Sabrina Haase: Fangen wir mit den Grundlagen an: Du hast in deinem Blog eine eigene Rubrik für nachhaltiges Reisen. Was bedeutet nachhaltiges Reisen für dich konkret?  

Julia Lassner: Zu dieser Frage könnte ich ein ganzes Buch schreiben, denn nachhaltiges Reisen hat so unfassbar viele Facetten und lässt sich nicht in einem Satz zusammenfassen. Ganz allgemein kann ich jedoch sagen, dass ich versuche, so umweltverträglich wie möglich unterwegs zu sein. Ich bin überwiegend mit der Bahn unterwegs, gehe bewusst mit Ressourcen um, unterstütze nachhaltige Projekte auf Reisen, esse keine Tiere, bevorzuge nachhaltige Unterkünfte usw.  

SH: Du motivierst deine Follower*innen immer wieder, nachhaltig unterwegs zu sein. Wie lässt sich nachhaltig Reisen mit deinem Job als Reisebloggerin vereinbaren?  

JL: Meiner Meinung nach ist nachhaltiges Reisen heutzutage keine nette Option, sondern eine absolute Notwendigkeit, wenn wir die Klimaziele auch nur annähernd einhalten und den Planeten erhalten wollen. Ich finde es deshalb eher erschreckend, wie wenige Reiseblogger:innen sich mit dem Thema beschäftigen.  

SH: Du bist schon länger als Reisebloggerin tätig. Wann hast du für dich entschieden, in Zukunft nachhaltiger zu reisen? Gab es Schlüsselmomente?  

JL: Die ersten vier Jahre meiner Selbstständigkeit als Reisebloggerin war ich in der ganzen Welt unterwegs. Ich arbeitete für große Reiseveranstalter und Tourismusbehörden und flog für meine Aufträge von einem Ziel zum nächsten. Was ich dem Planeten damit antat, war mir damals noch nicht bewusst. Vielleicht wollte ich es auch einfach nicht wahrhaben. Themen wie Klimaerwärmung und Umweltschutz waren damals noch nicht in aller Munde. Im Gegenteil, ich bekam nicht eine einzige kritische Nachricht zu meinem Vielflieger-Lifestyle. Im Nachhinein finde ich das sehr seltsam.  

2018 kamen die ersten Gewissensbisse. Ich beschäftigte mich zunehmend mit Nachhaltigkeit, las kritische Bücher, schaute Dokumentationen und begann mein eigenes Handeln zu hinterfragen. Ich krempelte nicht nur mein Privatleben, sondern auch meinen Job um und entschied, in Zukunft keine Flugreisen innerhalb Europas mehr zu promoten, Fernreisen drastisch zu reduzieren und den gesamten Fokus meiner Arbeit auf umweltfreundliche Reiseziele zu legen. Seitdem setze ich mich für einen Tourismus ein, der langfristig ökologisch vertretbar sowie ethisch und sozial gerecht ist. 

SH: Worauf achtest du konkret, wenn du eine Reise planst? Was ist dir besonders wichtig? Wo gehst du auch Kompromisse ein? 

JL: Wenn ich eine Reise plane, achte ich darauf, dass mein ökologischer Fußabdruck so gering wie möglich bleibt. Das Thema ganzheitlich zu betrachten, ist mir dabei besonders wichtig. Es beginnt also schon bei der Anreise, geht über die Aktivitäten vor Ort, die Unterkunft bis hin zum Ressourcenverbrauch.  

SH: Als Reisebloggerin wirst du sicher von vielen Destinationen eingeladen und bezahlt. Gab es auch schon Situationen, in denen du einen Job abgelehnt hast? Wenn ja, welche Ausschlusskriterien gibt es für dich?  

JL: Ehrlich gesagt lehnen wir mehr Anfragen ab, als wir annehmen, denn wir sind in der glücklichen Lage, dass wir bereits ein Jahr im Voraus komplett ausgebucht sind und keine Kapazitäten für weitere Projekte mehr haben. Wir können uns die Aufträge mittlerweile aussuchen und nehmen nur das an, was wirklich zu unseren Überzeugungen und zu den Themen des Blogs passt.

 “Nachhaltiges Reisen ist keine nette Option, sondern eine absolute Notwendigkeit” 

SH: Als Reisebloggerin bist du natürlich nicht nur in Europa, sondern in der ganzen Welt unterwegs. Wie stehst du zu Fernreisen? 

