„Ökotourismus ist für die Politik der Europäischen Union kein Thema“, eröffnete Reinhard Klein von der EU-Kommission seine Rede an der europäischen Vorbereitungskonferenz zu den Internationalen Jahren des Ökotourismus und der Berge, die vom 12.-15. September 2001 im österreichischen St. Johann/Pongau über die Bühne ging. Auf den Konferenz-Titel „Öko-tourismus in Berggebieten – eine Herausforderung für nachhaltige Entwicklung“ anspielend fuhr Klein fort, dass für eine Nische in der Nische schon gar kein Platz sei. Die EU werde sich im Hinblick auf den Weltgipfel zur nachhaltigen Entwicklung vom Herbst 2002 vielmehr darauf konzentrieren, eine Agenda 21 für den Europäischen Tourismus auszuarbeiten.
Diese Nachricht ist an sich erfreulich, bloss der „Ökotourismus“ gerät damit leicht in Schieflage auf dieser eigens ihm gewidmeten Tagung. Veranstaltet wurde die Konferenz von der ös-terreichischen Regierung gemeinsam mit der Welttourismusorganisation (WTO) und dem UNO-Umweltprogramm (UNEP), welche die Verantwortung für die Organisation der Aktivitäten zum „Ökotourismus-Jahr“, insbesondere den „Weltökotourismusgipfel“ vom Mai 2002 in Quebec, übernommen haben. Dafür sowie für andere Anlässe im Rahmen der von der UNO für 2002 proklamierten Internationalen Jahre des „Ökotourismus“ und der Berge sollte die Konferenz den Beitrag aus der Sicht von europäischen Fachleuten erarbeiten.
Das offizielle Fazit steht noch aus, doch erfuhren sowohl die Bedeutung des „Ökotourismus“ wie die Rolle des Promotionsjahres in verschiedenen Tagungsbeiträgen eine klare Relati-vierung gegenüber früheren hochgesteckten Erwartungen: Tatsächlich scheint die „Ökotou-rismus“-Nische viel kleiner zu sein als noch vor wenigen Jahren angenommen. Ging die WTO 1997 noch davon aus, dass naturorientierte Tourismusformen, pauschal unter „Ökotourismus“ abgehandelt, etwa 20 Prozent des internationalen Tourismusgeschäftes ausmachten, sprachen VertreterInnen des UN-Umweltprogramms UNEP in St. Johann/Pongau lediglich noch von 3-5 Prozent. Sie verwiesen zudem darauf, dass sich die damals prognostizierten Wachstumsraten von jährlich 20 Prozent in keiner Weise materialisiert hätten. Auch die ersten Ergebnisse der WTO-Länderstudien zum Marktpotential des „Ökotourismus“ in Europa lassen darauf schliessen, dass es sich höchstens um eine Kleinstnische handeln kann: In Deutschland etwa macht der „Ökotourismus“ weniger als 1 Prozent aller verkauften Pauschalreisen aus. Angesichts dieser Zahlen erstaunt es nicht, dass an der Konferenz mehrmals die Frage laut wurde, wie man dazu käme, ein internationales Jahr für den „Ökotou-rismus“ auszurufen, anstatt die Nachhaltigkeit in der gesamten Tourismusindustrie zum Thema zu machen. Diese Sichtweise teilte auch Frans de Man, nördlicher NGO-Koordinator des „Tourism Caucus“ im Rio-Folgeprozess. Er hält „Ökotourismus“ für einen veralteten Ansatz aus den 80er Jahren, der spätestens seit dem Umweltgipfel von 1992 in Rio durch das umfassendere Konzept der Nachhaltigkeit abgelöst worden ist.
So traten an der Vorbereitungskonferenz des „Ökotourismusjahres“ kaum überzeugte VertreterInnen des „Ökotourismus“-Konzeptes ins Rampenlicht. Hingegen wurde von den RednerInnen mehrfach betont, dass der „Ökotourismus“ – wie jede andere Form von Tourismus auch – ökologisch, sozial und wirtschaftlich nachhaltig entwickelt werden müsse. Plötzlich war vom „nachhaltigen Ökotourismus“ die Rede, was ja impliziert, dass auch die Möglichkeit eines nicht-nachhaltigen „Ökotourismus“ besteht. Dies kommt der Position der internationalen NGO-Kampagne entgegen, die angesichts der zahlreichen negativen Erfahrungen in den Ländern des Südens eine grundlegende Überprüfung des „Ökotourismus“-Konzeptes verlangt (vgl. akte-KUNA 1/2/3/2001). Leider war an der europäischen Konferenz kein Platz für das Lernen aus negativen Erfahrungen. Im Mittelpunkt standen sogenannte „best practices“ (Positivbeispiele) mehrheitlich aus Westeuropa, wo ländlich integrierte Tourismusprojekte sich bereits seit längerer Zeit regen Zuspruchs erfreuen. Dies wiederum sorgte für Kritik von Seiten der osteuropäischen TeilnehmerInnen, die sich darin zu wenig vertreten fühlten.
Den anwesenden entwicklungspolitischen NGOs war es ein besonderes Anliegen, dass – wenn von europäischem Tourismus die Rede ist – auch die Verantwortung der europäischen Polit- und Wirtschaftsakteure für den Reiseverkehr der EuropäerInnen in Übersee zum Thema wird. In ihrem Schlussvotum präsentierte Patricia Barnett von der britischen Organisation „Tourism Concern“ schockierende Bilder und Fakten über die menschenverachtenden Arbeitsbedingungen der Trekking-TrägerInnen im Himalaya und rief den europäischen Reiseunternehmen ihre Verantwortung für die Einhaltung der Menschenrechte und ILO-Arbeitsstandards in Erinnerung. Manfred Pils von den Naturfreunden International wiederum forderte eine koordinierte Strategie für eine nachhaltige Tourismuspolitik in Europa, die auch den „Outgoing“-Tourismus umfasst. Die Forderung nach einer solchen Strategie wurde der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten im Herbst 2000 von zwölf umwelt- und tourismuskritischen Organisation – darunter akte –unterbreitet (s. akte-Kuna 4/2000).
Leider fand weder die Verantwortung der Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft für die Wahrung der ILO-Normen und generell der Menschenrechte in den Tourismusgebieten noch die Forderung nach einer kohärenten, nachhaltigen Tourismuspolitik Eingang in die Schlussfolgerung der Konferenz, wie sie akte anfangs Oktober 2001 vorliegt. Es bleibt zu hoffen, dass diese wichtigen Punkte in die umfangreicheren Endergebnisse der Konferenz-TeilnehmerInnen Eingang finden werden, die gemeinsam mit der Schlussfolgerung der OrganisatorInnen als europäischer Beitrag am Ökotourismus-Weltgipfel im Mai 2002 in Quebec präsentiert werden sollen. /frei

Quellen: Umfangreiche Tagungsunterlagen und teilnehmende Beobachtung auf der Konferenz; Stellungnahmen, Dossiers und weiterführende Informationen unter: www.ecotourism-mountains.at, www.world-tourism.org, www.uneptie.org, www.twnside.org, www.akte.ch