Fair unterwegs mit Nathalie Martin, langsam Reisende
Welches Buch führt dich auf die intensivste innere Reise?
Es ist "Slow Travel. Die Kunst des Reisens" von Dan Kieran. Er entwickelt darin eine eigentliche Philosophie des Reisens als Müssiggänger, bei dem man erst wirklich entdeckt, wo man eigentlich ist. Er fährt zum Beispiel nach Madrid mit dem Zug. Das Buch beginnt mit der Beschreibung der Zugfahrt von London nach Chichester via Gatwick. Er beobachtet, wie die Leute, die in Gatwick aussteigen, von einer Unruhe befallen werden, an ihren Nägeln kauen und angestrengt die Ortsschilder lesen. Bald darauf hört er das blecherne Rauschen eines Düsenflugs. Und wenn dann nach Gatwick der halbe Zug leer ist, überkommen ihn die grosse Entspannung, und die Dankbarkeit sitzenbleiben zu dürfen. Denn wenn er im Zug reist, dann ist er mit den Menschen um ihn herum verbunden, und mit der Landschaft, die an ihm vorbeizieht.
Dazu brauchst du doch kein Slow-Travel-Buch. Das machst du doch schon selber?
Wenn ich sein Buch lese tauche ich trotzdem ganz ein in seine Welt, die anders ist als meine.
Wie lange bist du selbst schon eine Langsam-Reisende?
Seit sechs Jahren. Ich war in Thailand. Da ist mir so richtig bewusst geworden, wie sehr diese Flugreise im Widerspruch steht mit der Art, wie ich sonst lebe. Ich achte sonst auf Nachhaltigkeit, kaufe die Lebensmittel in Bio-Qualität, weil es besser ist für meine Gesundheit und für den Boden, und ich fahre viel mit dem Fahrrad. Bis dahin war ich viel geflogen, aber damals in Thailand störte es mich in einem Masse, dass ich beschloss, es ab da anders zu machen. Es war nichts Besonderes, das den Ausschlag gab, es war eher so, dass dieses unangenehme Gefühl des inneren Widerspruchs allmählich heranreifte, bis es einfach nicht mehr ging. Seither bin ich nicht mehr geflogen – bis auf einen kleinen Notfall dieses Jahr, als ich keine andere Lösung sah, noch rechtzeitig den 60. Geburtstag meiner Mutter zu feiern.
Hast du den Anspruch, nachhaltig zu leben?
Ja, soweit man das überhaupt kann. Oft enthält hier die Grundausstattung schon so viel Luxus und Infrastruktur, dass es schwierig ist. Aber ich bin davon überzeugt, dass wir nicht so weitermachen können. Und ich möchte lieber den nötigen Wandel mitgestalten, als tatenlos in eine Katastrophe hereinzuschlittern und dann gezwungen zu sein, sich davon wieder aufzurappeln.
Was meinst du mit gestalten?
Ich treffe täglich Entscheidungen, wie ich einkaufe, oder wie ich mich fortbewege. Da habe ich einen Einfluss. Ausserdem kann ich auch politisch meinen Einfluss geltend machen. Politik ist ein wichtiger Hebel, da können grössere Veränderungen bewirkt werden. Etwa wenn die Flugreisen richtig besteuert oder erneuerbare Energien wirksam gefördert werden.
Der Präsident der Baselbieter Grünen, Balint Csontos, schlägt ja vor, die Kurzstreckenflüge gleich zu verbieten.
Es ist zwar traurig, dass so etwas nötig ist, aber die Belastung des Klimas durch unsere Vielfliegerei ist derart hoch, dass es ein solches Verbot braucht. Alternativen gibt es heute schon, nur ist das Wissen bei vielen Leuten über die vorhandenen Easyjet-Verbindungen ab Basel grösser als das Wissen über die Zugverbindungen. Als ich mal von meiner Lieblingsreise Basel-London mit dem Zug zurückgekommen bin, haben mich alle gefragt, wielange das dauert, wie teuer das ist und wo ich gebucht habe. Das war der Ausschlag dafür, dass ich meinen Reiseblog für langsames Reisen nathalieontour.ch gestartet habe.
Ist die Treibhauswirkung das einzige, was dich an der Fliegerei stört?
