Welches Buch nimmt dich mit auf eine innere Reise?
Neulich habe ich von Cyril Dion – dem Mitautor des Films "Tomorrow" das neue Werk "Petit manuel de résistance contemporaine" (Kleines Handbuch zum zeitgemässen Widerstand) gelesen. Es geht darin um den Wandel. Dion ist Teil des Mouvement Colibri. Es geht dort darum, Politik zu machen und gleichzeitig die Einstellung zu ändern. Das Mouvement Colibri unterstützt verschiedene Initiativen des Wandels, ähnlich wie Transitionsstädte, Agroökologie und anderes. Ich teile seine Sicht, dass viele NGOs vor allem aufzeigen, was nicht geht, die Schwierigkeiten. Doch was fehlt, ist eine Geschichte für unsere Zukunft.
Wovon träumen wir? Wenn wir den Kampf gegen die Zerstörung unserer Welt gewinnen wollen müssen wir etwas vor Augen haben. Wenn nicht Umweltzerstörung, nicht Ungerechtigkeit… was dann? Wenn die Menschen einen gemeinsamen Traum haben, engagieren sie sich mit dem Herzen, nicht mit dem Kopf.
Wovon träumst du?
Ich bin noch am Suchen aber sicher geht es um eine Welt mit weniger Ungleichheiten und die nicht mehr 4 Planeten für den Wohlstand einer Minderheit verbraucht. Aber als Team haben wir bei Brot für den Traum, dass wir anders zusammenarbeiten können. Vor anderthalb Jahren haben wir die Organisation komplett umgestellt. Wir haben keine Hierarchie mehr, sondern eine Vision die uns verbindet und klare Rollen für alle Mitarbeitenden. Indem wir den Umgang miteinander verändert haben, können wir uns auch eingestehen, dass wir nicht alles einfach wissen und anderen vorsagen können.
Wir machen jetzt andere Arten von Kampagnen, die den inneren mit dem politischen Wandel verbinden. Wir wollen eine Wirtschaft, die die planetaren Grenzen respektiert. Das können wir nur erreichen, wenn wir als Menschen gemeinsam diskutieren, was unser Platz auf der Erde ist und wie wir miteinander umgehen wollen. Wenn wir nur auf Konkurrenz machen, können wir an der Klimaerwärmung nichts ändern. Die Veränderung muss also bei uns beginnen und von dort Wirkung gegen aussen entfalten.

Was heisst für dich fair unterwegs sein?

Im Alltag bedeutet es für mich loslassen und akzeptieren, dass ich nicht für alles eine Antwort habe. Aber dass ich ausprobieren darf, etwas für die Gesellschaft und den Planeten zu tun. Dass ich auch im Kleinen beginnen darf. Und dass es nicht nur von mir abhängt. Wenn aber einmal meine Absichten klar sind, kann ich mich mit anderen verbünden. Wir wissen als Brot für alle nicht alles. Aber wir wollen eine die planetaren Grenzen respektierende Wirtschaft und eine den Boden erhaltende Landwirtschaft. Dafür setzen wir uns in der Organisation und privat ein. Um Visionen umzusetzen braucht es die Hilfe der anderen. Ich brauche Orte oder Räume, wo wir ohne Antworten zusammenkommen können.

Wo sind diese Orte?

Bei Brot für alle sind es die Momente, wo wir als Team im Kreis zusammensitzen und Ideen entwickeln. Persönlich sind es die Gespräche und der Austausch mit Unternehmern, die das auch probieren. Was ist ihre Vision für die Gesellschaft. Was ist Arbeit und der Sinn der Arbeit?

Was bedeutet für dich fair unterwegs sein auf Reisen?

Ich reise nicht so viel ins Ausland. Für mich ist es ein Loslassen, etwa in den Momenten in den Bergen, und das Offensein.

Ist ein moralischer Anspruch damit verbunden?

Für mich ist es eher das Gefühl, dass ich unterwegs bin und weiss, dass es nicht von mir abhängt, ob ich das Ziel erreiche. Das anzuerkennen ist für mich eine Befreiung. Ich habe Mühe mit dem moralischen Anspruch, etwas erreichen zu müssen.

Aber wie überbrücken die Menschen die gerade im Reisen noch riesige Kluft zwischen Absicht und Handeln?

