Fair unterwegs mit Peter Niggli, dem Fachmann für Entwicklungspolitik
Welches Buch führt dich auf die intensivste Reise?
Zwischen 16 und 35 hab ich dreimal Robert Musils "Mann ohne Eigenschaften" gelesen, das war sozusagen mein literarischer Start ins 20. Jahrhundert. In den 1980er Jahren führte mich Manes Sperbers "Wie eine Träne im Ozean" in die Welt derjenigen, die am Kommunismus verzweifelten und von den Nazis zermalmt wurden. Uwe Johnsons "Jahrestage" reflektierten die Nachkriegszeit so, wie ich sie schon gerne als junger Mann durchdrungen hätte. Seit zehn, fünfzehn Jahren lese ich viele Bücher lateinamerikanischer, afrikanischer und asiatischer AutorInnen und ihrer kosmopolitischen Diaspora. Sie begleiteten mein Engagement in Alliance Sud. Daneben musste ich meine Nase viel zu viel in A-4-Papiere stecken – zuhause wartet eine ganz Bibliothek auf mich.
Du wirst ja jetzt, nach der Pensionierung, möglicherweise mehr Zeit haben, das zu lesen, was dir gerade gefällt. Was ist das für ein Gefühl, frisch pensioniert zu sein?
Ich erlebe es ein bisschen wie damals, als ich jung war und von zu Hause auszog und mir zumindest vom Gefühl her die Welt offenstand. Mit dem Unterschied, dass ich jetzt mit der Pension über ein garantiertes Grundeinkommen verfüge, und dass ich, anders als damals, natürlich nicht mehr das ganze Leben vor mir habe. Wichtig ist mir, mich nicht gleich wieder in Aktivitäten zu stürzen. Ich will eine Weile lang Zeit haben, meinen Kopf zu leeren. Allerdings sitze ich im Vorstand von Helvetas und Fastenopfer. Das sind ein paar Sitzungen im Jahr, und ich habe weiterhin noch eine Verbindung zur Szene.
Fair unterwegs: was heisst das für dich?
Das Gerechtigkeitsgefühl war immer ein starkes Motiv hinter dem, was ich in meinem Leben gemacht habe. Früher wollte ich die Revolution, später wurde mir wichtig, nicht mit zunehmendem Alter von politisch links nach rechts zu driften, wie etwa ein
Filippo Leutenegger. Schliesslich trieb es mich zum steten Engagement für Veränderung in der Schweiz und der Welt zugunsten von Menschen, die weniger Möglichkeiten haben als ich. Der Gerechtigkeitssinn ist ein zentrales Motiv dafür, wie ich funktioniere. Es war mir auch als Chef einer Organisation wichtig, wie ich mit den Mitarbeitenden umgehe: dass ich anerkenne, was sie leisten, niemanden bevorzuge, sondern einen Gruppengeist fördere, damit alle Lust haben, mitzumachen, statt sich gegenseitig zu bekämpfen und zu kritisieren.
Als Konsument habe ich bis Mitte 40 nahe beim Existenzminimum gelebt: Das gewährleistete – ohne hehre Absicht – einen kleinen ökologischen Fussabdruck. In den letzten 20 Jahren hatte ich mehr Geld und bemühte mich, fair und bio zu konsumieren. Mein Geld gebe ich hauptsächlich für Lebensmittel, Bücher und Musik aus.
Und beim Reisen?
Auch hier hat mein über viele Jahre knappes Einkommen dazu geführt, dass der Flug jeweils der teuerste Budgetposten meiner Reisen war. Ansonsten lebte ich in Pensionen und Zimmern, in denen auch die Einheimischen abstiegen. Oft reiste ich für journalistische Recherchen. Also lag mir daran, möglichst nahe bei den Einheimischen zu sein.
Nach gut vierzig Jahren, in denen du dich für die Veränderung der Gesellschaft eingesetzt hast: Wo würdest du heute den Hebel ansetzen?
