Das Ignorieren der Klimaauswirkungen hat mehrere Folgen: Einerseits wird der Luftverkehr in der Öffentlichkeit als ein relativ kleines Problem wahrgenommen, andererseits fehlt es an ernsthafter Forschung zu diesem Gebiet, weshalb es noch (fast) keine möglichen Lösungsvorschläge gibt. Nicht-CO2-Auswirkungen werden in keinem Bericht und in keiner Regelung berücksichtigt: weder in den nationalen Treibhausgasinventaren, die bei der UNFCCC eingereicht werden, noch im Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation (CORSIA) oder im EU-Emissionshandelssystem (ETS). Hinzu kommt, dass alle derzeitigen Bemühungen zur "Dekarbonisierung" des Luftverkehrs diese Auswirkungen ausser Acht lassen. Weder Biokraftstoffe, synthetische Kraftstoffe noch Wasserstoff würden die wichtigsten Nicht-CO2-Beitragszahler zur globalen Erwärmung eliminieren. Und dies ist verheerend, denn die Nicht-CO2-Auswirkungen machen den grössten Teil der Klimaerwärmung durch den Luftverkehr aus.

Eine kürzlich durchgeführte Studie von 21 Wissenschaftler über die Klimaauswirkungen des Luftverkehrs ist zu folgenden Schlüssen gekommen:

1. Die gesamte durch den Flugverkehr verursachte Klimaerwärmung ist dreimal so hoch wie die der CO2-Emisisonen

Kondensstreifen und flugzeuginduzierte Zirren (AIC) sowie Stickstoffoxid-Derivate tragen, obwohl sie nur von kurzer Dauer sind, deutlich mehr zur globalen Erwärmung bei, als es die CO2-Emissionen der Flugzeuge tun – die im September 2020 veröffentlichte Studie kommt sogar zum Schluss, dass die heutige Gesamtklimawirkung des Luftverkehrs etwa dreimal grösser ist als die alleinige Wirkung aller akkumulierter CO2-Emissionen, die von Flugzeugen ausgestossen werden und seit Beginn des Fliegens in der Atmosphäre bleiben.

2. Der Flugverkehr ist für 5,9% der gesamten vom Menschen verursachten Klimaerwärmung verantwortlich

Jahrelang behauptete die Luftfahrtindustrie, dass der Sektor für nur 2% der vom Menschen verursachten Kohlenstoffemissionen verantwortlich sei – eine Zahl, die immer wieder angeführt wurde, um die Notwendigkeit von Massnahmen herunterzuspielen. Tatsächlich sind die CO2-Emissionen des Luftverkehrs allein deutlich höher – laut einer Studie von 2018 wurden im Jahr 2018 weltweit 2,9% des gesamten vom Menschen verursachten Kohlenstoffausstosses emittiert. Zählt man die nicht-CO2-Klimaauswirkungen des Fliegens hinzu, macht der Luftverkehr 5,9% der jährlich vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen aus. Dies ist enorm, vor allem wenn man bedenkt, dass über 80% der Weltbevölkerung noch nie geflogen ist.

3. Die Eindämmung des Flugverkehrs reduziert die nicht-CO2-Klimaauswirkungen sofort

Wenn der Flugverkehr konstant bleiben würde, würden auch die Heizwirkungen von kurzlebigen Kondensstreifen und Stickstoffoxid-Derivate auf die Atmosphäre weitgehend konstant bleiben. Anders sieht es mit dem CO2 aus: auch wenn der gesamte Flugverkehr eingestellt werden würde, würde das CO2 noch Hunderte von Jahren weiter heizen. Umgekehrt würden bei einer Verringerung des Flugverkehrs die kurzlebigen Nicht-CO2-Auswirkungen in ähnlicher Weise abnehmen, und die Verringerung der Erwärmung wäre gleichbedeutend mit einem Entzug grosser Mengen CO2 aus der Atmosphäre.

4. Technische und betriebliche Milderung der nicht-CO2-Auswirkungen des Luftverkehrs ist möglich, wird aber abgelehnt

Abgesehen von der notwendigen Reduzierung der Flüge ist es auch möglich, einige der nicht-CO2-Beiträge der Luftfahrt zur globalen Erwärmung durch betriebliche oder technische Verbesserungen zu eliminieren oder zu reduzieren. Die Forschung hat zum Beispiel gezeigt, dass viele Kondensstreifenbildungen vermieden werden könnten, wenn die Flugbahnen an die meteorologischen Bedingungen angepasst und Nachtflüge vermieden würden. Auch der Einsatz der bereits verfügbaren Magerverbrennungsmotor-Technologie könnte nicht nur CO2 reduzieren, sondern auch die Stickstoffoxid-Emissionen weiter senken. Des Weiteren würde eine Begrenzung der Russemissionen von Flugzeugtriebwerken die Bildung von Kondensstreifen und induzierten Zirruswolken verringern.

Aus den Resultaten der Studie leitet Stay Grounded 4 Forderungen ab, um die durch Luftfahrt verursachte Klimaerwärmung einzudämmen:  

1. Nicht-CO2-Auswirkungen müssen von der Industrie, von Institutionen und Regierungsstellen sowie von der UNFCCC im Rahmen des Pariser Abkommens in vollem Umfang berücksichtigt werden.

2. Bekannte Massnahmen zur Abschwächung der Nicht-CO2-Auswirkungen, wie die Vermeidung von Kondensstreifen und die Einführung magerer Motoren mit niedrigem NOx-Ausstoss, müssen unverzüglich zusätzlich zur CO2-Minderung verfolgt werden.

3. Forschung und Entwicklung betrieblicher und technologischer Verbesserungen, die der Reduzierung der Nicht-CO2-Belastungen die gleiche Bedeutung einräumen wie denen von CO2, müssen intensiviert und finanziert werden.

4. Es darf nicht zugelassen werden, dass der Flugverkehr wieder auf das Niveau vor der Covid-19 Pandemie zurückkehrt. Dementsprechend müssen Rettungsaktionen, Subventionen, Steuerbefreiungen sowie der Bau und Ausbau von Flughäfen eingestellt werden. Staatliche Massnahmen für eine tiefgreifende, nachhaltige Reduzierung des Flugverkehrs und zur Substitution von Alternativen wie Bahnreisen und Schiffen mit erneuerbaren Antrieben müssen schnell umgesetzt werden.