Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein ganz normales Schulbuch, geeignet für Sekundarstufe II, mit geografischen und geschichtlichen Aspekten der beiden Länder Senegal und Schweiz. Die Texte sind sachlich und informativ, mit historischem und aktuellem Bildmaterial illustriert. In acht Kapiteln wird über die Bildung der Nation, über Ein- und Auswanderung, über Zentren und Peripherie, über Kultur und Gesellschaft, über Natur, Demografie und Stellung in der Weltwirtschaft berichtet. Auf der linken Seite stehen die Informationen zur Schweiz, auf der rechten die zu Senegal. Erst beim Lesen entfaltet sich die Wirkung: Da steht plötzlich die eine und die andere Lebensrealität auf gleicher Augenhöhe, Klischees zerfliessen wie die Butter in der Sonne. Während Senegal sich geschichtlich mit dem Sklavenhandel auseinandersetzt, denkt die Schweiz über das späte Frauenstimmrecht nach; während die Schweiz vom Auswanderer- zum Einwandererland geworden ist, verhält sich dies in Senegal genau umgekehrt. Wo die internationale Handelspolitik die Geldströme auf Schweizer Banken lenkt, führt die Hochzinspolitik für Senegal in die Schuldenfalle. Im Verlauf der Lektüre verschwindet die hierarchische Vision vom Industrieland und dem Entwicklungsland, und es eröffnet sich der Blick auf zwei Länder mit ihren Helden und Kämpferinnen und ihren Fehlentwicklungen, mit ihren schönen und unschönen Seiten.
Das neuartige Lehrmittel wurde von Autorinnen und Autoren der Schweiz und Senegals im Team in einem mehrjährigen Prozess konzipiert und verfasst. Das sei aufgrund verschiedener methodischer Vorstellungen und Arbeitsmethoden oft schwierig gewesen, so Helene Schär vom Kinderbuchfonds Baobab, die zusammen mit Claudia Buess von der Erklärung von Bern die Projektleitung innehatte. Der Anspruch, das Lehrmittel müsse sowohl für Senegal wie die Schweiz attraktiv sein, habe zu Kompromissen gezwungen, gerade auch bei der Themenwahl. Das ist im Endprodukt allerdings nicht mehr spürbar: „Die Beschäftigung mit dem Eigenen und dem Fremden bedingt einen interkulturellen Blickwinkel, woraus sich eine neue Sicht auf die Welt ergibt“, kündigt Helene Schär an, und sie behält Recht: Wer Senegal – Schweiz 1:1 liest, kommt nicht umhin, im interkulturellen Verständnis zu wachsen.
Erklärung von Bern Hrsg.: Senegal-Schweiz 1:1. Ein interkulturelles und interdisziplinäres Lehrmittel für die Sekundarstufe II, Klett und Balmer Verlag, Zug und Erklärung von Bern, Zürich, 2007, 100 Seiten, SFr. 21.90; ISBN 978-3-264-95010-6
Das Lehrmittel ist unter dem Titel: Senegal – Suisse 1:1 auch auf Französisch erhältlich.