Fair unterwegs mit Beat Dannenberger, Ombudsman der Schweizer Reisebranche
Welches Buch führt Sie auf die schönste Reise?
Es ist nicht ein Buch, sondern eine Serie von Büchern: Seit Jahren lese ich mit Vorliebe Englisch, und zwar James Pattersons Bücher vom "Women’s Murder Club". Soeben ist der zehnte Band erschienen. Der "Murder Club" besteht aus vier Frauen – einer Kriminalinspektorin der Polizei von San Francisco; einer forensischen Medizinerin, einer stellvertretenden Staatsanwältin und einer Journalistin, Rubrik "Unfälle und Verbrechen", der Tageszeitung San Francisco Chronicle – die ihre Fähigkeiten bei der Suche nach Mördern in und um San Francisco verbinden. Mit dieser Stadt fühle ich mich verbunden. Ich reiste während Jahren sehr oft dorthin.
Was verbindet Sie mit San Francisco?
Meine Frau und ich hatten dort sehr gute alte Freunde, einer war schon seit der Jugendzeit eine wichtige Bezugsperson.
Und was fasziniert sie an den Murder-Club-Krimis? Dienen Sie Ihnen zum Spannungsabbau?
Ich glaube schon, dass man mit Krimi lesen die eigenen Spannungen abbauen kann. Die Bücher von Patterson sind gut recherchiert und sehr gut aufgebaut. Abends lese ich sie zum Einschlafen, manchmal fesseln mich die Krimis so sehr, dass ich mit der Zeit überziehe. Im Allgemeinen mag ich einfache, spannende Literatur, aber auch die Thriller von Jonathan Kellermann, die etwas komplexer, psychologischer sind.
Was lieben Sie am Reisen?
Wenn ich reise, will ich weitesten Sinn Neuland entdecken. Früher entdeckte ich durch meine Arbeit im Reisebüro viele Destinationen, zu denen ich sonst wohl nie hingekommen wäre. Mich locken Kulturen und Tierwelten. Beeindruckt haben mich zum Beispiel die "Gorillas in the Mist" in Rwanda, oder Tigerpirsch im Chitwan-Nationalpark in Nepal.
Wie fair sind Sie unterwegs?
Früher war ich mehr unterwegs, unternahm verschiedene Reisen pro Jahr. Heute beschränke ich mich in der Regel auf zwei. Meistens eine grössere, wenn es möglich ist.
Fair unterwegs sein, was heisst das für Sie?
Ich verstehe darunter den gegenseitigen Anstand und Respekt. Es muss uns bewusst sein, dass woanders die Leute anders leben, vielleicht schlechter, vielleicht aber auch besser. Das müssen wir akzeptieren, nicht einfach unser Bild von zu Hause überstülpen.
Aber mit dem Massentourismus wird ja ein europäischer Standard praktisch in die ganze Welt exportiert, eben ein Bild auf alle anderen Kulturen übergestülpt.
Das kommt wohl auch etwas auf den Reisenden selbst an. Der Badeferien-Pauschaltourist, der den gleichen Tramp wie im Alltag auch in den Ferien durchzieht, um halb sieben am Pool, um acht beim Frühstück, um 8.30 Uhr beim Ausflug und so weiter, erlebt wohl auch nichts anders als eine kleine Abwandlung seines Alltags. Aber der interessierte Reisende, wie ich ihn nennen würde, will ja aus dem Alltagstramp ausbrechen.
Die Kurzlebigkeit führt natürlich dazu, dass die Leute immer weniger das Besondere eines Landes wirklich erleben. Früher bereiteten sich die Leute sorgfältiger vor. Heute legen viele ein, zwei Noten auf den Tisch und überlegen sich, wo sie damit hinreisen können. Dann haben sie vielleicht eine Abenteuerreise gebucht und sind am Schluss eventuell damit überfordert.
Unterläuft der kurzlebige Schnäppchentourismus nicht auch die Bemühungen zur Nachhaltigkeit in der Branche?
Wenn einer für zwei, drei Tage irgendwohin reist, hat er vermutlich andere Interessen als die Nachhaltigkeit. Aber für längere Aufenthalte müsste es entsprechende Angebote geben, vielleicht mit einer entsprechenden Deklaration wie beispielsweise dem Minergie-Standard bei Häusern. Wobei sich die Frage stellt, ob das nicht einfach für Marketingzwecke missbraucht würde.