Nein, mit den Flughäfen wird auch sehr viel Land verbaut, werden ganze Lebensräume umgekrempelt. Zudem treibt die Billigfliegerei das Tourismuswachstum an. Für die Menschen in den Destinationen bedeutet das oft, dass in der Hochsaison Horden von BesucherInnen einfallen und am Schluss nicht viel mehr als ihren Abfall hinterlassen, während die Steuerzahlenden oft mit der Bereitstellung der Infrastruktur für so viele Menschen überfordert sind. Das ist auch in der Schweiz dramatisch, wo in der Skisaison hundertmal mehr Menschen im Ort sind als in der Nebensaison. Alles ist dann auf die Saison eingestellt. Ich sprach kürzlich mit einem Kollegen, der eine Anstellung in einer Apotheke eines Skigebiets erhielt – für eine Saison.
Was heisst für dich fair unterwegs sein?
Für mich heisst es langsam reisen, zu Fuss, per Velo, Zug und Fähre. Gerecht zu sein gegenüber der Umwelt und gegenüber den Gastgebenden, deren Lebensgrundlage ich zeitweilig nutze. Wenn man unterwegs ist, nutzt man gerne Take-away-Angebote, die oft nicht nachhaltig sind. Um dem vorzubeugen, buche ich gerne Unterkünfte mit Küche, damit ich im Bioladen oder auf dem Markt einkaufen und abfallreduziert selber kochen kann. Optimalerweise – das ist der schwierigste Punkt – pflege ich den Austausch mit der lokalen Bevölkerung.
Was ist am Austausch mit der Lokalbevölkerung so schwierig?
Wir kommen von einer ganz anderen Welt. Ich gehe nicht einfach auf die Menschen zu und frage: "Hallo, wer bist du und wie lebst du so?" Es ist einfach bei den Menschen, mit denen ich sowieso in Kontakt stehe, wie der Busfahrerin oder dem Wirt. Ich könnte natürlich auch Mal im Bioladen, in dem ich einkaufe, nachfragen, wie der Vertrieb von Bio-Lebensmittel da funktioniert.
Liegt es nicht auch daran, dass Touristen in einer Parallelwelt mit eigenen, für sie geschaffenen Infrastrukturen und Dienstleistungen leben, die von der Alltagswelt der Ortsansässigen Bevölkerung weitgehend getrennt ist?
Ja, vor allem dann, wenn wir nur für kurze Zeit an einem Ort sind. Ich kann mir vorstellen, dass es anders ist, wenn ich einen ganzen Monat an einem Ort lebe. Dann kaufe ich ein wie die Einheimischen, koche das Essen selber, besuche vielleicht einen Yogakurs, weil ich das Yoga nicht einen ganzen Monat missen mag, entdecke die besonders gute Veloroute oder den Bioladen in der nächsten Strasse. Es lohnt sich, auch sich selbst gegenüber fair zu sein. Oft überkommt mich das Reisefieber, und dann komme ich in den Stress, dass ich möglichst viel sehen und erleben muss. Beim langsam-Reisen gönne ich mir auch Tage, an denen nichts geplant ist und ich mir Zeit nehme, in ein Kaffee zu sitzen. Es ist ja auch eine Herausforderung, einmal das Fotografieren sein zulassen, in einer von den Social Media geprägten Zeit.
Wie entspannt bist du im Grossen und Ganzen als Reisende?
Unterschiedlich. Es gibt zuweilen Situationen, in denen ich merke: "Jetzt muss ich herunterfahren". Vor allem wenn ich sehe, was man an einem Ort noch alles sehen oder erleben könnte. Aber auch beim Wandern: Ich plane oft zu grosse Etappen, und dann ziehe ich das auch durch. Aber das letzte Mal habe ich dann doch eine Etappe einfach weggelassen.
Kann man das langsam-Reisen oder fair-unterwegs-sein lernen?
Vor allem kann man lernen, dass es überall schön ist. Nicht nur an der besonders beworbenen Destination, sondern vielleicht auch am nächsten Baggersee.
Wie gefällt dir fairunterwegs?
Ich bin fasziniert, wie ein so kleines Team ein so grosses Portal mit Informationen und Perspektiven auf Land und Reisen unterhalten kann. Es ist immer eine Herausforderung, einerseits keine Angebote zu bewerben und anderseits so nahe wie möglich bei den Reisenden zu sein. Besonders wertvoll finde ich die Informationen darüber, was vor Ort passiert und die Menschen dort beschäftigt. Wenn man das weiss, kann man es auch bewusst wahrnehmen. Sonst bleibt man in seinem eigenen Horizont verhaftet und klappert das ab, was im Reiseführer steht.
