Basel, 14.11.2009, akte/
Bei der Vorlage zur Schaffung einer Spezialfinanzierung für den Luftverkehr herrsche beim Stimmvolk Ratlosigkeit, zeigte Ende Oktober eine vom Schweizer Fernseher in Auftrag gegebene GFS-Umfrage. Wird da eine Vorlage am Volk vorbeigeschmuggelt?
Bei der Grünen Partei ist es eine Frage der Ressourcen: Wir haben die Mitglieder in unserem Magazin über die Vorlage informiert. Aber es gibt zwei Vorlagen, die uns noch mehr unter den Nägeln brennen, da mussten wir uns etwas fokussieren.

Die Sozialdemokratische Partei und der VCS haben Stimmfreigabe beschlossen. Weshalb sind die Grünen gegen die Vorlage?
Steuern sollen steuern. Das tut die vorgeschlagene Kerosinsteuer für Inlandflüge aber nicht, weil das Geld in Aufgaben des Flugverkehrs zurückfliesst, welche eigentlich die Flugindustrie selber berappen müsste. Wir hatten verschiedene Leute, die verunsichert waren, weil der VCS Stimmfreigabe beschlossen hatte. Richtig ist, dass das Verursacherprinzip verankert wird in der Vorlage. Aber trotzdem ist es keine Vorlage für den Umweltschutz. Das meiste Geld wird in die Sicherheit fliessen, für Lärmschutzmassnahmen wird kaum etwas übrig bleiben. Von dieser Vorlage profitieren vor allem die Regionalflughäfen und die Folge ist mehr Fliegerei.

Das Bundesamt für Umwelt und Verkehr (UVEK) argumentiert, die Kerosinsteuer werde gleich gehandhabt wie die Mineralölsteuer, wo auch die Hälfte wieder in den Strassenbau fliegt. Ein funktionierendes Strassensystem ist unbestritten eine öffentliche Aufgabe. Ist es der Flugverkehr auch?
Das ist die Gretchenfrage. Ich finde: Grundsätzlich soll unter 1’000 Kilometern nicht geflogen werden. Für längere Distanzen gibt es keine realistische Alternative. Aber dann müssen die Vollkosten von den Fliegenden und der Flugbranche getragen werden. Flüge sind ein Luxusgut, dass zudem das Klima massiv schädigt. Deshalb fordern wir eine umfassende Kerosinsteuer, welche Umwelt- und Sicherheitskosten abdeckt, und wir befürworten auch die Erhöhung von Lande- und die Schaffung von Lärmgebühren. Fliegen muss teurer und die öffentlichen Verkehrsmittel müssen konkurrenzfähiger werden Weil öffentliche Hand einmal begonnen hat, die Flughäfen oder Fluglinien zu unterstützen, ist der Damm gebrochen, wie wir beim Flughafen Bern Belp gesehen haben. Erst hiess es dort, für den Wirtschaftsstandort Bern sollen Steuergelder in den Pistenausbau investiert werden. Jetzt braucht es plötzlich wieder Geld für die Anpassung an Sicherheitsstandards. Das Swissair-Debakel hat auch gezeigt, dass Staatsgelder keine Garantie für die Rettung einer Fluggesellschaft bieten können.
Dem Bundesamt für die Zivilluftfahrt (BAZL) schweben ja auch Szenarien für eine weitere Zunahme der Fliegerei vor. So hat das BAZL in einer Studie auf die Wettbewerbsvorteile hingewiesen, die sich ergäben, wenn die Schweiz ihren Flugfahrtsektor nur soweit dem EU-Emissionshandelssystem unterstellt, wie sie muss, also nur bei den EU-Flügen. Nicht nur, weil das billiger wäre, sondern wegen des Anreizes für internationale Airlines, ihre Flüge in die Schweiz zu verlagern. 
Ja, das ist unglaublich. Mehr Flüge bringen mehr Lärm, mehr Klimabelastung, mehr Umweltschäden. Schon heute leiden viel zu viele darunter, eine Lösung für das Lärmproblem rund um den Flughafen Kloten ist nicht in Sicht. Mit noch mehr Anflügen würde dieser Knatsch noch grösser, der Druck aus Deutschland würde steigen. Es braucht nicht mehr, sondern weniger Flüge. Darum geht es auch nicht an, das Flugangebot immer mehr zu verbilligen, zumal noch mit öffentlichen Geldern, und dafür das Angebot an Zügen zu straffen und zu verteuern. Es braucht eine Verhaltensänderung, mit der Kompensation der Klimaemissionen im Verkehr ist es nicht getan.
Die Schweiz hat eine Luftfahrtstrategie, eine Klimastrategie, eine Strategie für den öffentlichen Verkehr, und eine Realpolitik, die den einzelnen Strategien öfters mal widerspricht. Warum hapert es so sehr mit der Kohärenz?
Es gibt halt viele Stimmen in der Schweiz. Die Kohärenz zu schaffen wäre Aufgabe des Bundesrates, der sich aber schwer tut damit. In der Schweizer Delegation für Kopenhagen sind 24 Leute aus den verschiedenen Ämtern und Interessengruppen vertreten. Sie haben sich getroffen und versuchen eine gemeinsame Position auszuhandeln. Was es jetzt bräuchte, wäre viel mehr Druck von der Strasse. Ich habe den Eindruck, dass noch zu wenige gemerkt haben, dass es fünf vor zwölf ist und die Chance von Kopenhagen wirklich genutzt werden muss.
Was erwartest du von Kopenhagen?
Was wir als Schweiz in Kopenhagen erreichen können, ist für mich eine offene Frage. Von Enthusiasmus ist wenig zu spüren. Die Grundhaltung ist defensiv: Mal abwarten, was die anderen machen. Dabei bräuchte es jetzt Mut und Enthusiasmus! Der Präsident der Malediven hat gezeigt, dass auch ein kleines Land mit dem nötigen Elan und Enthusiasmus mitreden kann. Die Grünen schicken eine Delegation nach Kopenhagen. Wir wollen uns dort mit anderen vernetzen und den Druck auf die Politiker aufrechterhalten. Die Grünen fordern konkret den Bundesrat auf, dass die Schweiz in Kopenhagen eine Reduktion der Treibhausgas-Emissionen von 40 Prozent bis 2020 im Vergleich zum Referenzjahr 1990 anbietet. Insbesondere im Flugverkehr fordern wir auch, dass die internationale Luft- und Schifffahrt ab 2013 in die internationalen Reduktionsziele eingebunden werden muss.