Fair unterwegs mit Philipp Schnell, Geschäftsleiter von Transa
Welches Buch führt Sie auf die schönste Reise?
Ein einzelnes Buch zu benennen finde ich schwierig. Meine Reiselust wurde mit Tim und Struppi geweckt. Da entdeckte ich die Pyramiden oder die Schottischen Inseln und fragte mich: Gibt es das? Oder den Yeti im Himalaja in Tibet? Eigentlich haben mich weniger gesellschaftliche Romane auf Lesereisen geführt, sondern eher weltpolitisch-geschichtliche Literatur. Gerne lese ich auch Reiseberichte oder Magazine zum Reisen, und zwischendurch auch mal einen Thriller von Mankell – dann sehe ich Schweden vor mir.
Was bedeutet für Sie reisen?
Neues entdecken, neue Leute, Länder erleben. Überrascht und fasziniert sein, Schwierigkeiten überwinden, die es zwangsläufig gibt, wenn man sich auf eigene Faust bewegt und sich an die örtlichen Gegebenheiten anpasst. Mal fährt kein Bus, mal stimmen die Angaben auf der Karte nicht.
Reisen Sie immer noch als Tramper?
Lange bin ich getrampt, jetzt geniesse ich auch mal ein schönes Hotel, oder unternehme eine Städtereise. Mit meiner Frau und unseren zwei Kleinkindern war ich im letzten Jahr auch zwei Wochen in Griechenland am Meer, das ist auch mal okay.
Gibt es eine Reise, die Sie nicht machen würden?
Ja, ich würde nicht in die Arktis reisen, um dort rasch den Schnee anfassen zu können. Ich würde auch eher keine Kreuzfahrt machen, auch wenn ich die vielleicht falsch einschätze, das Angebot soll ja inzwischen auch ein jüngeres Publikum ansprechen.
Wie fair sind Sie unterwegs?
Ich reise individuell und passe mich dabei den Möglichkeiten an, die auch der Lokalbevölkerung zur Verfügung stehen. Also verzichte ich auf den superklimatisierten 4-Wheel-Drive. Ausserdem kompensiere ich meine Flüge. Ich buche Ferien, bei denen man für die Gäste nicht alles Wasser aus dem Boden pumpt. Wo nicht Touristen auf Kosten der Lokalbevölkerung leben, wie etwa im Fünfsterne-Luxusbunker in einem Entwicklungsland. Manchmal ist es eine Gratwanderung. Ich habe auf Reisen nach Burma verzichtet, weil dort die Opposition zum Boykott aufgerufen hat. Aber ich war in Tibet, denn die Tibeter sagen, dass jeder, der dorthin reist, ein Zeuge ist. Ich habe auch auf die Indonesienreise verzichtet, als Suharto gestürzt wurde, denn ich dachte, die Leute haben dort jetzt andere Sorgen, als der Cola für den Touristen nachzurennen.
Was braucht es, um fair unterwegs zu sein?
Den Respekt vor den Kulturen und den Leuten. Es ist gut, erst zu denken, dann zu handeln. Für die Umwelt wäre es am besten, gar nicht zu fliegen, aber man kann Flugreisen wenigstens bewusst planen und zumindest kompensieren, wenn man schon fliegt. Die Eigenverantwortung ist auch extrem wichtig. Dazu gehört auch die Überlegung, welches Reiseziel Sinn macht. Nach Tibet zu reisen, war vielleicht in Ordnung. Aber es gibt Grenzen. Ich würde jetzt nicht gerade während der Regierungskrise in die Elfenbeinküste reisen und dort im abgeschotteten Luxus leben wollen. Zur Eigenverantwortung gehört auch die Vorausplanung, damit man zum Beispiel nicht ohne Mittel dasteht, wenn einmal ein Flugzeug hängenbleibt. Mit Respekt, Eigenverantwortung und Offenheit kann Reisen in andere Länder zum bereichernden Kulturaustausch werden.
Wie erklären Sie sich, dass so viele Schweizerinnen und Schweizer reisen, aber dennoch Angst vor Fremden haben?
Viele werden am Reiseziel vom Deutsch sprechenden Personal am Flughafen abgeholt und erhalten im Hotel zum Schnitzel Pommesfrites ein Bier. Oder in Thailand haben sie nach zwei Wochen Strandurlaub immer noch nie wirklich Thai gegessen. Viele wollen sich nicht bilden auf Reisen. Sie reisen mit der Angst vor dem Fremden. Zum Beispiel der Angst, etwas zu essen, das ihnen nicht bekommt. Sie glauben, Schweizer Küche sei sauberer als die Thaiküche. Sie haben einfach lieber, was sie schon kennen – und schimpfen dennoch gerne darüber. Selten habe ich Schweizer am Trekking in Nepal oder in den Pampas in Argentinien gesehen. Aber ohne Interesse an der lokalen Kultur und den Leuten bildet Reisen überhaupt nicht und löst auch keine Fremdenängste auf.
