Basel, 22.02.2011, akte/ Wer im Tourismus arbeitet, ist meist mit Leidenschaft dabei, die Attraktivität der Arbeit erscheint vielen wichtiger als die Höhe des Lohnes. Das meinen 81 Prozent der 1’289 Personen in der Schweizer Tourismusbranche, die im Auftrag der Berufsorganisationen Frauen im Tourismus (FIT) und dem Verband Schweizer Tourismus Manager (VSTM) durch Manfred Ritschard & Partner für die Lohnstudie befragt worden waren. Tatsächlich schätzen knapp drei Viertel aller Befragten ihren Lohn zu vergleichbaren Funktionen in anderen Branchen tiefer oder gar viel tiefer ein. Unzufrieden sind aber vor allem die Frauen: Während 37 Prozent der Männer ihre Arbeit oder Funktion in Bezug auf ihren Lohn als unbefriedigend erachten, sind es bei den Frauen zwei Drittel.

Nach über 11 Jahren Berufserfahrung 28 Prozent Lohndifferenz

Diese Unzufriedenheit ist durchaus berechtigt – und sie dürfte noch steigen, wenn die beschäftigten Frauen die Ergebnisse der Lohnstudie kennen. Denn wenngleich vielen bewusst ist, dass die Tourismusbranche keine Spitzenlöhne zahlt, so ergibt die anonyme Umfrage einmal mehr eine frappante Lohnungleichheit zwischen männlichen und weiblichen LohnempfängerInnen: Im Durchschnitt liegt ein Frauenlohn in der Tourismusbranche 22 Prozent unter dem eines Kollegen. Besonders frappant wird der Lohnunterschied bei Mitarbeitenden mit Führungserfahrung, wo ein Mann im Schnitt 103’000 Franken nach Hause bringt. Bei den Frauen sind es dagegen nur 78’000 Franken – die Differenz zu ungunsten der Frauen liegt bei 24 Prozent. Mit wachsender Berufserfahrung und steigendem Alter verstärken sich auch die Unterschiede: Männer in Führungsposition, die bis zu fünf Jahre Berufserfahrung mitbringen, verdienen 80’000, Frauen dagegen nur 71’500 Franken. Mit über elf Jahren Berufserfahrung steigt die Differenz im Durchschnitt auf 38’148 Franken oder 28 Prozent an. Männer kriegen 136’000 Franken, Frauen in vergleichbarer Position 97’852 Franken.
Krass zeigt sich die Differenz auch am Beispiel der Leitung eines Grossunternehmens. Mann: 361’000 Franken. Frau: 92’000 Franken.

Karriereschritt wird nicht honoriert

Kommt dazu, dass zwar mehr Frauen im Tourismus arbeiten. Doch während sie in Verkauf, Beratung, Kundenbetreuung, Sachbearbeitung und Kommunikation die Mehrheit stellen, haben im strategischen oder operativen Management, aber auch in der Unternehmensberatung mehr Männer das Sagen. Dabei widersprechen die Studienresultate dem vielfach gehörten Vorwurf, die Frauen drückten sich vor der Karriere: Gleich viele Frauen (42 Prozent) wie Männer (41 Prozent) gaben an, seit 2008 einen Karriereschritt genommen zu haben. Zudem wurden in einer Stichprobe nur jene Führungspersonen zu ihrem Einkommen befragt, die keine Mutter- oder Vaterschaftspause eingelegt hatten. Die Vorstellung vom Karriereknick mit Lohneinbusse, der nach einem solchen Unterbruch stattfinde, konnte hier also gar nicht eintreten.
Zwar ist die Studie statistisch nicht repräsentativ, die Stichproben bilden dennoch einen aufschlussreichen Einblick in die Branche. Denn die Untersuchung zeigt auch, dass sich seit der Lohnstudie von 1998 zwar die Löhne erhöhten, die Ungleichheiten jedoch hat der Lohnanstieg nicht beseitigt.
Verbesserungen durch den Gesamtarbeitsvertrag
Es mag verärgern, dass die Löhne in der Tourismusbranche in den Altersklassen unter 40 Jahren und in den höchsten Funktionsstufen die Empfehlungen des Kaufmännischen Verbands Schweiz nicht erfüllen. Überraschen kann der Befund kaum.
Jahrelang kämpfte etwa das Gastgewerbe für einen Gesamtarbeitsvertrag, der seit 1.1.2010 endlich die über 200’000 Arbeitsverhältnisse absichert. So wird die Arbeitszeit erfasst, also auch geleistete Überstunden. Zudem stehen allen Mitarbeitenden fünf Wochen Ferien zu, und ab 2012 bekommen alle Mitarbeitenden den vollen 13. Monatslohn. Das sind substantielle Verbesserungen. Doch die Ungelernten, die auf der untersten Lohnskala stehen, fahren mit dem GAV teilweise sogar schlechter, weil bei ihnen zu Beginn ihrer Anstellung ein so genannter Einarbeitungsabzug geltend gemacht werden kann.

Es braucht mehr Engagement für die Lohngleichheit

FlugbegleiterInnen, eine weitere Berufsgruppe im Tourismus, sind in ihrem Berufsleben täglich von Sicherheits- und Gesundheitsverletzungen betroffen. Unfälle und Krankheiten treten weit häufiger auf als bei allen anderen Berufsgruppen in der Privatwirtschaft.
Eine Umfrage des Fachmagazins Schweizer Touristik ergab, dass zwei Drittel der Teilnehmenden mit ihrem Lohn sehr unzufrieden sind. Man verdiene weniger als Raumpflegerinnen oder ungelernte Verkäuferinnen, beschwerten sich die Antwortenden. Und sie machten darauf aufmerksam, dass viele die Branche verliessen – die besten Leute gingen verloren.
Ob die Branche es sich leisten kann, die Leute ziehen zu lassen und die Frauen weiter zu verärgern, sei dahingestellt. Zentral ist es auch, dass die Mitarbeiterinnen überhaupt wissen, dass sie mehrheitlich schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen, trotz gleichwertiger Ausbildung, Erfahrung und Position. Doch wie die Verteilung der Geschlechter in der Branche auch zeigt: Frauen müssen aktiv gefördert werden, bei den Lohnverhandlungen aber auch selbst einen Zacken zulegen und Gleichberechtigung einfordern. Denn die Lohnschere klappt nicht von allein zu.