Aber einige Unternehmen haben schon an der Nachhaltigkeit ihrer Angebote gearbeitet, mit Kläranlagen, richtiger Abfallentsorgung, Wasseraufbereitung und so weiter. Das muss auch von den Reiseveranstaltern honoriert werden, wie bei den Lebensmittelverteilern, die auch Bio oder Fairtrade anbieten.
Bereitet es Ihnen Sorge, wenn Sie daran denken, dass in nur zehn Jahren die Anzahl der internationalen Ankünfte von heute rund 950 Millionen auf 1,6 Milliarden anwachsen soll?
Sorgen? Nein, Riesensorgen mache ich mir nicht, schon nur, weil ich da selber wenig bewirken kann. Immerhin schafft das Wachstum auch wieder neue Arbeitsplätze an Orten, wo die Leute sonst nichts hätten. Wichtig ist, dass dieses Wachstum dann auch den Leuten vor Ort zugute kommt, nicht einfach nur ein paar Konsortien.
Als Ombudsman sind Sie ja eine Art Anwalt der Fairness in der Branche. Worum geht es dabei vordringlich?
Der Verkäufer eines Produktes soll klar deklarieren, was er verkauft und was der Reisende zu erwarten hat. Wenn die Versprechungen nicht erfüllt werden, hat der Kunde Anspruch auf Entschädigung. Auf der anderen Seite muss auch der Kunde fair sein und die lokalen Umstände honorieren, und nicht mit dem Fotoapparat auf allen Vieren im Badezimmer nach Mängeln suchen. Der Kunde soll fair entschädigt werden, aber keine Hundertprozent-Rückerstattung erwarten, wenn er schon hundert Prozent konsumiert hat.
Was ist Ihre Erfahrung? Funktioniert die Fairness zwischen Kunde und Verkäufer?
Mehrheitlich funktioniert es sehr gut. Ich spüre einfach, dass viele Reisende sehr hohe Forderungen stellen, im Sinne von: Ich fordere mal zweihundert Prozent, um dann mindestens hundert Prozent zu erhalten. Ich hoffe, dass sich das nicht zu einer Tendenz entwickelt. Verstehen Sie mich richtig: Ich setzte mich sehr dafür ein, dass der Kunde fair behandelt wird, aber zur Fairness gehört eben auch, das Augenmass nicht zu verlieren.
Sie verlinken auf Ihrer Website auf das fairunterwegs-Reiseportal. Weshalb?
Ich finde fairunterwegs.org ein überaus vielfältiges und vielseitiges Informationsportal. Es würde den Reisenden guttun, sich vor dem Verreisen auf dem fairunterwegs-Portal umzuschauen. Aber ich fürchte, es ist wie bei unserer Website, die oft erst zum Zug kommt, wenn es zu spät ist und der Kunde den Schaden schon hat…
Wir informieren im Moment verstärkt über die Menschenrechte im Tourismus und darüber, was von wem gefordert ist, damit diese respektiert und umgesetzt werden.
Und ich erlebe jetzt Kunden, die sich bevormundet fühlen, wenn sie nicht in die Sahara oder nach Mali reisen können, und die finden, dass ja die Menschenrechtssituation in vielen Ländern des Westens auch nicht zum Besten stehe. Ich frage mich, wie viel ein Reisender überhaupt für die Verbesserung der Menschenrechte in einem Land bewirken kann durch die Wahl der Destination oder der Unterkunft.
Ein Beispiel ist ja der Verzicht von Kuoni auf die Destination Pattaya, weil dort die Kinderprostitution, eine der gröbsten Menschenrechtsverletzungen, nicht zu umgehen ist. Wie beurteilen Sie solche klare Entscheidungen des Unternehmens?
Das ist unbestritten ein guter Schritt. Ich hoffe, dass nicht andere Veranstalter davon Profit schlagen und einfach diese "Marktlücke" übernehmen.
Zumindest können die Kunden so zwischen dem Engagement der Reiseveranstalter bewusst wählen. Das erhöht die Transparenz.
Ich wünschte mir, dass solche Informationen mehr im Voraus gegeben und abgefragt werden, damit mehr Kunden auch aufgrund solcher Überlegungen wählen und buchen. In dem Sinne leistet fairunterwegs.org einen wichtigen Beitrag zur Transparenz.