Welches Buch führt dich auf die intensivste Reise?

Ich bin ein fanatischer Krimileser. Ein Buch muss mich wegbringen von der Welt, in der ich mich jeden Tag bewege. Je besser geschrieben und je spannender desto lieber. Zum Glück gibt es viele gute Krimis. Besonders hervorheben möchte ich "Schach & Matt" des jungen Autoren Severin Schwendener, erschienen bei edition8, einem Verlag, der ohnehin gute Krimis herauszugeben pflegt. Es ist das beste Buch, das ich in den letzten zwei, drei Jahren gelesen habe.

Wovon handelt es?

Es geht um einen Zürcher Kommissar in der Urania… Es hat viel mit Polizei selbst zu tun… Aber ich will nicht mehr erzählen, ich empfehle es einfach zu lesen. Ausserdem möchte ich ein zweites Werk hervorheben. Keinen Krimi, sondern ein älteres Buch, nämlich den Roman "Der Wettermacher" von Peter Weber. Seit 15 Jahren bin ich viel im Toggenburg unterwegs. Peter Weber stammt aus dem Toggenburg und sein Buch über den Wettermacher August Abraham Abderhalden verortet das Toggenburg in der Welt. Der Autor schreibt sich richtiggehend los vom Toggenburg, mit einer grossen Freude an Sprache.

Du suchst in den Büchern Spannung und Abwechslung. Dabei scheint dein Alltag ja nicht gerade langweilig zu sein.

Nein, überhaupt nicht. Für die Organisation "Geneva Call" verbringe ich etwa eine Woche pro Monat im Nahen Osten. Dort versuche ich bewaffnete nichtstaatliche Akteure (BNSA) dazu zu bringen, Normen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte einzuhalten.

Die haben wahrscheinlich nicht auf dich gewartet. Wie kommst du an sie heran?

Die BNSA brauchen eine gesellschaftliche Basis, und diese ist daran interessiert, dass die "eigenen" BNSA die Normen respektieren und zum Beispiel keine Kindersoldaten rekrutieren. Mit dieser zivilen Basis mit Einfluss auf die BNSA arbeiten wir in Partnerschaft, wir bringen ein spezifisches Know-how.

Was für ein Know-how bietet ihr an?

In vielen Fällen sind die nichtstaatlichen Kämpfer normale Berufsleute, zum Beispiel Zahnärzte oder Lehrer, nicht ausgebildete Militärs. Es fehlt ihnen nicht nur an militärischem, sondern auch an rechtlichem Wissen. Wie etwa soll mit Gefangenen umgegangen werden?

Aus Unwissen werden sie oft einfach erschossen. Es braucht Lernprozesse auf allen Seiten. Wir hören, was für Bedürfnisse bestehen und wo Lücken sind. Wir können die BNSA zum Beispiel dazu bewegen, in kontrollierten Gebieten mit Organisationen der Opferhilfe zusammenzuarbeiten oder können Präventionsarbeit zum Risiko von Minen leisten. Hier sehen wir für uns eine Brückenfunktion.

Du sprichst von Minen-Risikoprävention. Kürzlich habe ich gelesen, dass Mosambik seit diesem Jahr minenfrei sei – 23 Jahre nach Ende des Bürgerkriegs! Da fragt sich: Wie gefährlich ist es für die syrischen Flüchtlinge, in ihre Häuser und Städte zurückzukehren, wenn dereinst der Bürgerkrieg zuende geht?

Sehr gefährlich. Sie kommen in minen- und auch blindgängerverseuchtes Gebiet zurück. Der Krieg in Syrien ist ein urbaner Krieg. Wohnungen und Häuser werden von Kämpfern der verschiedenen Seiten besetzt und Blindgänger und Minen zurückgelassen. Wenn die Flüchtlinge zurückkehren, sind sie extremen Gefahren ausgesetzt. Der IS macht Gebiete, die er verliert, sogar bewusst zu Minenfallen. Sobald es möglich ist, ist die Minenräumung dringend. Bosnien ist noch heute nicht minenfrei. Über die Zeit wechseln Minen wegen der Erosion ihren Platz, sodass es schwierig ist, sie aufzufinden, selbst wenn Karten existieren.  

