Erika Sutter, Gertrud Stiehle: Mit anderen Augen gesehen. Erinnerungen einer Schweizer Augenärztin.
Basel, 23.02.2012, akte/ Kaum ein anderes Projekt der Basis-Gesundheitsversorgung ist so erfolgreich wie die Elim-Care-Group-Bewegung in der nordöstlichen Provinz Limpopo in Südafrika. Heldinnen dieser Erfolgsgeschichte sind die Initiantin Erika Sutter und die damalige Krankenpflegerin Selina Maphorogo*, die Mitte der Siebzigerjahre in den Dörfern den Anstoss für Selbsthilfegruppen gaben. Daraus ist ein Netzwerk aus heute rund 200 Gruppen geworden, welche die Gesundheit und Lebensbedingungen von Tausenden von DorfbewohnerInnen verbessern helfen. Doch wer ist diese Basler Augenärztin, die auch in Krisenzeiten standhaft für das Projekt weiterkämpfte?
"Pioniere wie Erika, die Neuland bearbeiten, haben die Tendenz, über ihre eigene Person und Rolle nur zurückhaltend oder gar nicht zu sprechen, sei es aus Bescheidenheit, religiösen oder anderen Gründen. Dies bedeutet, dass ein entscheidender Faktor für das Verständnis von Projekten im Verborgenen bleibt", schreibt Frances Lund, eine langjährige Freundin von Erika Sutter und Professorin an der Universität Natal in Durban, im Vorwort zu der nun endlich erschienenen Biografie, auf die nicht nur die Studierenden von Frances Lund lange gewartet haben.
Ermöglicht hat sie eine andere langjährige Freundin von Erika Sutter, die Ethnologin Gertrud Stiehle. An vielen Nachmittagen sassen die beiden zusammen. Gertrud Stiehle brachte Erika Sutters Erinnerungen mit Fragen, welche sie im Vorfeld bei FreundInnen und Bekannten von Erika gesammelt hatte, zum Fliessen. Sie hielt die Erzählungen schriftlich fest und gestaltete sie mit Zusatzinformationen und moderierenden Zwischentexten zu einer überaus lesenswerten Biografie.
Soziales Engagement, Theologie, Politik und Musik
Erika Sutter kam 1917 in Basel zur Welt und schloss 1943 an der Universität Basel ihr Erststudium in Biologie ab. Nach vier Jahren Tätigkeit bei Roche und zwei Jahren biologischer Feldforschung in Schweden war sie im Auftrag der Schweizer Südafrika Mission von 1952 bis 1984 bis zu ihrer Pensionierung am südafrikanischen Missionsspital Elim während der Apartheid tätig. Nach der Pensionierung gab sie ihre Erfahrungen in Vorlesungen und Kursen in London und am Schweizerischen Tropeninstitut Basel weiter. Erika Sutter erhielt zahlreiche internationale Ehrungen, unter anderem das Ehrendoktorat der medizinischen Fakultät der Universität Basel 1995.
In acht Abschnitten werden Kindheit und Jugend, Studien- und Berufseinstiegszeit, die Vorbereitung auf Afrika, das Zweitstudium zur Augenärztin, die Zeit als Leiterin des Augenspitals in Elim, die Pionierzeit der Care Groups und die Pensionierung und Rückkehr nach Basel episodisch ausgeleuchtet. Den Abschnitt zur Pionierzeit der Care Groups verfasste Frances Lund. Ein "letzter Blick zurück und nach vorn" zieht zum Schluss Bilanz über die Schwerpunkte von Erika Sutters Leben: Ihr soziales Engagement, die Naturwissenschaften, die Theologie, die Musik, das politische Interesse und der Umgang der bald 95-Jährigen mit dem Alter.
Lebendige Einblicke in ein Stück südafrikanischer Geschichte
"Menschen sind eine Goldmine", ist ein Lieblingssprichwort von Erika Sutter. Anders als die Goldminen, die in Südafrika für Ausbeutung und ein drohendes ökologisches Desaster stehen, sind Menschen, auf die man vertraut, die man bestärkt und deren Fähigkeiten man fördert, eine stete Bereicherung. Erika Sutter war weise genug, für die Arbeit mit den Care Groups ihre top-down-Vorstellungen einer Projektführung aufzugeben, oder wie sie selbst schreibt: "Es genügt nicht, den Frauen die Botschaft mitzuteilen. Man muss in ihrem Tempo vorgehen… Weil es die eigene Idee der Frauen war, wie sie vorgehen wollten, haben sie es dann auch wirklich realisiert."
Es ist ein Glück, dass die Biografie aus der engen Zusammenarbeit der drei Freundinnen entstanden ist. So gewährt sie den Lesenden einen liebevollen Blick auf eine beharrliche, kluge Frau mit scharfem Blick auf soziale Fragen, mit feiner Selbstironie und trockenem Humor. Mit Erika Sutter wird in der Reihe "Lives, Legacies, Legends" der Basler Afrika Bibliografien die siebte Persönlichkeit vorgestellt, über deren Biografie wir lebendige Einblicke in die Geschichte Afrikas erhalten.
Erika Sutter ist langjähriges Mitglied der Südafrika Mission, bis Ende 2011 ein Mitglied von mission 21, dem evangelischen Missionswerk Basel. In der Deutschschweiz ist mission 21 für Spenden und Information zum Projekt zuständig. mission 21 ist Träger des arbeitskreises tourismus & entwicklung.
Stiehle, Gertrud: Erika Sutter. Mit anderen Augen gesehen. Erinnerungen einer Schweizer Augenärztin. Erzählt von Gertrud Stiehle. Mit einem Vorwort von Frances Lund. Lives Legacies Legends 8. Basel 2011. 136 S., CHF 25.-; ISBN 978-3-905758-30-6
*Die wichtige Rolle von Selina Maphorogo wurde in der Publikation "The Community is my University, A voice from the grass roots on rural health and development" von S. Maphorogo und J. Jenkins gewürdigt. KIT Publishers Royal Tropical Institute, Amsterdam, 2003. Auf CD TALC, Sta Albans, www.talcuk.org, 2009. In der Schweiz über www.kalebasse.ch erhältlich.