Basel, 28.06.2012, akte/ "Dank der jahrelangen Grundlagenarbeit und Sensibilisierung durch den arbeitskreis tourismus & entwicklung und andere tourismuskritische Organisationen hat sich bei Fachleuten ein allgemeines Verständnis dafür herausgebildet, was unter Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit dem Tourismus verstanden wird", erklärte Jennifer Seif, Direktorin von FTTSA, der weltweit ersten Gütesiegelorganisation für fair gehandelte Tourismusangebote, doch: "Trotzdem gibt es blinde Flecken: Zum einen unterläuft die Branche mit dem prognostizierten Wachstum des Ferntourismus schon nur aufgrund der Treibhausgasemissionen durch die Flüge alle Nachhaltigkeitsbemühungen. Zum anderen sind die Handelsbeziehungen im normalen Business alles andere als fair." Wo die Preise gedrückt würden, schlage das auf die Löhne und Arbeitsbedingungen und auf den Spielraum für Nachhaltigkeitsinvestitionen. In Südafrika setze die Regierung auf den Tourismus als Jobmotor. Doch der Tourismus könne die Lebenssituation der bisher benachteiligten Bevölkerung nur dann verbessern, wenn für die Arbeit auch faire Löhne zu anständigen Bedingungen bezahlt würden. Der Faire Handel sei daher der beste Ansatz, um die Bevölkerung an der Basis vom Tourismus profitieren zu lassen.
Am Anfang des Engagements für den Fairen Handel im Tourismus stand die Vision, dass dereinst die Kundschaft im Reisebüro ebenso einfach eine fair gehandelte Reise buchen kann wie sie Fairtrade-Bananen im Supermarkt kauft. Noch gibt es aber erst ein limitiertes Angebot für ein einziges Land: Rund 70 Fair Trade-zertifizierte Unterkünfte und Angebote und erste Reisearrangements nach Südafrika. Das FTTSA und das FTT-Logo kämpfen zudem mit rund 100 weiteren Nachhaltigkeitslogos im Tourismus um Beachtung. Das soll sich in den nächsten Jahren ändern. Bei einem feierlichen Akt unterzeichneten Jennifer Seif, und Hans-Peter Egler, Leiter Ressort Handelsförderung beim SECO, einen Vertrag zur Ausweitung des FTTSA-Systems zu einem globalen Fair Handels-Zertifizierungssystem für den Tourismus (siehe auch: Fair Trade in Tourism South Africa übernimmt Führungsrolle beim Aufbau eines globalen Fair Trade-Tourismus-Zertifizierungssystems). In einem ersten Schritt geht es um die Schaffung von Fair Handels-Zertifizierungsstellen für touristische Angebote in den Nachbarländern: Botswana, Lesotho, Madagaskar, Mosambik, Namibia, Südafrika, Swasiland und Tansania. Mittelfristig ist es das Ziel, dass Max Havelaar-Siegel für den Tourismus zu entwickeln. "Wir sind überzeugt, dass der Tourismus als Jobmotor funktionieren und einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung leisten kann. Damit das geschieht, müssen entlang der komplexen Wertschöpfungskette alle fair eingebunden werden. Deshalb stehen wir hinter dem Fair Trade-Ansatz im Tourismus", erklärte Egler.
Bernhard Herold, Leiter Qualität & Internationale Zusammenarbeit, Max Havelaar-Stiftung Schweiz, räumt dem Projekt eines Max Havelaar-Siegels für Tourismusangebote mittelfristig durchaus Chancen ein. Von Vorteil sei zum einen, dass FTTSA sein Zertifizierungssystem stark an dem der Fair Labelling Organisation, dem Dachverband der Fairhandels-Zertifizierungsorganisationen, ausgerichtet habe. Zum anderen, dass die südafrikanische Fairhandelsorganisation Fair Trade South Africa den Vorstoss von FTTSA aktiv unterstütze. "Wir prüfen die Ausweitung des Max Havelaar Gütesiegels auf mehrere neue Produkte. Doch müssen wir aufpassen, dass wir das Max Havelaar-Siegel nicht überdehnen. Ob ein Produkt aufgenommen wird oder nicht, hängt auch davon ab, wie gut es sich verkauft."
Die ersten Reiseveranstalter mit Fair Trade-Reisen müssen also den Weg bahnen, wäre für sie doch der Verkauf viel einfacher, wenn es das Max Havelaar Siegel für den Tourismus und ein entsprechend grösseres Angebot schon gäbe. Damit sich eine Fair Trade-Reise verkaufen lasse, müssten die Verkäufer geschult werden, so die einhellige Meinung der anwesenden Reiseveranstalter. "Das Interesse der Schweizer Kundschaft besteht grundsätzlich", ist Claudio Juen, Manager Africa & South America, Dreamtime Travel AG, überzeugt, "aber damit sich das in Buchungen überträgt, braucht es viel Informationsaufwand." Bei Kuoni Reisen AG hat man sich viel dazu überlegt, wie man der Kundschaft den Mehrwert eines fair gehandelten Produktes zeigen könne. "Wir sagen den Kunden, dass der Aufpreis von fünf Prozent direkt den gastgebenden Gemeinden zugute kommt", erklärte Matthias Leisinger, Leiter Corporate Responsibility, Kuoni Travel Holding. Heinz Hirter, Inhaber von Reise Service Imagine Bern, schafft es immer wieder, KundInnen zu überzeugen: "Wenn ich meinen Kunden zeige, was ein Fair Trade-Angebot einhalten muss, und ihnen danach ein Fair Handels-zertifiziertes Angebot und ein nicht zertifiziertes Angebot zur Wahl stelle, wählen die meisten das faire."
Wer fair unterwegs ist, kann seine Reise unbeschwerter geniessen, postuliert der arbeitskreis tourismus & entwicklung, und aus dem Publikum kam auch die Bestätigung einer Reisenden: "Ich hatte zwiespältige Gefühle, weil ich sah, dass im südafrikanischen Tourismus die Weissen die Fäden in der Hand halten und die Schwarzen immer noch meist als Untergebene zudienen. Deshalb war ich froh, eine Fair Trade-Reise gebucht zu haben und zu wissen, dass meine Reise bessere Anstellungsbedingungen für und die gezielte Förderung der schwarzen Mitarbeitenden unterstützt. Für mich war das klar ein Mehrwert."
Bild: v.l.n.r. Hans-Peter Egler, SECO; Jennnifer Seif, FTTSA; Christine Plüss, akte