Darauf gibt es keine allgemeingültige Antwort. In der Schweiz gibt es dutzende kleine politische Baustellen, auf denen sich Bewegungen und Vereine engagieren. Ich bewege mich im Kreis der Entwicklungsorganisationen, die versuchen, einen fairen Lastenausgleich mit benachteiligten Regionen zu bewirken. AllianceSud will die Aussenpolitik der Schweiz so verändern, dass sie weniger schadet und eventuell etwas mehr nützt. Wir sind in der Schweiz ja praktisch in Watte gepackt, sofern wir den Schweizer Pass haben und nicht Asylsuchende
sind. In anderen Ländern Europas und der Welt gibt es starke soziale Bewegungen, die sich für die Veränderung von Politik und Wirtschaft einsetzen. Einer Wirtschaft, die ausgerichtet ist auf die möglichst unregulierte Ausnutzung von Standortvorteilen zugunsten der Unternehmensspitze, während die Staatslasten auf dem Buckel der normalen Steuerzahler ruhen. Fast in allen Ländern brechen Konflikte aus. In China gibt es täglich Demos und Streiks und Angriffe auf Parteibüros.
Siehst du das Ende des sozialen Friedens als etwas Erfreuliches oder Bedrohliches?
Es geht nicht um bewaffnete Schlachten. Aber ohne soziale Konflikte ändert sich nichts. Die Entscheidungsträger haben ohne sozialen Druck keinen Anlass, etwas zu ändern.
Die internationale Staatengemeinschaft wird im September 17 Nachhaltigkeitsziele beschliessen, die bis 2030 erreicht werden sollen. Bringt das etwas?
Soziale Bewegungen sind zwar der Motor von Veränderungen. Aber es gibt eine Reihe von Problemen, die man nur über die Kooperation von Ländern anpacken kann. Das können soziale Bewegungen nicht, das müssen Regierungen tun. Die Sustainable Development Goals (SDG) sind ein interessanter Versuch, die einzelnen Themenstränge, die an verschiedenen Orten der UNO über viele Jahre verhandelt wurden, zusammenzufassen in einem Paket von Zielen, die man in den nächsten 15 Jahren erreichen will. Bei AllianceSud gehen wir davon aus, dass diese Nachhaltigkeitsziele eine Chance sind, wenn soziale Bewegungen und oppositionelle Parteien sie aufgreifen und Druck auf die Regierungen ausüben, sie umzusetzen.
Die Vorlage zu den Nachhaltigkeitszielen enthält auch Paradigmenwechsel: So spricht man in Bezug auf die Wirtschaft neu nicht mehr von "nachhaltigem Wachstum" wie früher, sondern von nachhaltiger Entwicklung. Kommt das im September so durch oder wird das noch verwässert?
Da wird kein Jota mehr geändert, das wird so durchkommen.
Ist das nicht erstaunlich?
Es hat sich abgezeichnet. Der Entwurf von diesem August entspricht ziemlich genau dem vom Juli 2014. Die Verhandlungsdelegierten haben erkannt, dass man den nicht auseinandernehmen kann, wenn man die Kompromisse zwischen den Entwicklungsländern und den Industrieländern nicht gefährden will.
Warum funktioniert das bei den Nachhaltigkeitszielen, nicht aber bei den Klimaverhandlungen?
Im Unterschied zu den SDG haben die internationalen Klimaverträge eine völkerrechtliche Verbindlichkeit: Ziele werden festgeschrieben, die erreicht werden müssen, Beträge, die zur Zahlung fällig sind. Die Nachhaltigkeitsziele sind hingegen wenig verbindlich. Eine unwillige Regierung kann sich sagen: "Wir sind schon gut unterwegs, wir brauchen nichts zu tun." Es gibt keine Sanktionen. Die UNO wird aber periodisch den Stand der Zielerreichung erheben. Das bewirkt eine Art Schönheitswettbewerb der Länder, die sich selbst und gegenseitig daran messen können, wo sie in Bezug auf die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele stehen. Das bietet wiederum der Zivilgesellschaft einen Steilpass, um die nötigen Schritte von ihrer Regierung einzufordern.
Die Nachhaltigkeitsziele lösen ja die Millenniumsziele ab. Waren diese erfolgreich?
