Euro 08: Ein nachhaltiger Grossanlass?
Erwartet werden in der Region Basel 750’000 Besucher und Besucherinnen in den Fanzonen, 110’000 Übernachtungsgäste und 200’000 Tagesgäste – die Euro 08 ist in aller Munde und in Werbung und Medien omnipräsent. Aber wie steht es eigentlich um die Nachhaltigkeit des Grossanlasses? Die Studentinnen des Masterstudienganges der Nachhaltigen Entwicklung Nathalie Martin*, Tonja Zürcher* und Corina Schmitz wollten es genauer wissen und recherchierten dazu im Rahmen einer Seminararbeit.
Basel, 22.05.2008, akte/ Die Fussballweltmeisterschaft 06 in Deutschland hat es vorgemacht: Mit ihrem "GreenGoal" wurde diese WM zum sportlichen Grossanlass mit ambitioniertem Umweltschutzkonzept. Inspiriert von den „Greengoals“ haben sich auch die UEFA EURO 2008™-OrganisatorInnen der beiden Basler Halbkantone hohe Ziele gesetzt. Ihre "Vision nachhaltige EURO 08" mündete im "Nachhaltigkeitskonzept", das die Projektkoordination Schweiz – Österreich in Zusammenarbeit mit der Uefa Euro 2008 SA und den Host Cities erarbeitet hat.
Das Konzept stützt sich auf die drei Säulen Gesellschaft, Ökologie und Wirtschaft und klingt viel versprechend. Doch wie sieht es wenige Tage vor dem Anpfiff mit der Umsetzung aus? Griffiges ist vor allem beim öffentlichen Verkehr zu finden: Das Angebot des Öffentlichen Verkehrs (ÖV) ist während der Euro 08 grosszügig und auch in der Nacht ausgebaut, sodass die Fans in Österreich und in der Schweiz nach den Veranstaltungen noch sicher und umweltschonend nach Hause kommen. Wer sich ein Ticket für die Euro ergattern konnte, hat ein 36-Stunden-Generalabonnement inklusive. Die Uefa Euro 2008 SA, die Gesellschaft, die seitens des Uefa-Vereins für die Organisation der Euro 2008 verantwortlich zeichnet, unterstützt das Kombi-Ticket mit acht Millionen Euro. Der ÖV wird auch mit der Bewirtschaftung der Parkplätze gefördert, und für die Fussgänger ist ein langer Fussgängerboulevard geplant. Im Bereich Abfall sind Abfall vermeidende Massnahmen aufgegleist, wie Mehrwegbecher, Bepfandung von Einweggebinden oder abfallarme Nahrungsmittelabgabe nach dem System "Packs ins Brot". Auch wird darauf geachtet, die Menge an Werbematerialien, die von den Firmen abgegeben werden, einzuschränken.
Unterstützung sozialer Projekte
Rund um die Euro 08 gibt es von privater Seite verschiedene engagierte Projekte wie die „Kampagne Euro08 gegen Frauenhandel“, ein Antirassismusprogramm oder die Euroschools. „Der Kampagne Euro08 gegen Frauenhandel wird mit einem Spot in den Stadien Sichtbarkeit verschafft“, erklärt dazu Martin Kallen, leitender Geschäftsführer der Uefa Euro 2008 SA: „Jedes der fünf gemeinnützigen Projekte, das die Uefa unterstützt, verfolgt einen nachhaltigen Nutzen.“ Euroschools2008 soll Schülern vor dem Hintergrund der UEFA EURO 2008™ eine ausländische Kultur spielerisch näher bringen. Werte wie Zusammenleben, Toleranz und Fairplay stehen hier im Mittelpunkt. ‚Fan-Botschaften’ soll dafür sorgen, dass sich die ausländischen Fussballfans in den Austragungsstädten wohl fühlen und damit die beiden Länder als gute Gastgeber in Erinnerung behalten. Gleichzeitig soll der Aufbau eines Netzwerks von Fan-Experten in Österreich und der Schweiz gefördert werden. Dieses Programm sieht Kallen auch als Beitrag zur Sicherheit. Das Antirassismus-Projekt soll für die Thematik sensibilisieren und verhindern helfen, dass das Turnier für die Verbreitung von rassistischem Gedankengut missbraucht wird. Schliesslich sollen mit der Unterstützung des Internationalen Roten Kreuzes die Lebensbedingungen der Landminenopfer in Afghanistan verbessert werden. Das Behindertenprojekt "Football For All" gibt Behinderten-Sportgruppen die Gelegenheit, ihr sportliches Können auf einer bedeutenden Bühne unter Beweis zu stellen und die Fussball-Fans dafür zu sensibilisieren. Die fünf gemeinnützigen Projekte werden mit insgesamt 3,45 Millionen Schweizer Franken unterstützt.