Empfehlung: Dan Kieran: Slow Travel. Die Kunst des Reisens. Aus dem Englischen von Yamin von Rauch, Heyne, München 2014, 224 Seiten, CHF 14,50, EUR 9,99 [D] | EUR 10,30 [A] (*empfohlener Verkaufspreis)
Was heisst für dich fair unterwegs sein?
Für mich heisst es langsam reisen, zu Fuss, per Velo, Zug und Fähre. Gerecht zu sein gegenüber der Umwelt und gegenüber den Gastgebenden, deren Lebensgrundlage ich zeitweilig nutze. Wenn man unterwegs ist, nutzt man gerne Take-away-Angebote, die oft nicht nachhaltig sind. Um dem vorzubeugen, buche ich gerne Unterkünfte mit Küche, damit ich im Bioladen oder auf dem Markt einkaufen und abfallreduziert selber kochen kann. Optimalerweise – das ist der schwierigste Punkt – pflege ich den Austausch mit der lokalen Bevölkerung.
Was ist am Austausch mit der Lokalbevölkerung so schwierig?
Wir kommen von einer ganz anderen Welt. Ich gehe nicht einfach auf die Menschen zu und frage: "Hallo, wer bist du und wie lebst du so?" Es ist einfach bei den Menschen, mit denen ich sowieso in Kontakt stehe, wie der Busfahrerin oder dem Wirt. Ich könnte natürlich auch Mal im Bioladen, in dem ich einkaufe, nachfragen, wie der Vertrieb von Bio-Lebensmittel da funktioniert.
Liegt es nicht auch daran, dass Touristen in einer Parallelwelt mit eigenen, für sie geschaffenen Infrastrukturen und Dienstleistungen leben, die von der Alltagswelt der Ortsansässigen Bevölkerung weitgehend getrennt ist?
Ja, vor allem dann, wenn wir nur für kurze Zeit an einem Ort sind. Ich kann mir vorstellen, dass es anders ist, wenn ich einen ganzen Monat an einem Ort lebe. Dann kaufe ich ein wie die Einheimischen, koche das Essen selber, besuche vielleicht einen Yogakurs, weil ich das Yoga nicht einen ganzen Monat missen mag, entdecke die besonders gute Veloroute oder den Bioladen in der nächsten Strasse. Es lohnt sich, auch sich selbst gegenüber fair zu sein. Oft überkommt mich das Reisefieber, und dann komme ich in den Stress, dass ich möglichst viel sehen und erleben muss. Beim langsam-Reisen gönne ich mir auch Tage, an denen nichts geplant ist und ich mir Zeit nehme, in ein Kaffee zu sitzen. Es ist ja auch eine Herausforderung, einmal das Fotografieren sein zulassen, in einer von den Social Media geprägten Zeit.
Wie entspannt bist du im Grossen und Ganzen als Reisende?
Unterschiedlich. Es gibt zuweilen Situationen, in denen ich merke: "Jetzt muss ich herunterfahren". Vor allem wenn ich sehe, was man an einem Ort noch alles sehen oder erleben könnte. Aber auch beim Wandern: Ich plane oft zu grosse Etappen, und dann ziehe ich das auch durch. Aber das letzte Mal habe ich dann doch eine Etappe einfach weggelassen.
Kann man das langsam-Reisen oder fair-unterwegs-sein lernen?
Vor allem kann man lernen, dass es überall schön ist. Nicht nur an der besonders beworbenen Destination, sondern vielleicht auch am nächsten Baggersee.
Wie gefällt dir fairunterwegs?
Ich bin fasziniert, wie ein so kleines Team ein so grosses Portal mit Informationen und Perspektiven auf Land und Reisen unterhalten kann. Es ist immer eine Herausforderung, einerseits keine Angebote zu bewerben und anderseits so nahe wie möglich bei den Reisenden zu sein. Besonders wertvoll finde ich die Informationen darüber, was vor Ort passiert und die Menschen dort beschäftigt. Wenn man das weiss, kann man es auch bewusst wahrnehmen. Sonst bleibt man in seinem eigenen Horizont verhaftet und klappert das ab, was im Reiseführer steht.
Empfehlung: Dan Kieran: Slow Travel. Die Kunst des Reisens. Aus dem Englischen von Yamin von Rauch, Heyne, München 2014, 224 Seiten, CHF 14,50, EUR 9,99 [D] | EUR 10,30 [A] (*empfohlener Verkaufspreis)