Mitte November 2001 hat die Europäische Kommission unter dem Titel „Zusammenarbeit für die Zukunft des Tourismus in Europa“ eine Mitteilung zur Zukunft des europäischen Tourismus vorgelegt. In einer ersten Stellungnahme äussern sich die Naturfreunde enttäuscht über den defensiven Ansatz dieses Berichtes, der einen neuen Anlauf für eine europäische Tourismusstrategie bilden soll. Der Mitteilung ging eine zweijährige Diskussionsperiode voran, in der auch Nichtregierungsorganisationen wie Naturfreunde und WWF, Gewerkschaften und die Tourismusindustrie eingebunden waren. «Die Ergebnisse dieses Diskussionsprozesses waren sehr vielversprechend und es fanden sich konkrete Maßnahmen im Sinne eines nachhaltigeren Tourismus darin. Leider hat die Kommission nicht den Mut aufgebracht, diese mit allen Stakeholdern ausgehandelten Ziele und Massnahmen nun auch in die Mitteilung zu übernehmen», kommentiert Manfred Pils, Generalsekretär der Naturfreunde Internationale die Mitteilung.
Sicherlich sind die vorgeschlagenen Massnahmen wie etwa die Einrichtung eines jährlichen Tourismusforums, die Ausweitung der Kooperation auf europäischer Ebene, die Einbindung aller Stakeholder oder die Verbesserung der Forschung und Datenerhebung als ein wichtiger Schritt zu werten, um zu einer europäischen Nachhaltigkeitspolitik im Tourismus zu kommen – es bleibt jedoch weiterhin den Mitgliedsstaaten überlassen, diese Initiative aufzugreifen und in einzelnen Maßnahmen umzusetzen.
Nach Auffassung der Naturfreunde kann der Tourismus nicht nur eine wichtige Rolle im Rahmen der Nachhaltigen Entwicklung einnehmen,  sondern braucht diese auch für seinen wirtschaftlichen Erfolg, als viele Tourismusregionen Europas bereits deutliche Überlastungszeichen zeigen und vor allem durch vom Tourismus verursachten zunehmenden Auto- und Flugverkehr auch nichttouristische Regionen betroffen sind. Tourismus lebt von intakter Natur, einer gesunden Umwelt und einer vielfältigen Kultur. Die Naturfreunde fordern deshalb gemeinsam mit anderen Umwelt- und Tourismusverbänden, u.a. auch dem Arbeitskreis Tourismus & Entwicklung, schon seit langem die Umsetzung einer nachhaltigen Tourismusstrategie in Europa.
Obwohl die Arbeitsgruppen wesentliche Ergebnisse in Richtung einer Nachhaltigkeitsstrategie für den Tourismus mit konkreten Massnahmen bereits erarbeitet haben, wird die Kommission nun erst einen Entwurf für Richtlinien für eine Agenda 21 in Auftrag geben. Dies ist enttäuschend, dass die gemeinsam ausgehandelten Resultate nun offenbar durch einen extern erstellten Kommissionsentwurf ersetzt werden sollen. Es zeigt auch, dass die Europäische Kommission noch immer ein mangelhaftes Verständnis von Nachhaltiger Entwicklung hat. Nachhaltigkeit im Tourismus erfordert eine grundlegende Änderung der Verkehrs- und Raumordnungspolitik in Europa mit konkreten Massnahmen und neuen Politikinstrumenten. Eine derartige Änderung kann nicht in Form von „Richtlinien“ geschehen, sondern erfordert einen integrierten und systematischen Ansatz.
Eine Strategie für einen nachhaltigen Tourismus in Europa müsste nach Auffassung der Naturfreunde vor allem folgende Maßnahmenbereiche umfassen:
•    Eine nachhaltige Verkehrspolitik, welche die Belastungen durch den Verkehr vermindert und zu einer Verlagerung der Mobilität auf Schiene, Rad und Fußwege führt. Die Internalisierung von Unfall-, Umwelt-, Gesundheits- und Klimakosten in die Mobilitätsrechnungen ist ein wesentlicher Schritt dazu.
•    Ein europäisches Flächenschutzprogramm, welches die zunehmende Zersiedelung stoppt und Belastungsgrenzen für die Umwelt berücksichtigt.
•    Die Förderung der Zusammenarbeit im Bereich Naturschutz, Landwirtschaft und Tourismus, weil sich daraus wesentliche Synergieeffekte für diese drei Bereiche im Sinne einer Nachhaltigen Entwicklung ergeben.
•    Die Unterstützung von nachhaltig wirtschaftenden Tourismusdestinationen – zum Beispiel durch ein europäisches Destinationsgütesiegel verbunden mit einer Vermarktungsinitiative.
•    Die Förderung der Bewusstseinsbildung bei den Touristen in den Quellmärkten, um Urlaubsentscheidungen im Sinne des nachhaltigen Tourismus zu beeinflussen. 
«All diese Massnahmen betreffen vor allem wichtige Kommissionspolitiken, wie etwa die Struktur-, Agrar-, Verkehrs- und Umweltpolitik, und könnten auch bei der derzeitigen Kompetenzlage in Europa – Tourismus ist bekanntlich keine Aufgabe der europäischen Union – bereits jetzt schon in Angriff genommen und umgesetzt werden» hält Manfred Pils fest. Die Kommission ist daher aufgefordert, mehr Mut im Bereich der Nachhaltigkeit zu zeigen und ihre Kompetenzen auch wahrzunehmen. /plus

Quellen: Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Zusammenarbeit für die Zukunft des Tourismus in Europa, Brüssel 13.11.2001, KOM (2001) 665; Naturfreunde Internationale, Pressetext 6.12.2001; Naturfreunde Internationale, Bulletin Nr. 18, Dezember 2001