Halb, halb. Es wurde etwas erreicht, aber nicht alles. Bis zur Finanzkrise von 2008 waren die Länder gut unterwegs. Doch das Ende der wirtschaftlichen Stabilität
und gar der Rezessionen ab 2010 verlangsamte alles. Bei der Halbierung der Anzahl von Menschen, die weniger als 1.25 Dollar pro Tag verdienen, wusste man schon von Anfang an, dass das Ziel durch das Wachstum in China erreicht werden würde. Auch die Ziele, die über einfache technische Massnahmen umzusetzen waren, wurden erreicht. So etwa die Malariabekämpfung, die mit der Verteilung imprägnierter Moskitonetze zurückgedämmt werden konnte, die Erhöhung der Lebenserwartung von HIV-Infizierten durch die Abgabe von retroviralen Medikamenten und die Verringerung der Infektionsrate durch bessere Prävention. Anders sieht es bei Zielen aus, die eine Entwicklungsaufgabe darstellen – wie die Senkung der Mutter- und Kindersterblichkeit. Da müsste das Gesundheitssystem auf- oder ausgebaut werden, es bräuchte richtig bezahltes Personal auch in abgelegenen Gebieten. Das hat man nicht erreicht. Denn um dieses Ziel zu erreichen, braucht es gesellschaftspolitsche Prozesse. Das ist nicht leicht.
Wenn du heute nach so langem entwicklungspolitischem Engagement die Welt betrachtest mit all ihren Krisen, dem Elend und der Ungerechtigkeit: Resignierst du da oder was kann dich optimistisch stimmen?
Optimismus und Resignation sind für mich kein Gegensatzpaar. Der Zustand der Welt ist bekannterweise furchtbar. Das motiviert mich, treibt mich an, empört mich, es lässt mich nicht resignieren. Ich hatte das Glück, einen Job zu haben, bei dem ich immer wieder auf Menschen in der ganzen Welt treffe, die sich mit einer ähnlichen Ausrichtung engagieren. Dass wir nicht alleine kämpfen, stimmt optimistisch.
Auch fairunterwegs.org setzt sich auf dem Gebiet des Tourismus und der Freizeitgestaltung, einem der weltweit wichtigsten Wirtschaftszweige, für mehr Gerechtigkeit ein.
Die Tätigkeiten des arbeitskreises tourismus & entwicklung habe ich nicht mitverfolgt. Es gab ja in den Siebziger- und Achtzigerjahren eine Reihe von Gründungen durch die Erklärung von Bern, wie "Kultur und Entwicklung", "Frauen und Entwicklung" und eben auch "Tourismus und Entwicklung". Der arbeitskreis tourismus & entwicklung hat offenbar etwas richtig gemacht, wenn er all diese Jahre überlebt hat. Es war sicher sinnvoll, mit der Reisebranche von Anfang an den kritischen Dialog zu suchen, um einen realen Hebel zu haben. Ich kann es nicht wirklich beurteilen, aber ich habe den Eindruck, dass hier in der Öffentlichkeit und in den Medien die Botschaft angekommen ist, dass man sich Gedanken machen soll, wie man reist und was der eigene Urlaub den Menschen vor Ort bringt. Da habt ihr sicher etwas erreicht. Das Bewusstsein ist auch mit der boomenden Tourismusentwicklung gewachsen. In den Siebzigerjahren, als ich zwanzig war, reisten höchstens Abenteurer oder Geschäftsleute nach Afrika oder Südasien. Die Explosion des Reisens ist erst später gekommen und der Tourismus damit zu einem Thema der Entwicklungspolitik geworden.
Filippo Leutenegger. Schliesslich trieb es mich zum steten Engagement für Veränderung in der Schweiz und der Welt zugunsten von Menschen, die weniger Möglichkeiten haben als ich. Der Gerechtigkeitssinn ist ein zentrales Motiv dafür, wie ich funktioniere. Es war mir auch als Chef einer Organisation wichtig, wie ich mit den Mitarbeitenden umgehe: dass ich anerkenne, was sie leisten, niemanden bevorzuge, sondern einen Gruppengeist fördere, damit alle Lust haben, mitzumachen, statt sich gegenseitig zu bekämpfen und zu kritisieren.
Als Konsument habe ich bis Mitte 40 nahe beim Existenzminimum gelebt: Das gewährleistete – ohne hehre Absicht – einen kleinen ökologischen Fussabdruck. In den letzten 20 Jahren hatte ich mehr Geld und bemühte mich, fair und bio zu konsumieren. Mein Geld gebe ich hauptsächlich für Lebensmittel, Bücher und Musik aus.
