Fair unterwegs mit Adrian Schmid, Leiter Politik und Kommunikation beim VCS
Welches Buch entführt Dich auf die schönste Reise?
Das ist ganz klar "L’usage du Monde" oder zu Deutsch "Die Erfahrung der Welt" von Nicolas Bouvier. 1953, gleich nach seinen Universitätsexamen und ohne deren Resultate abzuwarten, fuhr der damals 24-jährige Bouvier mit einem Freund, dem Maler Thierry Vernet, in einem hinfälligen Topolino von Genf aus über das ehemalige Jugoslawien, die Türkei und den Iran nach Afghanistan, verbrachte acht Monate in Ceylon (heute Sri Lanka) und gelangte dann nach Japan. 1956 kehrte er in die Schweiz zurück. "L’usage du monde" hat Bouvier aus seiner subtilen Erinnerung heraus geschrieben. Pionierinnen der Reise nach Afghanistan waren für ihn damals die beiden Fotojournalistinnen Annemarie Schwarzenbach und Ella Maillart: Sie reisten 1939 mit einem Ford Cabriolet über den Balkan, die Türkei, den Iran und Herat nach Kabul in Afghanistan und später ind Gebiet der Kafir Kalesh. Das war eine ihrer vielen abenteuerlichen Reisen, welche sie in Büchern festgehalten haben. Ihr Tipp: Aufbrechen, sich auf die Reise begeben. Ich habe mich, auch inspiriert von Bouvier, 1978 auf die Reise nach Afghanistan und ins pakistanische Grenzgebiet zu den Kafir Kalesh begeben. Und zwar nicht mit dem Auto, sondern ganz im Sinne des nachhaltigen Reisens per Autostopp. Ich bin später noch öfters in den Hindukusch, es ist eines meiner Lieblingsgebiete. Die Reise zu anderen Menschen war damals eine Reise zu mir selbst.
Wie hältst Du es generell mit dem Reisen?
Ich reise gerne und sehr viel. Die Schweiz ist mir zu eng. Ihre Qualität reflektiere ich gerne von aussen. So mag ich auch in der Schweiz die Randgebiete: Basel, Genf, Südtessin – wo die fliessenden Prozesse der Grenze sich zeigen. Meine Lieblingsziele sind in Asien, speziell Indien und der gesamte Mittelmeerraum. Im Vordergrund meines Interesses stehen die Menschen. Es zieht mich aber auch das an, was man vielleicht Brennpunkte der Geschichte nennen könnte. So reiste ich zum Beispiel an meinem 40. Geburtstag nach Vietnam. Ich hatte 1978 den Militärdienst verweigert. Das war zehn Jahre nach dem schrecklichen Massaker in My Lai, wo am 16. März 504 unschuldige Zivilisten von den amerikanischen GIs niedergemetzelt wurden. Die Aborigines sprechen von Dreamlands, Orten mit spezieller Bedeutung, zum Beispiel einer geschichtlichen, die spürbar ist.
Wie steht es bei Dir mit der Nachhaltigkeit auf Reisen?
Ich nehme möglichst grosse Rücksicht auf die Menschen und die Umwelt beim Reisen und am Aufenthaltsort. So bin ich einmal über Sibirien nach Indien mit dem Zug und Schiff gereist. Die Zeit ist ja der schönste und grösste Luxus, diese Verlangsamung des Lebens, so auch als ich im letzten Sommer längere Zeit mit Pferd und Yak im östlichen Tibet unterwegs war. Ich wähle noch heute meine Verkehrsmittel mit Bedacht, fahre nach Möglichkeit mit dem Zug und kompensiere die CO2-Emissionen, wenn ich fliegen muss.
Gefällt Die unser Reiseportal fairunterwegs.org?
Ich finde es sehr wichtig und gut. Der Output des arbeitskreises tourismus & entwicklung, dieser sehr kleinen Organisation, ist beachtlich. Der VCS bietet mit via verde-reisen ja die Möglichkeit, vor allem ökologisch nachhaltiger zu reisen. Der arbeitskreis tourismus & entwicklung ergänzt mit seiner sozialpolitischen Ausrichtung das VCS-Angebot in optimaler Weise. Dies würdigen wir auch gerne mit unserer Unterstützung.
Wie viel Chancen gibst du dem Fairen Handel im Tourismus?
Wenn wir den Massentourismus und die Bemühungen um Kostenminimierung auf allen Egenen betrachten, so müssen wir feststellen, dass sich die grosse Menge der Menschen immer noch auf den ausgetretenen Pfaden des Massentourismus bewegt. Es braucht ein stetes Bemühen um Verständnis und Akzeptanz des Fairen Handels im Tourismus. Trotzdem ist auch ein Prozess der Veränderung wahrnehmbar, in kleinen Zeichen, etwa wenn heute auch in exklusiven Hotels aufgefordert wird, Wasser zu sparen und die Badetücher mehrmals zu verwenden.
Nicolas Bouvier: Die Erfahrung der Welt. Lenos-Verlag, Basel 2007, 440 Seiten, herausgegeben von Roger Perret, aus dem Französischen von Trude Fein und Regula Renschler, mit einem Nachwort von Gérald Froidevaux, gebunden SFr. 46.– EUR 24.95, als Lenos Pocket, Band 81, SFr. 24.80, EUR 14.–, ISBN 978-3-85787-681-3