Eins – zwei, eins – zwei – drei
Wan-Duk will seinen Sozialkundelehrer töten – dafür geht er sogar in die Kirche und betet zu Gott. Der besagte Lehrer, Dung-Ju, ist wahrlich ein Scheusal für ihn: Er behandelt Wan-Duk abschätzig, verhält sich übergriffig und mischt sich in alle Lebensbereiche seines Schülers ein. Dass Dung-Ju und Wan-Duk auch noch Nachbarn sind, belastet die Situation zusätzlich. Wan-Duks Familie ist arm. Sein Vater ist ein kleinwüchsiger Tänzer und der Onkel nicht der schnellste Denker, aber der unglaubliche Tanzpartner des Vaters. Seine Mutter ist sozusagen ein geduldeter "Gast" aus Vietnam. Alle sind sie Aussenseiter, werden misshandelt, alle trotzen der Härte des Alltags, besonders Wan-Duk. Er lässt niemanden an sich heran, schlägt zu und entscheidet sich gegen den Leistungsdruck, an eine gute Uni zu kommen. Dafür lernt er Kickboxen.
Ryeo-Ryeong Kim hat einen unerbittlichen Roman mit Tiefgang geliefert. Alle Figuren leiden, werden gequält, kämpfen weiter. Dabei ist der Lehrer Dung-Ju unsympathisch und auch Wan-Duk wirkt eher wie ein nerviger Macho. Doch der Schein trügt und genau deshalb wachsen einem beide ans Herz. Während Wan-Duk seinen inneren Panzer aufbrechen muss, lernt man Dung-Ju als migrationspolitischen Gewerkschafter kennen.
Das in der Jugendliteratur wohlbekannte Motiv des Boxens beziehungsweise die Metapher des Kämpfens wird in diesem Roman als Prisma eingesetzt, um das Elend sozialer Menschwerdung zu erzählen. Wer Mensch sein will, braucht einen Körper – und Menschen, die einem den Rücken stärken.
Kim Ryeo-Ryeong: Eins – zwei, eins – zwei – drei. Baobab Books, Basel, 2020, 208 Seiten. CHF. 23.80/EUR 18.00. ISBN 978-3-905804-98-0
Leseempfehlung ab 15 Jahren