JL: Wir haben für uns den Kompromiss getroffen, dass wir maximal einmal pro Jahr, manchmal auch nur alle zwei Jahre fliegen. In den letzten beiden Jahren waren wir jeweils für 1,5 Monate in Südostasien. Uns ist bewusst, dass die Anreise per Flugzeug klimaschädlich ist. Deshalb versuchen wir länger zu bleiben und vor Ort so nachhaltig wie möglich zu reisen. Statt Inlandsflügen fahren wir mit dem Nachtzug, wir übernachten überwiegend in nachhaltigen Unterkünften, haben unsere eigenen wiederverwendbaren Trinkflaschen und Brotdosen dabei, beteiligen uns an Beach Clean-Ups und bieten nachhaltigen Akteur:innen auf unseren Plattformen eine Bühne.  

SH: Kritische Stimmen gibt es fast immer. Mich würde interessieren, ob du schon einmal kritisiert oder fragend angeschaut wurdest, weil dir das Thema Nachhaltigkeit beim Reisen so wichtig ist. Wenn ja, von wem und warum?  

JL: Ich werde täglich kritisiert. Meistens von Menschen, die sich durch meine Denkanstöße persönlich angegriffen fühlen, weil sie selbst zu wenig für den Klimaschutz tun und dann ein schlechtes Gewissen bekommen. Viele Kommentare und Nachrichten sind völlig unangebracht und oft aus dem Kontext gerissen. Zum Beispiel „Über nachhaltiges Reisen schreiben und dann eine Avocado essen. Passt ja gar nicht zusammen!“ Ich versuche dann häufig zu erklären, dass ich, wie alle anderen Menschen auf der Welt, auch nicht perfekt bin. Wir alle verursachen CO2 Emissionen – sei es beim Atmen, beim Scrollen auf unseren Smartphones, bei der Fahrt zur Arbeit oder eben auch, wenn wir mal bewusst eine Avocado essen, die während ihres Wachstums sehr viel Wasser verbraucht und einen weiten Transportweg hinter sich hat. Und trotzdem oder gerade deshalb ist es wichtig, dass es Menschen gibt, die sich für Umwelt- und Klimaschutz einsetzen. Und selbst wenn ich 50-mal im Jahr nach Thailand fliegen würde, habe ich ein Recht dazu, mich für Nachhaltigkeit einzusetzen. Besser als die Augen vor der Klimakrise zu verschließen und nichts zu tun, oder? 

SH: Was würdest du jemandem raten, der nachhaltiger reisen möchte, aber nicht weiss wie? 

JL: Auf globusliebe.com vorbeischauen! Da gibt es ganz viele Tipps, Denkanstöße und Inspirationen zum Thema nachhaltig reisen. Wir stellen überwiegend umweltfreundliche Destinationen, Ausflugsziele und Unterkünfte vor. Wir zeigen, wie man die Natur erleben kann, ohne sie zu zerstören und wollen ohne erhobenen Zeigefinger für einen nachhaltigen Tourismus sensibilisieren.  

SH: Und zu guter Letzt: Hast du Wünsche für die Zukunft, wie eine nachhaltige und gerechte Welt für dich aussehen soll? 

JL: Ich wünsche mir, dass das Reisen wieder zu etwas Besonderem wird. Anstatt immer weiter, höher und schneller, sollten wir lernen, wieder langsamer und bewusster unterwegs zu sein. Darüber hinaus wünsche ich mir, dass die Menschheit endlich aufhört, Ökosysteme zu zerstören, Arten auszurotten und Gewässer zu vergiften. Wir müssen endlich begreifen, dass alles, was wir heute tun, darüber entscheidet, wie die Welt von morgen aussieht. Nachhaltiges Handeln kann dabei jedoch nicht nur auf Einzelpersonen abgewälzt werden, sondern vor allem von Politik und Wirtschaft wünsche ich mir, dass da viel mehr und vor allem zeitnah etwas unternommen wird.  

Über Julia Lassner

Julia Lassner, 37, ist Reisefotografin, Bloggerin, Buchautorin und Marketingexpertin für nachhaltigen Tourismus.

Seit 2014 betreibt sie gemeinsam mit ihrem Partner den Blog globusliebe.com, zu dem neben der Website auch eine nachhaltige Naturkosmetiklinie, drei Bücher und ihr Instagram-Account @globusliebe gehören. Anfangs noch wenig nachhaltig, schreibt sie heute über Naturerlebnisse in Deutschland, Wandern, Zugreisen, klimafreundliche Unterkünfte und Mikroabenteuer vor der Haustür.