Und beim Reisen?
Auch hier hat mein über viele Jahre knappes Einkommen dazu geführt, dass der Flug jeweils der teuerste Budgetposten meiner Reisen war. Ansonsten lebte ich in Pensionen und Zimmern, in denen auch die Einheimischen abstiegen. Oft reiste ich für journalistische Recherchen. Also lag mir daran, möglichst nahe bei den Einheimischen zu sein.
Nach gut vierzig Jahren, in denen du dich für die Veränderung der Gesellschaft eingesetzt hast: Wo würdest du heute den Hebel ansetzen?
Darauf gibt es keine allgemeingültige Antwort. In der Schweiz gibt es dutzende kleine politische Baustellen, auf denen sich Bewegungen und Vereine engagieren. Ich bewege mich im Kreis der Entwicklungsorganisationen, die versuchen, einen fairen Lastenausgleich mit benachteiligten Regionen zu bewirken. AllianceSud will die Aussenpolitik der Schweiz so verändern, dass sie weniger schadet und eventuell etwas mehr nützt. Wir sind in der Schweiz ja praktisch in Watte gepackt, sofern wir den Schweizer Pass haben und nicht Asylsuchende
sind. In anderen Ländern Europas und der Welt gibt es starke soziale Bewegungen, die sich für die Veränderung von Politik und Wirtschaft einsetzen. Einer Wirtschaft, die ausgerichtet ist auf die möglichst unregulierte Ausnutzung von Standortvorteilen zugunsten der Unternehmensspitze, während die Staatslasten auf dem Buckel der normalen Steuerzahler ruhen. Fast in allen Ländern brechen Konflikte aus. In China gibt es täglich Demos und Streiks und Angriffe auf Parteibüros.
Siehst du das Ende des sozialen Friedens als etwas Erfreuliches oder Bedrohliches?
Es geht nicht um bewaffnete Schlachten. Aber ohne soziale Konflikte ändert sich nichts. Die Entscheidungsträger haben ohne sozialen Druck keinen Anlass, etwas zu ändern.
Die internationale Staatengemeinschaft wird im September 17 Nachhaltigkeitsziele beschliessen, die bis 2030 erreicht werden sollen. Bringt das etwas?
Soziale Bewegungen sind zwar der Motor von Veränderungen. Aber es gibt eine Reihe von Problemen, die man nur über die Kooperation von Ländern anpacken kann. Das können soziale Bewegungen nicht, das müssen Regierungen tun. Die Sustainable Development Goals (SDG) sind ein interessanter Versuch, die einzelnen Themenstränge, die an verschiedenen Orten der UNO über viele Jahre verhandelt wurden, zusammenzufassen in einem Paket von Zielen, die man in den nächsten 15 Jahren erreichen will. Bei AllianceSud gehen wir davon aus, dass diese Nachhaltigkeitsziele eine Chance sind, wenn soziale Bewegungen und oppositionelle Parteien sie aufgreifen und Druck auf die Regierungen ausüben, sie umzusetzen.
Die Vorlage zu den Nachhaltigkeitszielen enthält auch Paradigmenwechsel: So spricht man in Bezug auf die Wirtschaft neu nicht mehr von "nachhaltigem Wachstum" wie früher, sondern von nachhaltiger Entwicklung. Kommt das im September so durch oder wird das noch verwässert?
Da wird kein Jota mehr geändert, das wird so durchkommen.
Ist das nicht erstaunlich?
Es hat sich abgezeichnet. Der Entwurf von diesem August entspricht ziemlich genau dem vom Juli 2014. Die Verhandlungsdelegierten haben erkannt, dass man den nicht auseinandernehmen kann, wenn man die Kompromisse zwischen den Entwicklungsländern und den Industrieländern nicht gefährden will.
Warum funktioniert das bei den Nachhaltigkeitszielen, nicht aber bei den Klimaverhandlungen?