Im Zuge der Terroranschläge fürchten sich viele in Europa vor Terroristen, die als Flüchtlinge getarnt nach Europa kommen.

Eigentlich müssten sich vielmehr die Syrer und Iraker fürchten: Im Moment gelangt ein Strom von Kämpfern von Russland, Belgien, Frankreich und anderen europäischen Staaten nach Syrien. Auf der anderen Seite sind Hunderttausende von Menschen vor Krieg und Elend in Syrien auf der Flucht. Sie haben allen Grund dazu; die Trennung von Wirtschaftsflüchtlingen und politisch Verfolgten ist in diesem Zusammenhang absurd. Niemand von ihnen geht freiwillig. Es gibt massive politische Verfolgung, und wir bewundern unsere Partner, die dort unter schwierigsten Bedingungen immer noch tätig sind, viele vom nahen Ausland aus.

Wie ordnest du denn die jüngsten Terroranschläge ein?

Europa – Frankreich, England und direkt oder indirekt weitere Länder – führt vielerorts in der Welt Krieg, und dies nicht erst seit den Anschlägen. Im Nahen Osten etwa, oder in Afrika. Jetzt kommt der Krieg zurück. Ich meine das überhaupt nicht zynisch. Der IS sagt explizit, er wolle den Krieg in den Westen zurückbringen – er tut das auf die grausamste Art.  

Zurück zu dir: Was verbindest du mit dem Konzept, fair unterwegs zu sein?

Respekt und Geld und die Wechselwirkung davon. Ich habe Respekt vor der Arbeit anderer Menschen und bin bereit, dafür auch zu zahlen. Im Alltag bin ich immer auf der Suche nach fairen Produkten und Dienstleistungen. Solche, die qualitativ gut sind und unter gerechten Bedingungen hergestellt wurden. Ein Kern davon ist die anständige Bezahlung. Ich bevorzuge Angebote, die fair, bio, regional sind und eher die kleiner Betrieben, nicht von Weltkonzernen.

Und beim Reisen?

Ich pflege nicht die romantische Illusion des Reisens als Völkerverständigung. Eine solche mag es im Einzelfall geben bei längeren Aufenthalten etwa für den Spracherwerb. Aber auf normalen Reisen bin ich einfach Konsument von Dienstleistungen und werde auch als solcher wahrgenommen. Zum wirklichen Austausch mit Einheimischen jenseits des kapitalistischen Reisebusiness kommt es in der Regel kaum. Deshalb ist mir der Respekt vor der Arbeit und deren anständige Vergütung wichtig.

Als leidenschaftlicher Velofahrer schonst du ja auch das Klima.

Die Menschenebene ist mir grundsätzlich näher. Ich bin ÖV-Benutzer und fahre Velo. Aber mein Berufsleben würde die Umweltdiskussion ad absurdum führen. Ich kompensiere das CO2 meiner Flüge nicht. Ich bin der Meinung, der Klimaschutz sollte keine freiwillige Massnahme für einzelne Kunden sein, sondern die Branche müsste gezwungen werden, die Klimakosten in ihre Preise zu integrieren.

Dieses Jahr bist du 50 geworden. Wie intensiv betreibst du noch Radsport?

Früher habe ich Leistungssport betrieben und Wettkämpfe bestritten, auch paralympische Wettkämpfe und Extremdistanzen. Höhepunkt war sicher die Tour d’Afrique 2004 von Kairo nach Kapstadt. Jetzt fahre ich keine Wettkämpfe mehr, sondern mache Velotouren in der Schweiz und im nahen Ausland, vor allem in der Alpenregion, es ist für mich die zentrale Art des Ausgleichs.

Fairunterwegs.org sensibilisiert Reisende unter anderem auch für den Respekt und für faire Preise. Wie gefällt dir das Portal?

