur für ein Hochzeitswochenende ins Flugzeug steigen, wollen wir aus Umweltgründen nicht. Wenn schon Fliegen, dann wollen wir zumindest unseren Aufenthalt verlängern und auf Inlandsflug oder Mietauto verzichten. Aber! Die beste Flugverbindung zurück nach Österreich geht von Lissabon. Die Idee ist sofort da, wir wollen mit dem Rad von Porto nach Lissabon fahren und mit unserem 14 Monate alten Sohn das erste grössere Rad-Abenteuer mit Zelt wagen. Ein Blick auf den Kalender: wir haben sieben Tage Zeit. Ein Blick auf diverse Online Outdoor-Maps: von Porto nach Lissabon sind es ca. 370 Kilometer und kaum Höhenmeter. Eine Distanz, die sich selbst mit Kleinkind im Anhänger in einer Woche gut ausgehen sollte; mit Muskelkraft und ohne Elektroantrieb versteht sich.
Die unvermeidlichen Vorbereitungen
Beim Hinflug spekulieren wir darauf, dass unser Fahrradanhänger als Kinderwagen durchgeht und somit kostenlos mitgenommen werden darf – und haben Erfolg. Viel mehr Gepäck führen wir nicht mit, nur unsere Radtaschen, die wir als Handgepäck an Bord nehmen. Im Vorfeld haben wir bereits einen Fahrradverleih in Porto ausfindig gemacht, der genau das verleiht, was wir suchen: Zwei Trekking Mountainbikes mit Anhängerkupplung für unser uraltes Thule Modell, das wir günstig gebraucht gekauft haben.
Ready, Steady, Go
Am Tag nach der Hochzeitsfeier rollen wir raus aus Porto und gen Süden. Wir sind unterwegs auf gut ausgebauten Radwegen, auf kleinen Nebenstrassen und auf der Schnellstrasse, wo die LKW´s mit 70km/h an uns vorbeidonnern (und das Elternherz zum Flattern bringen). Was wir vom Norden Portugals sehen, erinnert uns in keinster Weise an die idyllischen Postkarten-Motive, die wir mit dem Land verbinden. Stattdessen wird uns ein oftmals sehr ärmlicher Eindruck geboten.
Fahrrad-Fiasko und eine Portion Glück
Am 4. Tag stellen wir fest: der Reifenmantel vom Kinderanhänger ist fast durchgefahren. Und tatsächlich, 50 Kilometer später, gerade als es landschaftlich so richtig schön wird, platzt der Reifen. Natürlich Sondergrösse und nirgendwo erhältlich, auch nicht in der nahgelegenen Stadt Nazaré. Finito Radreise? Am nächsten Morgen begegnen uns zwei einheimische Rennradler am Strassenrand. Sie empfehlen uns eine kleine Fahrradwerkstatt 10 Kilometer entfernt, die wir bei unserer Internetrecherche nicht finden konnten. Lokales Wissen schlägt Internet.
Wir bekommen tatsächlich das gesuchte Ersatzrad, juhu! Ein Riesenglück, weil gerade südlich von Nazaré beginnt es, so richtig schön zu werden. Gute Radwege, spektakuläre Küstenabschnitte. Die Laune ist bestens, auch der Kleine lässt sich stundenlang völlig zufrieden durch die Gegend ziehen. Er singt und quatscht munter vor sich hin, mit Buch und Bagger (und viel Essen!) ist er bestens bespasst.
Pläne ändern sich – und wir bleiben flexibel
Einen Tag hat uns das Rad-Fiasko in unserem Zeitplan nach hinten geworfen. Bis Lissabon schaffen wir es nicht mehr rechtzeitig vor Abflug. Aber hey, stay flexible! Mit Kind haben wir gelernt, dass Pläne da sind, um über den Haufen geworfen zu werden. Und so setzen wir uns einfach ein neues Ziel: Peniche, ein hipper Surfer-Hotspot am Atlantik. Nach einer windigen, aber beeindruckenden, letzten Nacht an der Steilküste, legen wir die „letzte Meile“ nach Lissabon mit der Bahn zurück, auch wenn unser Anhänger eigentlich zu breit für die Zugtüren und die Umsteigezeit mit zwei Minuten viel zu knapp ist.
Erinnerungen fürs Leben
Dass unser Sohn die Tage nach dem Nachhausekommen immer wieder frühmorgens seinen Fahrradanhänger ansteuert und hineinklettert, um loszufahren, spricht Bände…zumindest für uns Eltern, die glauben wollen, mit dieser Radreise den Grundstein für Velo-Liebe und Abenteuerlust gelegt zu haben.