Filmreihe vom 15. November bis 22. Dezember 2007, Kino Reitschule Bern

Das Jahr 2008 wird eine Wegmarke setzen: 60 Jahre Nahostkonflikt. 60 Jahre Staat Israel meinen die gleichen sechs Jahrzehnte der palästinensischen Katastrophe ("Nakba"). 60 Jahre Unabhängigkeit für die einen sind 60 Jahre Vertreibung und 40 Jahre Besatzung für viele andere. An der Schwelle zum Jahr 2008 zeigt das Kino in der Reitschule, in Zusammenarbeit mit der Association Fondue & Falafel, der Cinémathèque Lausanne, dem CAC Voltaire in Genf sowie mit der Fachstelle OeME Bern, eine Reihe von herausragenden aktuellen Filmen aus Israel und Palästina.

Für die allermeisten Menschen in Palästina/Israel dauert dieser Krieg um Land ihr Leben lang. Dies gilt entsprechend für alle in diesem Zyklus vertretenen Filmschaffenden. Die Vergangenheit von 1948 ist Gegenwart. Das Trauma der Vertreibung wuchert weiter, der Kampf dreht sich im israelisch-palästinensischen Konflikt immer auch um die Erinnerung, um die Aneignung von 60 Jahren Geschichte. Wessen Gedenken an die eigene Geschichte ist wahrnehmbar? Wessen Erzählung der Leiden des eigenen Volkes wird gehört? Welche Erinnerung macht Geschichte? Welcher Diskurs dominiert – wenn’s sein muss mit Gewalt? "Trotz allem", so der palästinensisch-israelische Politologe Ahmad H. Sa’di und die palästinensisch-amerikanische Ethnologin Lila Abu-Lughod, "können die Mächtigen ihren Willen, wie historische Ereignisse zu definieren sind und die Realität zu lesen ist, anderen nicht voll aufzwingen. Die Erinnerung ist eine der wenigen Waffen in den Händen jener, gegen welche sich die Flut der Geschichte gewendet hat, sie kann fast unbemerkt die Mauer der Geschichte plötzlich ins Wanken bringen."

Genau an diesem Punkt ist Kino angesagt, die Produktion von Erinnerung und die Aussichten auf Neuland, jenseits der totalen Gegenwart der TV-Bilder. Was in der Politik – dominiert vom unsäglichen Imperium, von religiös verbrämten Ausschlussideologien, von post(?)-kolonialem Rassismus – im Normalfall scheitert, wird im Kino fortlaufend vorgeführt: In Filmen aus Israel und Palästina haben viele Erzählungen Platz, nebeneinander, hintereinander, übereinander und endlich ineinander verwoben. Der israelische Filmemacher Udi Aloni sagt: "Man braucht den eigenen Ort, von dem aus man spricht. Aber die Unterschiede zwischen verschiedenen Identitäten sollten wir feiern. Unterschiede werden zur gegenseitigen Beeinflussung, sie münden in Versuche, Neues zu kreieren, neue Identitäten, nicht eine neue Identität."

Am Anfang vieler Filme in diesem Zyklus steht die Empörung. Der Zorn über die Gewalt der letzten 60 Jahre. "Es ging mir mit meinem Film darum, die angestaute Wut loszuwerden," sagt der israelische Regisseur Avi Mograbi zum Filmen am UnOrt Armee-Checkpoint, dem er sich mit Unterstützung von Sarkasmus und Mythologie annähert. "Ich hoffe, dass die Leute meine Wut teilen, wenn sie den Film sehen." Unsere Empörung über 60 Jahre palästinensischer Katastrophe wach zu halten, wäre Grund genug für diesen Zyklus. Wer sie teilt und sich auf die Geschichte(n) des Konflikts einlässt, wird gegen Bilder von Terror- und Strassengewalt resistenter und von kitschigen Friedensschalmeien weniger eingelullt.