Es gibt verschiedene Arten, unterwegs zu sein. Vielleicht sind mir grüne Anliegen wichtig: muss ich dann so viel reisen? Gäbe es nicht andere Möglichkeiten, Neues zu erleben in der Stadt und in der Umgebung? Es geht nicht darum, das Reisen zu verbieten, sondern um eine Empfehlung, die eigene Mobilität in der Freizeit zu überdenken. Wenn ich Erholung und Begegnung suche, warum kann ich das nicht auch im näheren Umfeld tun? Woher kommt das Bedürfnis zu reisen? Ist es Konsum, der Einkauf von Ferienstimmung? Oder will ich mich finden und mich erholen. Wie weit muss ich reisen, um mich zu erholen?

Das geht in Richtung Suffizienz: die Suche nach der Qualität, die uns gut tut, statt der Quantität.

Ich habe eine Bekannte, die eine Yoga-Retraite in Griechenland anbietet, in einer grünen, sorgfältig geführten Unterkunft. Aber trotzdem ist es in meinen Augen ein Konsum. Ihre Kunden suchen dort Ruhe, indem sie nochmals konsumieren.

Ist es eine Flucht, weit zu reisen und viel zu unternehmen?

Vielleicht eine Flucht vor Stress. Im hektischen Leben haben viele kaum Zeit zum Atmen. Vielleicht gibt es andere Wege, um von diesem Stress wegzukommen. Aber der Reflex weit weg zu reisen ist immer noch verbreitet. Ein Unternehmer hat mir über seine innere Reise erzählt. Er übergab seinen Kollegen mehr Verantwortung und nahm sich eine dreimonatige Auszeit. Dafür reiste er nach Nepal und machte eine dreiwöchige Höhlenmeditation. Ich fand es bemerkenswert, dass es das umsetzt. Es erschien mir jedoch, dass der Manager, der vom Alltagsstress wegkommen will, gleich wieder eine Leistungsübung absolviert.

Wie kompensierst du die Bedürfnisse, die im Alltag zu kurz kommen?

Ich arbeite auch zu viel. Und ich habe auch das Bedürfnis, zu kompensieren. Der erste Schritt ist es, dies zu reflektieren und anzuerkennen.

Meditierst du?

Für mich ist das Laufen in der Stadt etwas wie eine Meditation, so wertvoll. Einerseits kommen mir viele Ideen in den Sinn, die vergessen oder verdrängt wurden. Andererseits verändert sich dabei das Verhältnis zur Zeit. Ich bin in der Gegenwart und eile nicht in die Zukunft.

Kennst du das Portal fairunterwegs.org?

Nicht so gut, da ich weniger das Bedürfnis habe, ins Ausland zu reisen. Aber mir gefällt, dass fairunterwegs nicht mit dem moralischen Zeigefinger kommt, und dass ihr in eurer Facebook-Gruppe den Dialog mit anderen sucht, denen eine neue Reisekultur wichtig ist. Auch dass ihr nicht einfach grünere Reisen bewerbt, sondern Fernreisen als Konsumgut in Frage stellt und Auszeiten im Alltag und in der Nähe anregt. Wir haben ein Chalet in den Bergen. Dort können wir abschalten und uns erholen. In der Familie gibt es zurzeit Diskussionen, ob wir nicht vielleicht an die Côte d’Azur reisen sollen. Aber am Schluss sind wir doch wieder in unserem Chalet. 

Brot für alle unterstützt fair unterwegs – arbeitskreis tourismus & entwicklung seit Jahrzehnten. Warum?

Das ethische Wirtschaften steht für uns im Zentrum. Schwerpunktmässig haben wir uns mit der Textil- und der Elektronikbranche auseinandergesetzt und dort versucht, herauszuarbeiten, was ethisch ist. Aber die Tourismusbranche ist ebenfalls eine global gewichtige Branche, die zudem für die Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele eine Rolle spielt. Euer Schwerpunkt und die unseren ergänzen sich gut. In der Westschweiz hat Brot für alle eine "Werkstatt des Wandels" eingerichtet. Es ist eine Plattform für den Austausch darüber, was den Wandel antreibt und welche Werte dahinterstehen. Dabei müssen wir auch immer unsere inneren Werte hinterfragen.

