Welches Buch führt dich auf die schönste Reise?
Ich lese nicht viele Bücher. Vielleicht war es Harry Potter, der mich inspirierte nach England zu reisen. Die Gebäude, die dort beschrieben sind, faszinieren mich, die Struktur des Landes, das etwas ältlich wirkende Britische.

Zählen Magazine auch?

Klar! Ich lese regelmässig das Jump-Magazin, eine Parkour-Szenezeitschrift, die es erst seit vier-fünf Monaten gibt. Es gibt einen Überblick, wer aktiv ist in der Szene, in welchen Ländern besonders viel läuft, welche neuen Moves es gibt.

Was ist Parkour?

Möglichst elegant, effizient und ohne sich zu verletzen von Punkt A nach B zu gelangen.

Das könntest Du ja auch mit dem Tram.

Gehe ich auch sehr oft. Beim Parkour gehe ich an einen bestimmten Platz. An dem "Spot" lege ich meinen Rucksack weg und übe, eine kleine Strecke elegant zu bewältigen. Das kann auch nur ein einzelnes Hindernis sein, das ich tausendmal von Neuem überwinde. Zum Beispiel über ein einfaches Geländer, später von Mauer zu Mauer mit 5-6 Metern Distanz. Von wirklichem Parkour kann man da eigentlich noch nicht sprechen. Es ist eher ein Üben des Parkours. Das richtige Ausführen ist selten. Es gibt wenige Leute, die mit ihrem geistigen Training so weit sind, dass sie sich von alleine dafür entscheiden, ohne Portemonnaie und Handy einfach ihren Weg über Hindernisse und Strassen abseits aller vorgegebenen Wege zu gehen. Einen Weg, von dem sie nicht wissen, wann er endet.
Wichtig dabei ist die Einstellung. Nach ein-zwei Jahren wirkt sich das Parkour-Training aus. Ich will nun auch generell Problemen nicht einfach ausweichen, sondern sie direkt angehen und so einfach und unkompliziert wie möglich lösen. Mit der Zeit wird Parkour zur Passion: Ich entdecke immer wieder neue Spots und überlege Möglichkeiten, mich dort zu bewegen.

Was hindert denn den Normalbürger daran, seinen Weg genauso zu gehen?

Eigentlich nichts, ausser der eigenen Einstellung, der Trägheit. Parkour lehnt sich im Aufbau an die Entwicklung des Menschen: Die Stärken des Traceur (Läufer) wachsen, er kann immer mehr Sprünge machen. Schliesslich hat er ein Level erreicht, an dem er keine grösseren Sprünge mehr machen kann. Allerdings kann er auf diesem Niveau viele Sprünge machen, ein paar Jahre lang, und dann geht es in Sachen Sprungdistanz und Schwierigkeit der Sprünge wieder abwärts. Weil Körper und Geist merken, dass sie nicht mehr fähig sind zu den Sprüngen. Von dem Punkt an arbeitet man stärker mit der Technik. Man fährt langsam runter. Daher ist es auch für einen 80jährigen möglich, Parkour zu machen, auch wenn es dabei nur ums Treppensteigen geht. Man überwindet ein Hindernis, das in dem Moment als schwierig erscheint. Alter, Grösse, Gewicht und Aussehen spielen keine Rolle.

Wie viele Traceure gibt es ungefähr?

Im Moment ist die Szene sehr klein. Ich denke, in Kürze wird sie extrem boomen. Wir befinden uns gerade in der Anfangsphase dieses Booms. Von meinem Bauchgefühl her wird Parkour in der Zukunft den Status des Fussballsports erreichen und am Fernsehen übertragen werden. In der Schweiz gibt es heute etwa tausend Traceure.

Wo macht ihr Parkour?

Hier in der Stadt gibt es ein paar gut geeignete Plätze, wie das Theater. Wir reisen auch in andere Städte. Normalerweise bewegen wir uns in urbanem Umfeld. Sehr geeignet sind London, Wien oder Budapest.

Wie fair bist du unterwegs?

Ich fliege meistens, oft mit Easyjet. Ich bin noch nie so viel gereist wie dieses Jahr: Bis jetzt habe ich bereits fünf Länder erflogen. CO2 habe ich noch nie kompensiert. Aber ich fahre nicht Auto, sondern nutze die öffentlichen Verkehrsmittel. Kürzlich habe ich mir einen Elektroscooter gekauft.

Was hast du auf deinen Reisen gemacht?

Meine erste Reise in London diente dazu, während zwei Wochen in der Szene Erfahrung zu sammeln. Danach wurde ich vom Autohersteller Seat eingeladen, in Barcelona eine Akrobatik-Show mitzumachen. Ich bin bei einer Agentur angemeldet, die mir solche Aufträge zuteilt. Nach Wien wurde ich von Red Bull eingeladen zur Red Bull Art of Motion, in der Szene eine der bekanntesten Weltmeisterschaften.

Du trägst ja bereits zwei Weltmeistertitel.

Im Oktober letzten Jahres wurde ich Berlin zum Parkour-Weltmeister. Es nahmen ca. 120 Leute aus der ganzen Welt teil. Ausserdem gewann auch mein Team. Sowohl ich wie mein Team waren die schnellsten.

Was heisst für dich fair unterwegs sein?

Dass man keinen schlägt unterwegs.

Und ernsthaft?

Dass man nicht immer aufs billigste Angebot geht. Dass man auch auf Gütesiegel achtet, wo steht, wer von der Reise profitiert. Beim Kauf von Essen drauf achten, dass es nicht mit Kinderarbeit verbunden ist. Auf Fairtrade-Angebote achten.

Hältst du dich an diese Leitsätze?

Zum Teil. Aber wenn ich mehr verdiene, achte ich auch mehr darauf. Im Moment hole ich mir einfach das günstigste Angebot. Im Moment stehen andere Themen für mich im Zentrum. Ich habe eine Firma gegründet, die wachsen muss, damit ich und meine Teilhaber davon leben können. Es ist auch wichtig, immer wieder aufzutreten, um in der Szene einen guten Status zu haben und Aufträge zu erhalten.

Was hältst du von unserem Reiseportal fairunterwegs.org?

Finde ich eine gute Idee. In Zukunft werde ich mir ein paar wichtige Infos auf eurer Seite holen, wenn ich meine Reisen plane.

Letzte Frage: Ihr macht gerne Saltos. Das gehört doch nach Schulbuch nicht zum Parkour.

Saltos machen einfach Spass. Ich liebe das Gefühl, kopfüber in der Luft zu sein. Die Kombination zwischen Parkour und Saltos ist genial und wird in der Zukunft – so prophezeie ich – auch nicht mehr anders stattfinden.
Literaturempfehlungen von Chris:
Lesen Sie die aktuelle Ausgabe des Jump-Magazins online . Frühere Ausgaben und weitere Informationen rund um die Parkour-Szene finden Sie unter www.urbanfreeflow.com;
Ausserdem:
Joanne K. Rowlings: Harry Potter und der Stein der Weisen, 1997; Harry Potter und die Kammer des Schreckens, 1998; Harry Potter und der Gefangene von Askaban, 1999; Harry Potter und der Feuerkelch, 2000; Harry Potter und der Orden des Phönix, 2003; Harry Potter und der Halbblutprinz, 2005; Harry Potter und die Heiligtümer des Todes, 2007; Verlag Carlsen.