Wirtschaftliche Nachhaltigkeit: Wer bekommt das Geld?
Interessant ist die Frage der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit. Laut Konzept soll die Euro 08 einen möglichst hohen wirtschaftlichen Nutzen in der Schweiz und in Österreich bringen. Wirtschaftlichen Nutzen könnte die Euro 08 generieren durch Löhne, durch Steuern und durch Ausgaben der BesucherInnen. Bei den Steuern gibt es praktisch nichts zu holen: Die Uefa gilt als steuerbefreit, da ihr die Gemeinnützigkeit bescheinigt wurde. Die Tochterfirma Uefa Euro 2008 SA ist aber an und für sich steuerpflichtig. Da sie so konstruiert ist, dass sie keinen Gewinn verbucht, kommt sie um die Gewinnsteuer herum. Immerhin zahlt sie freiwillig die Mehrwertsteuer auf die Ticketeinnahmen. Der Anteil bleibt aber im Vergleich zu einem normal besteuerten Grossunternehmen gering. Von den erwarteten 1,1 Milliarden Franken Gewinn fliesst der Grossteil zu den Uefa-Mitgliedern, am Hauptsitz in Nyon bleiben 50 Millionen Franken.
Rund 1,5 Prozent des Gewinns für die Gastgeber
Die Tatsache, dass die öffentliche Hand kostspielige Vorleistungen für die Sicherheit und die Infrastrukturen erbringt, der Gewinn aber privat bei der Uefa bleibt, erklärt Kallen in einer schriftlichen Stellungnahme wie folgt: „Die Uefa ist eine nicht-gewinnorientierte Organisation. Sämtliche Einnahmen aus der UEFA EURO 2008™ werden direkt in den Fussball investiert. Dies geschieht im Rahmen verschiedener Massnahmen wie dem HatTrick-Programm, das Projekte in den Bereichen Ausbildung, Infrastruktur und Bau von Minispielfeldern in den 53 Mitgliedsverbänden der Uefa unterstützt, oder mittels Aktivitäten gegen Rassismus und Diskriminierung. Zudem wird das operative Budget der UEFA EURO 2012™ und die Finanzierung von Junioren- bzw. Frauen-Endrunden durch die Einnahmen aus der UEFA EURO 2008™ ermöglicht. Die Uefa unterstützt die Städte in der Organisation der Fanzonen mit je 1,2 Millionen Franken, stellt je zwei LED-Leinwände zur Verfügung und steuert einen Pauschalbeitrag von 600’000 Franken pro Stadt bei (höherer Beitrag für die Hauptspielorte Basel und Wien).“
Unterschiedliche Auffassungen zur wirtschaftlichen Nachhaltigkeit
Bei den Löhnen wird ebenfalls heftig gespart: Unter dem Euro-Motto „Erlebe Emotionen“ hat die Uefa 5000 Volunteers engagiert, also Arbeitskräfte, die unentgeltlich arbeiten. Bleiben also noch die Ausgaben der Fans und BesucherInnen. Den grössten wirtschaftlichen Nutzen erwartet die Tourismusindustrie. Die Euro 08 könnte gemäss Studie von Professor Hansruedi Müller, Dr. Heinz Rütter et al., bis zu 1,16 Milliarden Logiernächte generieren. Davon fallen für die Hotels immerhin bis zu 640’000 Übernachtungen ab, wobei zwischen 25’000 und 50’000 Verdrängungen einberechnet werden müssen, also Übernachtungen, die wegen der Euro 08 nicht gebucht werden. Die volkswirtschaftlich relevanten Umsätze der Euro 08 in der Schweiz liegen zwischen 1,1 und 1,5 Milliarden Franken. Das klingt nach viel, macht aber bezogen auf das Bruttoinlandprodukt nur noch etwa 0,14-0,18 Prozent aus. Angesichts zahlreicher anderer, wichtiger Einflüsse auf die Volkswirtschaft wird deshalb diese Wirkung makroökonomisch kaum nachweisbar sein.