Steht Brot für alle mit so einer "Werkstatt des Wandels" nicht quer zu einer politischen Konstellation in der Schweiz, bei der konservative Werte des "Wir zuerst" dominieren?

Ich glaube, wir stehen an der Kippe. Die Sehnsucht nach Veränderung ist grösser als man denkt, und es gibt auch viel mehr Projekte dazu als man denkt. Das müssen wir stärker sichtbar machen. Es gibt diese Verhärtung in der Politik. Aber überall in den Medien tauchen Interviews auf, wo es um den Sinn der Arbeit, denn Sinn des Lebens, die Frage nach der Zukunft geht. Vor fünf Jahren gab es das kaum. Es ist am Kommen, aber es braucht diese Sprache, dieses Narrativ, das auf den Sinn hin ausgerichtet ist.
Empfehlungen:
Cyril Dion: Petit manuel de résistance contemporaine, Domaine du Possible, Arles cedex 2018, 160 Seiten, EUR 15, ISBN 978-2-330-10144-2 
Tomorrow. Die Welt ist voller Lösungen. Film von Cyril Dion und Mélanie Laurent. DVD Pandora Film Verleih, 2016, 108 Minuten, CHF 27.95 (ohne Gewähr)     

Was heisst für dich fair unterwegs sein?

Im Alltag bedeutet es für mich loslassen und akzeptieren, dass ich nicht für alles eine Antwort habe. Aber dass ich ausprobieren darf, etwas für die Gesellschaft und den Planeten zu tun. Dass ich auch im Kleinen beginnen darf. Und dass es nicht nur von mir abhängt. Wenn aber einmal meine Absichten klar sind, kann ich mich mit anderen verbünden. Wir wissen als Brot für alle nicht alles. Aber wir wollen eine die planetaren Grenzen respektierende Wirtschaft und eine den Boden erhaltende Landwirtschaft. Dafür setzen wir uns in der Organisation und privat ein. Um Visionen umzusetzen braucht es die Hilfe der anderen. Ich brauche Orte oder Räume, wo wir ohne Antworten zusammenkommen können.

Wo sind diese Orte?

Bei Brot für alle sind es die Momente, wo wir als Team im Kreis zusammensitzen und Ideen entwickeln. Persönlich sind es die Gespräche und der Austausch mit Unternehmern, die das auch probieren. Was ist ihre Vision für die Gesellschaft. Was ist Arbeit und der Sinn der Arbeit?

Was bedeutet für dich fair unterwegs sein auf Reisen?

Ich reise nicht so viel ins Ausland. Für mich ist es ein Loslassen, etwa in den Momenten in den Bergen, und das Offensein.

Ist ein moralischer Anspruch damit verbunden?

Für mich ist es eher das Gefühl, dass ich unterwegs bin und weiss, dass es nicht von mir abhängt, ob ich das Ziel erreiche. Das anzuerkennen ist für mich eine Befreiung. Ich habe Mühe mit dem moralischen Anspruch, etwas erreichen zu müssen.

Aber wie überbrücken die Menschen die gerade im Reisen noch riesige Kluft zwischen Absicht und Handeln?

Es gibt verschiedene Arten, unterwegs zu sein. Vielleicht sind mir grüne Anliegen wichtig: muss ich dann so viel reisen? Gäbe es nicht andere Möglichkeiten, Neues zu erleben in der Stadt und in der Umgebung? Es geht nicht darum, das Reisen zu verbieten, sondern um eine Empfehlung, die eigene Mobilität in der Freizeit zu überdenken. Wenn ich Erholung und Begegnung suche, warum kann ich das nicht auch im näheren Umfeld tun? Woher kommt das Bedürfnis zu reisen? Ist es Konsum, der Einkauf von Ferienstimmung? Oder will ich mich finden und mich erholen. Wie weit muss ich reisen, um mich zu erholen?

Das geht in Richtung Suffizienz: die Suche nach der Qualität, die uns gut tut, statt der Quantität.

Ich habe eine Bekannte, die eine Yoga-Retraite in Griechenland anbietet, in einer grünen, sorgfältig geführten Unterkunft. Aber trotzdem ist es in meinen Augen ein Konsum. Ihre Kunden suchen dort Ruhe, indem sie nochmals konsumieren.

Ist es eine Flucht, weit zu reisen und viel zu unternehmen?

