Seit zwei Jahren setzen sich die Lokalbevölkerung sowie Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen gegen ein gigantisches Tourismusprojekt im Norden Zanzibars zur Wehr, dem 14 Dörfer und fast alle der 25’000 EinwohnerInnen der Nungwi-Halbinsel weichen müssten (vgl. akte-KUNA 1/98 und 4/98). Ende Juni 1999 konnten die BewohnerInnen endlich aufatmen: Aus der Lokalpresse war zu erfahren, dass das Joint-Venture zwischen der Regierung und der britischen East African Development Company Ltd. (EADC) mit ziemlicher Sicherheit eingestellt wurde, nachdem die kriminelle Vergangenheit und die unsichere Finanzsituation der EADC-Direktoren publik geworden war. Auch die staatliche Zanzibar Investment Promotion Agency (ZIPA) liess verlauten, dass kein Kontakt mehr zu den Investoren bestehe. Doch auf eine offizielle Bestätigung, dass sie in ihren Dörfern bleiben können, warten die BewohnerInnen von Nungwi noch immer.
Der Konflikt hatte begonnen, als die Regierung Zanzibars im September 1997 beschloss, der EADC ein 57 km2 grosses Gebiet auf der Halbinsel Nungwi zum symbolischen Preis von jährlich einem US Dollar für 49 Jahre zu verpachten. Im Gegenzug wollte die EADC 4 Milliarden US Dollars in eine Touristenenklave mit 16 Luxushotels, Hunderten von Villen, 3 Golfplätzen, Welthandelszentrum sowie Flug- und Yachthafen investieren. Die Bevölkerung befürchtete, dass sie dadurch von ihrem fruchtbaren Land vertrieben und den Zugang zu den Stränden verlieren würde. Inzwischen sind zwei Jahre verstrichen, ohne dass mit dem Bau der umstrittenen Anlage begonnen wordenwäre. Im Gegenteil, die finanzielle Basis des Projekts erwies sich als immer unsicherer. Zuerst lehnte die Weltbank ein Finanzierungsgesuch ab, dann sorgten im August 1998 Inserate in der tansanischen Presse für Wirbel, in denen die EADC Grundstücke des gepachteten Nungwi-Landes für 50’000 US Dollars pro Hektar zum Kauf anbot. Ein weiteres Mal erschüttert wurde die Vertrauenswürdigkeit der EADC-Direktoren Thomas Wells und Patrick O’Sullivan, als Medien und Nichtregierungsorganisationen deren Vorstrafen wegen Betrugs publik machten. In einem Artikel der Zeitung „East African“von Ende Juni 1999 distanzierte sich der Regierungssprecher Hafidh Ali schliesslich vom EADC-Projekt und stellte in Abrede, dass die Regierung der EADC die Nungwi-Halbinsel überlassen habe. Auch die staatliche Zanzibar Investment Promotion Agency (ZIPA) erklärte in einem Brief an die britische Nichtregierungsorganisation Tourism Concern, dass kein Kontakt mehr zur EADC bestehe. Lara Marsh von Tourism Concern vermutet, dass weniger die sozialen und ökologischen Bedenken, als vielmehr die fehlenden Investitionsmittel und das Vorstrafenregister der EADC-Direktoren den Ausschlag für den Rückzug der ZIPA gegeben haben. Der Pachtvertrag mit der EADC über 49 Jahren sei weiterhin intakt. „Die Gefahr ist daher gross“, so Marsh, „dass andere Investoren anstelle der EADC ein Grossprojekt auf der Halbinsel realisieren werden.“ Eine Anwärterin auf das Land ist die Zanzibar Investment Company (ZICO), die angeblich bereits seit längerem über einen gültigen Pachtvertrag verfügt und der Regierung Vertragsbruch vorwirft. Nach Vorstellungen der ZICO soll auf Nungwi eine Offshore-Banking-Einrichtung entstehen. Dem stehen Informationen von Tourism Concern entgegen, wonach die Regierung die Nungwi-Halbinsel definitiv touristisch ausbauen wolle. Es sei zu hoffen, so Lara Marsh, dass den sozialen und ökologischen Interessen künftig mehr Rechnung getragen und die Bevölkerung in den Planungsprozess einbezogen werde.
Bislang konzentrieren sich touristische Grossanlagen auf die Ostküste Zanzibars, wo die vornehmlich italienischen Strandhotels zwei Drittel der 86’455 TouristInnen (1998) beherbergen. Die Folgen einer unangepassten Planung zeigen sich hier bereits deutlich: das Abholzen der Mangroven und das Verbauen der Uferzone haben die Brutplätze der Meeresschildkröten vielerorts zerstört und die Küstenerosion derart verstärkt, dass einige Hotels zusammenzustürzen drohen. Schulkinder müssen zudem lange Umwege in Kauf nehmen, weil Hotelanlagen den früheren Schulweg versperren. Zur Zeit untersucht das Justizministerium Zanzibars, inwieweit die Hotels der Ostküste als Drehscheibe des Drogenhandels fungieren. Es ist zu hoffen, dass diese Entwicklungen der Halbinsel Nungwi erspart bleiben. /frei

Quellen: The Guardian, 5.10.1999; The East African 28.6.-4.7.1999; Financial Times 8./9.5.1999; Meldungen auf http://news.africaonline.nu/view.asp?ID=8946; Focus on Environment
2.12.1998 (http://ippmedia.com/newspapers/environment1.asp); eigene Recherchen.