Bei den lokalen Unternehmen stossen vor allem die Restriktionen auf, die im Sinne des Sponsorenschutzes beschlossen wurden. So dürfen die Restaurants in den so genannten weitläufigen Fanzonen nur Produkte der Sponsoren, nicht aber derer Konkurrenten verkaufen (also in Basel zum Beispiel nur Carlsberg, nicht aber das lokal produzierte UnserBier). Der Widerstand rund um die Euro erinnert oft an den Widerstand der Lokalbevölkerung in verschiedenen Ländern gegen grosse Tourismuskomplexe, die von Staats wegen gefördert werden, die regionale Wirtschaft aber aussen vor lassen. Der leitende Geschäftsführer der Uefa Euro 2008 SA Kallen bestätigt, dass sich die Euro 2008 SA vor allem ihren Partnern verpflichtet fühle. Daher müssten an den offiziellen Turnierstandorten und in Fanzonen die Exklusiv-Rechte der Partner geschützt werden. So sei es mit den Host Cities vereinbart.
Die Nachhaltigkeit der Euro 08: Ein guter Anfang
Das Nachhaltigkeitskonzept der Euro 08 ist gut – aber eben nur eine Empfehlung. Gemäss Kallen ist der Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekt ein Querschnittsthema in sämtlichen Bereichen: „Alle unsere Abteilungen sind entsprechend sensibilisiert. Der Einsatz von biologischen und fair gehandelten Lebensmitteln im Bereich der Stadien und im Hospitality-Bereich wurde mit den jeweiligen Lieferanten und den Sponsoren diskutiert. Die Uefa engagiert sich ausserdem im Bereich der fairen Produktion von Fussbällen und Sportartikeln. Ziel ist in erster Linie die Eliminierung von Kinderarbeit im Rahmen der Produktion. Mit den Sponsoren und Lieferanten wurden im Zusammenhang mit der UEFA EURO 2008™ entsprechende Vereinbarungen getroffen (Einhaltung eines Verhaltenskodex bzw. von ILO-Standards).“ Nicht überall führten die Gespräche mit den Zulieferern auch zum Erfolg: So kam beispielsweise der Vorschlag, Bio-Produkte vorzuziehen, in Basel nicht durch. Damit das Nachhaltigkeitskonzept greifen könnte, müsste es organisatorisch besser verankert werden, sowohl bei der Uefa Euro 2008 SA wie auch bei den Host Cities. Denn dort entscheiden nicht Nachhaltigkeitsfachleute, sondern PolitikerInnen.
Quellen: http://de.uefa.com; Steuerfreie Riesengewinne mit Euro 08 in: Tagesanzeiger 02.05.2008, www.tagesanzeiger.ch; Keine gesamtwirtschaftlichen Effekte in: NZZ 01.11.2007, www.nzz.ch; Müller, Hansruedi; Rütter Heinz et al.: Wirtschaftliche Auswirkungen der Euro 2008 in der Schweiz, in: Die Volkswirtschaft. Das Magazin für Wirtschaftspolitik 11-2007; Was bleibt wenn der Ball nicht mehr rollt? Untersuchung von Hansruedi Müller und Christian Moesch (fif), Universität Bern, www.fif.unibe.ch, 06.09.2007; Nachhaltigkeitskonzept Schweiz – Österreich 25.06.2007 (als pdf),; "Greengoal": http://www.bmu.de, Dezember 2006.; Eigene Recherchen
* Nathalie Martin, Praktikantin beim arbeitskreis tourismus & entwicklung, ist die Nachfolgerin von Tonja Zürcher, die von Juni 2006-August 2007 ihr Praktikum absolvierte.