Bisher bin ich meist über Suchmaschinenanfragen auf fairunterwegs.org gelandet. Das ist ja ein gutes Zeichen, dass man auch ohne besondere Absicht zu euch gelangt. Ich wollte mich einmal über Labels im Tourismus informieren und nutzte das Portal zwei, dreimal für Reisevorbereitungen. Es ist eine gute Dienstleistung, die ihr anbietet. Das Ganze kommt recht kompliziert daher, aber das ist nicht euer Verschulden, sondern zeigt, dass es keine einfachen Antworten gibt. Ihr gebt Antworten, nicht immer befriedigende, aber sehr hilfreiche. Ihr kommt ohne Zeigefinger aus und versucht, pragmatische Wege zu einer nachhaltigen Reisekultur aufzuzeigen. Das gefällt mir. Gut finde ich auch, dass ihr mit der Branche zusammenarbeitet. Die Antworten müssen weniger vom Einzelnen als von der Politik und der Branche kommen.

Severin Schwendener: Schach & Matt, Edition 8, Zürich 2013, 448 Seiten, CHF 35.00
Peter Weber: Der Wettermacher. Roman. Suhrkamp, Berlin 1993 , 316 Seiten, CHF 29.90,. EUR 18.99, ISBN: 978-3-518-40569-7   

Aus Unwissen werden sie oft einfach erschossen. Es braucht Lernprozesse auf allen Seiten. Wir hören, was für Bedürfnisse bestehen und wo Lücken sind. Wir können die BNSA zum Beispiel dazu bewegen, in kontrollierten Gebieten mit Organisationen der Opferhilfe zusammenzuarbeiten oder können Präventionsarbeit zum Risiko von Minen leisten. Hier sehen wir für uns eine Brückenfunktion.

Du sprichst von Minen-Risikoprävention. Kürzlich habe ich gelesen, dass Mosambik seit diesem Jahr minenfrei sei – 23 Jahre nach Ende des Bürgerkriegs! Da fragt sich: Wie gefährlich ist es für die syrischen Flüchtlinge, in ihre Häuser und Städte zurückzukehren, wenn dereinst der Bürgerkrieg zuende geht?

Sehr gefährlich. Sie kommen in minen- und auch blindgängerverseuchtes Gebiet zurück. Der Krieg in Syrien ist ein urbaner Krieg. Wohnungen und Häuser werden von Kämpfern der verschiedenen Seiten besetzt und Blindgänger und Minen zurückgelassen. Wenn die Flüchtlinge zurückkehren, sind sie extremen Gefahren ausgesetzt. Der IS macht Gebiete, die er verliert, sogar bewusst zu Minenfallen. Sobald es möglich ist, ist die Minenräumung dringend. Bosnien ist noch heute nicht minenfrei. Über die Zeit wechseln Minen wegen der Erosion ihren Platz, sodass es schwierig ist, sie aufzufinden, selbst wenn Karten existieren.  

Im Zuge der Terroranschläge fürchten sich viele in Europa vor Terroristen, die als Flüchtlinge getarnt nach Europa kommen.

Eigentlich müssten sich vielmehr die Syrer und Iraker fürchten: Im Moment gelangt ein Strom von Kämpfern von Russland, Belgien, Frankreich und anderen europäischen Staaten nach Syrien. Auf der anderen Seite sind Hunderttausende von Menschen vor Krieg und Elend in Syrien auf der Flucht. Sie haben allen Grund dazu; die Trennung von Wirtschaftsflüchtlingen und politisch Verfolgten ist in diesem Zusammenhang absurd. Niemand von ihnen geht freiwillig. Es gibt massive politische Verfolgung, und wir bewundern unsere Partner, die dort unter schwierigsten Bedingungen immer noch tätig sind, viele vom nahen Ausland aus.

Wie ordnest du denn die jüngsten Terroranschläge ein?