Vielleicht eine Flucht vor Stress. Im hektischen Leben haben viele kaum Zeit zum Atmen. Vielleicht gibt es andere Wege, um von diesem Stress wegzukommen. Aber der Reflex weit weg zu reisen ist immer noch verbreitet. Ein Unternehmer hat mir über seine innere Reise erzählt. Er übergab seinen Kollegen mehr Verantwortung und nahm sich eine dreimonatige Auszeit. Dafür reiste er nach Nepal und machte eine dreiwöchige Höhlenmeditation. Ich fand es bemerkenswert, dass es das umsetzt. Es erschien mir jedoch, dass der Manager, der vom Alltagsstress wegkommen will, gleich wieder eine Leistungsübung absolviert.

Wie kompensierst du die Bedürfnisse, die im Alltag zu kurz kommen?

Ich arbeite auch zu viel. Und ich habe auch das Bedürfnis, zu kompensieren. Der erste Schritt ist es, dies zu reflektieren und anzuerkennen.

Meditierst du?

Für mich ist das Laufen in der Stadt etwas wie eine Meditation, so wertvoll. Einerseits kommen mir viele Ideen in den Sinn, die vergessen oder verdrängt wurden. Andererseits verändert sich dabei das Verhältnis zur Zeit. Ich bin in der Gegenwart und eile nicht in die Zukunft.

Kennst du das Portal fairunterwegs.org?

Nicht so gut, da ich weniger das Bedürfnis habe, ins Ausland zu reisen. Aber mir gefällt, dass fairunterwegs nicht mit dem moralischen Zeigefinger kommt, und dass ihr in eurer Facebook-Gruppe den Dialog mit anderen sucht, denen eine neue Reisekultur wichtig ist. Auch dass ihr nicht einfach grünere Reisen bewerbt, sondern Fernreisen als Konsumgut in Frage stellt und Auszeiten im Alltag und in der Nähe anregt. Wir haben ein Chalet in den Bergen. Dort können wir abschalten und uns erholen. In der Familie gibt es zurzeit Diskussionen, ob wir nicht vielleicht an die Côte d’Azur reisen sollen. Aber am Schluss sind wir doch wieder in unserem Chalet. 

Brot für alle unterstützt fair unterwegs – arbeitskreis tourismus & entwicklung seit Jahrzehnten. Warum?

Das ethische Wirtschaften steht für uns im Zentrum. Schwerpunktmässig haben wir uns mit der Textil- und der Elektronikbranche auseinandergesetzt und dort versucht, herauszuarbeiten, was ethisch ist. Aber die Tourismusbranche ist ebenfalls eine global gewichtige Branche, die zudem für die Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele eine Rolle spielt. Euer Schwerpunkt und die unseren ergänzen sich gut. In der Westschweiz hat Brot für alle eine "Werkstatt des Wandels" eingerichtet. Es ist eine Plattform für den Austausch darüber, was den Wandel antreibt und welche Werte dahinterstehen. Dabei müssen wir auch immer unsere inneren Werte hinterfragen.

Steht Brot für alle mit so einer "Werkstatt des Wandels" nicht quer zu einer politischen Konstellation in der Schweiz, bei der konservative Werte des "Wir zuerst" dominieren?

Ich glaube, wir stehen an der Kippe. Die Sehnsucht nach Veränderung ist grösser als man denkt, und es gibt auch viel mehr Projekte dazu als man denkt. Das müssen wir stärker sichtbar machen. Es gibt diese Verhärtung in der Politik. Aber überall in den Medien tauchen Interviews auf, wo es um den Sinn der Arbeit, denn Sinn des Lebens, die Frage nach der Zukunft geht. Vor fünf Jahren gab es das kaum. Es ist am Kommen, aber es braucht diese Sprache, dieses Narrativ, das auf den Sinn hin ausgerichtet ist.
Empfehlungen:
Cyril Dion: Petit manuel de résistance contemporaine, Domaine du Possible, Arles cedex 2018, 160 Seiten, EUR 15, ISBN 978-2-330-10144-2 
Tomorrow. Die Welt ist voller Lösungen. Film von Cyril Dion und Mélanie Laurent. DVD Pandora Film Verleih, 2016, 108 Minuten, CHF 27.95 (ohne Gewähr)