Was tun, wenn wir von einer Giftschlange gebissen wurden? Die Frage ist nötig: Unfälle mit giftigen Tieren werden weltweit unterschätzt und als Gesundheitsproblem vernachlässigt. Ein Onlinebuch schafft Abhilfe.

Abertausende Menschen sterben jährlich an den Folgen eines Giftbisses durch ein Tier. Allein in Indien werden pro Jahr 40’000-50’000 Todesfälle durch Schlangenbisse verursacht. Betroffen sind fast ausschliesslich Bewohner und Bewohnerinnen der ländlichen Regionen. Skorpionenstiche mit systemischen Vergiftungen ereignen sich weltweit in ariden Zonen. In Lateinamerika kommen sie gehäuft in städtischen Gebieten vor. Und gegen 50’000 Menschen leiden jährlich an der Ciguatera – einer Vergiftung mit chronischem Verlauf nach dem Verzehr tropischer Meeresfische.
Aber auch bei Bewohnern fernab tropischer Gebiete häufen sich Unfälle mit giftigen Tieren. Sei es, dass exotische Exemplare im Wohnzimmer gehalten werden, oder sei es, dass Touristen und Touristinnen in Lebensräume mit gefährlichen Tieren reisen. So erleiden jedes Jahr unzählige BadetouristInnen Unfälle – mit Quallen oder giftigen Fischen.
Lange Zeit waren die Informationen zur Behandlung von Gifttier-Unfällen und die Bestimmung ihrer Verursacher nur weit verstreut in Einzelpublikationen zu finden. Oder aber sie wurden in Büchern zusammengefasst, ohne allerdings den Ärzten und Ärztinnen brauchbare, ihnen vertraute Leitfäden der notfallmedizinischen Praxis an die Hand zu geben. Dies ist umso wichtiger, als dass eine Vergiftung häufig sehr schnell verläuft: Sofortige Entscheidungen und effiziente Massnahmen sind notwendig, um eine erfolgreiche Behandlung in die Wege leiten zu können.

Notfall-Handbuch

Mit dem Titel "Notfall-Handbuch Gifttiere" kam Anfangs 1996 ein Buch auf den Markt, welches diese bedeutende Lücke in der medizinischen Behandlung von Gifttier-Unfällen schloss. Es wurde am Schweizerischen Tropeninstitut entwickelt, vom Mediziner Thomas Junghanss und vom Basler Biologen und Gifttierexperten Mauro Bodio. Das Werk entstand in enger interdisziplinärer Zusammenarbeit der beiden Fachgebiete. Es wurde mit neuartigen Konzepten zu einer brauchbaren, standardisierten Basis verflochten. Das Buch war rasch vergriffen und es gilt heute im In- und Ausland, auf den Notfallstationen und in Arztpraxen des deutschsprachigen Raumes als Standardwerk. Tropeninstitute beraten in Notfallsituationen mit Hilfe dieses Leitfadens. Heute ist der Inhalt des Handbuches als Online-Version (Bild) im Internet nachschlagbar. Es heisst: "VAPAGuide – Emergency Guide to venomous and poisonous animals" (siehe Quellen und weitere Infos). In dieser frei zugänglichen Version in englischer Sprache sind die verschiedenen Ebenen der Biologie, Diagnose und Therapie vielfältig verlinkt. Im Notfall ermöglicht sie so einen schnellen Überblick. Die Anwender werden bei einem Unfall gezielt zu den für sie wichtigen biomedizinischen Informationen geführt und beraten. Erste Hilfe-Massnahmen, Diagnose und Therapie sind für verschiedene Gifttier-Gruppen im Detail dargestellt. Dies natürlich auf dem neusten Stand des Wissens. Zudem bietet der VapaGuide einen reichhaltigen Fundus zur Biologie, der Verbreitung und Bestimmung giftiger Tiere sowie der Wirkungsweise ihrer Gifte. Es ist daher auch eine reichhaltige Informationsquelle zum Thema Gifttiere: Für BiologInnen, für medizinisches Personal – und für alle interessierten Laien.