Europa – Frankreich, England und direkt oder indirekt weitere Länder – führt vielerorts in der Welt Krieg, und dies nicht erst seit den Anschlägen. Im Nahen Osten etwa, oder in Afrika. Jetzt kommt der Krieg zurück. Ich meine das überhaupt nicht zynisch. Der IS sagt explizit, er wolle den Krieg in den Westen zurückbringen – er tut das auf die grausamste Art.  

Zurück zu dir: Was verbindest du mit dem Konzept, fair unterwegs zu sein?

Respekt und Geld und die Wechselwirkung davon. Ich habe Respekt vor der Arbeit anderer Menschen und bin bereit, dafür auch zu zahlen. Im Alltag bin ich immer auf der Suche nach fairen Produkten und Dienstleistungen. Solche, die qualitativ gut sind und unter gerechten Bedingungen hergestellt wurden. Ein Kern davon ist die anständige Bezahlung. Ich bevorzuge Angebote, die fair, bio, regional sind und eher die kleiner Betrieben, nicht von Weltkonzernen.

Und beim Reisen?

Ich pflege nicht die romantische Illusion des Reisens als Völkerverständigung. Eine solche mag es im Einzelfall geben bei längeren Aufenthalten etwa für den Spracherwerb. Aber auf normalen Reisen bin ich einfach Konsument von Dienstleistungen und werde auch als solcher wahrgenommen. Zum wirklichen Austausch mit Einheimischen jenseits des kapitalistischen Reisebusiness kommt es in der Regel kaum. Deshalb ist mir der Respekt vor der Arbeit und deren anständige Vergütung wichtig.

Als leidenschaftlicher Velofahrer schonst du ja auch das Klima.

Die Menschenebene ist mir grundsätzlich näher. Ich bin ÖV-Benutzer und fahre Velo. Aber mein Berufsleben würde die Umweltdiskussion ad absurdum führen. Ich kompensiere das CO2 meiner Flüge nicht. Ich bin der Meinung, der Klimaschutz sollte keine freiwillige Massnahme für einzelne Kunden sein, sondern die Branche müsste gezwungen werden, die Klimakosten in ihre Preise zu integrieren.

Dieses Jahr bist du 50 geworden. Wie intensiv betreibst du noch Radsport?

Früher habe ich Leistungssport betrieben und Wettkämpfe bestritten, auch paralympische Wettkämpfe und Extremdistanzen. Höhepunkt war sicher die Tour d’Afrique 2004 von Kairo nach Kapstadt. Jetzt fahre ich keine Wettkämpfe mehr, sondern mache Velotouren in der Schweiz und im nahen Ausland, vor allem in der Alpenregion, es ist für mich die zentrale Art des Ausgleichs.

Fairunterwegs.org sensibilisiert Reisende unter anderem auch für den Respekt und für faire Preise. Wie gefällt dir das Portal?

Bisher bin ich meist über Suchmaschinenanfragen auf fairunterwegs.org gelandet. Das ist ja ein gutes Zeichen, dass man auch ohne besondere Absicht zu euch gelangt. Ich wollte mich einmal über Labels im Tourismus informieren und nutzte das Portal zwei, dreimal für Reisevorbereitungen. Es ist eine gute Dienstleistung, die ihr anbietet. Das Ganze kommt recht kompliziert daher, aber das ist nicht euer Verschulden, sondern zeigt, dass es keine einfachen Antworten gibt. Ihr gebt Antworten, nicht immer befriedigende, aber sehr hilfreiche. Ihr kommt ohne Zeigefinger aus und versucht, pragmatische Wege zu einer nachhaltigen Reisekultur aufzuzeigen. Das gefällt mir. Gut finde ich auch, dass ihr mit der Branche zusammenarbeitet. Die Antworten müssen weniger vom Einzelnen als von der Politik und der Branche kommen.

Severin Schwendener: Schach & Matt, Edition 8, Zürich 2013, 448 Seiten, CHF 35.00
Peter Weber: Der Wettermacher. Roman. Suhrkamp, Berlin 1993 , 316 Seiten, CHF 29.90,. EUR 18.99, ISBN: 978-3-518-40569-7