Im Herbst fachten Dürren in den USA und in Indien sowie Preisaufschläge bei Nahrungsmitteln die Debatte über Sinn und Unsinn von Agrotreibstoffen neu an. In Deutschland entzündete sich der Zoff um den Biosprit E10, also jenes Benzin, dem 10 Prozent Agrotreibstoff beigemischt wird. Entwicklungsminister Niebel (FDP) forderte gar ein Verbot.
Auch die EU trat auf die Bremse. Ende Oktober entschied die EU-Kommission, dass der Anteil biogener Kraftstoffe aus Pflanzen bei den jetzigen fünf Prozent verbleiben und nicht wie geplant auf zehn Prozent erhöht werden soll. Zudem sollen die Subventionen bis 2020 gestrichen werden. Fördern will die EU Treibstoffe aus Abfällen und Algen. Mitgliedsländer und EU-Parlament müssen das noch absegnen.

Die EU krebst zurück

Damit zieht die EU Lehren, die sie schon 2009 hätten ziehen können. Denn dass Agrotreibstoffe kein taugliches Mittel sind und die Ernährungssicherheit gefährden, war schon damals bekannt. Umweltfachleute wie die ExpertInnen der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt (EMPA) stellten bereits 2007 fest, dass Agrotreibstoffe das Klima sogar stärker belasten können als konventionelle Treibstoffe, weil vielerorts Wälder abgeholzt und als Ackerflächen umgenutzt werden. Dabei werden grosse Mengen an CO2 freigesetzt. Zudem steigt der Kunstdünger- und Pestizid-Einsatz, bei deren Produktion Lachgas freigesetzt wird – ein wesentlich stärkeres Klimagas als CO2.

Kriterien verschärfen

Es wäre wichtig, die Kriterien für die Steuerbefreiung von Agrotreibstoffen in der Schweiz so zu verschärfen, dass sie die indirekten Landnutzungsänderungen einbeziehen. Das fordert auch eine parlamentarische Initiative der Umweltkommission des Nationalrates von 2009, die noch immer hängig ist. Nur so kann verhindert werden, dass die vermeintlich eingesparte Menge CO2, die Importeure in der Schweiz anrechnen dürfen, nicht doch anderswo verpufft wird.
Trotzdem verabschiedete die EU 2009 das verbindliche Ziel, bis 2020 zehn Prozent des Treibstoffverbrauchs aus Energiepflanzen zu gewinnen. Den negativen Nebenwirkungen versuchte sie mit bindenden Nachhaltigkeitskriterien zu begegnen. So dürfen Rohstoffe für Agrotreibstoffe nicht von abgeholzten Flächen stammen und von solchen, die vormals einen hohen Artenreichtum aufwiesen.
Indirekten Landnutzungsänderungen ist mit diesen Kriterien aber nicht beizukommen. Die Umwandlung von Waldflächen in Ackerland für Nahrungsmittel, die später Energiepflanzen weichen müssen, ist ein wesentlicher Faktor für die negative Treibhausgasbilanz biogener Treibstoffe. Auch deren Gesamtökobilanz, die zusätzlich Faktoren wie Energieverbrauch und Bodenbelastung einbezieht, fällt in den meisten Fällen schlechter aus als bei fossilen Treibstoffen. Einzig Biogas aus Rest- und Abfallstoffen kann laut einer EMPA-Studie die Umweltbelastung deutlich verringern.

Zurückhaltende Schweiz

Die Schweizer Politik hat für einmal vorausschauender agiert. Sie hat sich gegen ein Beimischungsziel entschieden. Allerdings sind seit der Anpassung der Mineralölsteuerverordnung (2008) Agrotreibstoffe steuerbefreit, wenn sie Mindestanforderungen für eine positive Ökobilanz erfüllen und unter Einhaltung der lokalen Sozialstandards produziert wurden. Zu den Umweltkriterien gehören eine Reduktion der Treibhausgase um mindestens 40 Prozent gegenüber fossilen Treibstoffen sowie der Schutz von Regenwald und Biodiversität. Treibstoffe aus Palmöl, Soja und Getreide gelten generell als nicht nachhaltig.
Zusätzliche CO2-Emissionen durch indirekte Landnutzungsänderungen und die damit verbundene Konkurrenzierung des Nahrungsmittelanbaus sind aber auch in der Schweiz nicht erfasst. Trotzdem sind Agrotreibstoffe, welche die Kriterien für die Steuerbefreiung erfüllen, gemäss der neuen CO2-Verordnung 2013 von der Kompensationspflicht befreit. Das sollte dringend geändert werden.