Im Unterschied zu den SDG haben die internationalen Klimaverträge eine völkerrechtliche Verbindlichkeit: Ziele werden festgeschrieben, die erreicht werden müssen, Beträge, die zur Zahlung fällig sind. Die Nachhaltigkeitsziele sind hingegen wenig verbindlich. Eine unwillige Regierung kann sich sagen: "Wir sind schon gut unterwegs, wir brauchen nichts zu tun." Es gibt keine Sanktionen. Die UNO wird aber periodisch den Stand der Zielerreichung erheben. Das bewirkt eine Art Schönheitswettbewerb der Länder, die sich selbst und gegenseitig daran messen können, wo sie in Bezug auf die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele stehen. Das bietet wiederum der Zivilgesellschaft einen Steilpass, um die nötigen Schritte von ihrer Regierung einzufordern.
Die Nachhaltigkeitsziele lösen ja die Millenniumsziele ab. Waren diese erfolgreich?
Halb, halb. Es wurde etwas erreicht, aber nicht alles. Bis zur Finanzkrise von 2008 waren die Länder gut unterwegs. Doch das Ende der wirtschaftlichen Stabilität
und gar der Rezessionen ab 2010 verlangsamte alles. Bei der Halbierung der Anzahl von Menschen, die weniger als 1.25 Dollar pro Tag verdienen, wusste man schon von Anfang an, dass das Ziel durch das Wachstum in China erreicht werden würde. Auch die Ziele, die über einfache technische Massnahmen umzusetzen waren, wurden erreicht. So etwa die Malariabekämpfung, die mit der Verteilung imprägnierter Moskitonetze zurückgedämmt werden konnte, die Erhöhung der Lebenserwartung von HIV-Infizierten durch die Abgabe von retroviralen Medikamenten und die Verringerung der Infektionsrate durch bessere Prävention. Anders sieht es bei Zielen aus, die eine Entwicklungsaufgabe darstellen – wie die Senkung der Mutter- und Kindersterblichkeit. Da müsste das Gesundheitssystem auf- oder ausgebaut werden, es bräuchte richtig bezahltes Personal auch in abgelegenen Gebieten. Das hat man nicht erreicht. Denn um dieses Ziel zu erreichen, braucht es gesellschaftspolitsche Prozesse. Das ist nicht leicht.
Wenn du heute nach so langem entwicklungspolitischem Engagement die Welt betrachtest mit all ihren Krisen, dem Elend und der Ungerechtigkeit: Resignierst du da oder was kann dich optimistisch stimmen?
Optimismus und Resignation sind für mich kein Gegensatzpaar. Der Zustand der Welt ist bekannterweise furchtbar. Das motiviert mich, treibt mich an, empört mich, es lässt mich nicht resignieren. Ich hatte das Glück, einen Job zu haben, bei dem ich immer wieder auf Menschen in der ganzen Welt treffe, die sich mit einer ähnlichen Ausrichtung engagieren. Dass wir nicht alleine kämpfen, stimmt optimistisch.
Auch fairunterwegs.org setzt sich auf dem Gebiet des Tourismus und der Freizeitgestaltung, einem der weltweit wichtigsten Wirtschaftszweige, für mehr Gerechtigkeit ein.
Die Tätigkeiten des arbeitskreises tourismus & entwicklung habe ich nicht mitverfolgt. Es gab ja in den Siebziger- und Achtzigerjahren eine Reihe von Gründungen durch die Erklärung von Bern, wie "Kultur und Entwicklung", "Frauen und Entwicklung" und eben auch "Tourismus und Entwicklung". Der arbeitskreis tourismus & entwicklung hat offenbar etwas richtig gemacht, wenn er all diese Jahre überlebt hat. Es war sicher sinnvoll, mit der Reisebranche von Anfang an den kritischen Dialog zu suchen, um einen realen Hebel zu haben. Ich kann es nicht wirklich beurteilen, aber ich habe den Eindruck, dass hier in der Öffentlichkeit und in den Medien die Botschaft angekommen ist, dass man sich Gedanken machen soll, wie man reist und was der eigene Urlaub den Menschen vor Ort bringt. Da habt ihr sicher etwas erreicht. Das Bewusstsein ist auch mit der boomenden Tourismusentwicklung gewachsen. In den Siebzigerjahren, als ich zwanzig war, reisten höchstens Abenteurer oder Geschäftsleute nach Afrika oder Südasien. Die Explosion des Reisens ist erst später gekommen und der Tourismus damit zu einem Thema der Entwicklungspolitik geworden.