Transa beschäftigt sich mit der Fairness rund um ihre Produkte und hat ja seit einem Jahr mit Martinka Bühler eine Nachhaltigkeitsbeauftragte.
Transa beschäftigt sich seit 30 Jahren mit ökologischen und sozialen Fragen. Die Nachhaltigkeit gehört praktisch zur DNS. Begonnen haben die Gründer mit Post-Achtundsechziger-Studentenreisen. Damals wurde bereits ein Standort in der Nähe des Bahnhofs gesucht und auf Parkplätze verzichtet. Im Büro achtete man auf sparsamen Papierverbrauch oder sparte Strom. Auch unsere Kurse und Veranstaltungen wurden und werden immer so organisiert, dass sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind. Aber diese einzelnen Engagements wurden nie gross kommuniziert. In den letzten zwei Jahren haben wir von Martinka Bühler ein Nachhaltigkeitskonzept ausarbeiten lassen. So sehen wir klarer, wo unsere Schwerpunkte sind, können uns gezielt verbessern und unser Unternehmen nachhaltig weiterentwickeln. Wir machen nicht einfach etwas auf Nachhaltigkeit, weil das jetzt vom Kunden verlangt wird. Es gehört einfach zur Grundsubstanz des Unternehmens.
Verlangt die Kundschaft Nachhaltigkeit?
Wir spüren das durchaus. Die Kunden fragen vielleicht nicht tagtäglich, aber in jedem Laden jede Woche. Und das Thema wird immer komplexer. Wir verkaufen Kleider und Ausrüstungsgegenstände. Früher mussten wir etwas zu den Kleiderfabriken in China wissen. Heute werden die Waren weltweit produziert, und weltweit werden auch Arbeitsrechte oder Umweltschutzgesetze verletzt, wir müssten also auch zur Fabrik in Norditalien Auskunft geben können.
Wie geht ihr damit um?
Vor vier oder fünf Jahren haben wir unseren Zulieferern erstmals einen Fragebogen geschickt. Jetzt schicken wir mit jedem Vertrag ein Formular und fragen: Was macht ihr, was kann man den Kunden auf ihre Fragen antworten? Auf der Internetplattform „Kompass Nachhaltigkeit“ sind wir mit unserem Fragebogen und der Zusammenarbeit mit der Fair Wear Foundation als Praxis-Beispiel zum Thema nachhaltige Beschaffung online gestellt.
Wir sind sehr transparent. Wir sagen es auch, wenn wir Waren von Firmen und Produzenten beziehen, die noch nicht so weit sind. Multis produzieren in zwanzig bis dreissig Ländern. Es ist eine grosse Aufgabe, bei allen beteiligten Firmen die gewünschten Nachhaltigkeitsstandards zu erreichen, und wir investieren in diese Sensibilisierungsarbeit.
Wie glauben Sie, wird sich Fairness im Tourismus behaupten?
In der westlichen Welt werden Freizeit und Vermögen weiter zunehmen. Damit steigt die Spontaneität und Individualität, man entscheidet am Freitag, was man am Samstag bucht. Aber irgendwann, denke ich, müssen wir den Preis für die Umweltkosten zahlen, und ich glaube, ich erlebe das noch. Ich sehe Kerosinsteuer, Ökosteuern und Landegebühren auf uns zukommen, welche das Reisen verteuern werden. Gleichzeitig entstehen in China und Indien neue Touristenmärkte, das nimmt rasant zu. Das heisst: Ursprüngliche Landschaften werden zu einer immer knapperen Ressource. Ich war vor zehn Jahren in Laos, als einer der ersten Generation von Besuchern. Mit dem lokalen Jeep kam ich in ein lokales Kaff und übernachtete in einem lokalen Haus. Und ich überlegte mir, ob ich damit nicht zum Vorboten würde für irgendeinen Grossveranstalter. Und tatsächlich gibt es jetzt diese vom Tour Operator organisierte Reise an den Ort, und ich habe dafür den Weg gepfadet. Ich war jung und wollte die Welt entdecken. Ich frage mich, wie sich Fairness und Eigenverantwortung gegenüber dem Egoismus durchsetzen können.
Das Reiseportal fairunterwegs.org will ja unter anderem den Marktdruck für verträglichere Reiseformen, von denen auch die Lokalbevölkerung profitiert und die ökologisch verantwortbar sind, aufbauen. Transa ist dabei ein strategischer Partner. Warum?
Uns ist es wichtig, das Reiseportal mitzutragen. Denn unsere Kundschaft ist interessiert und sensibilisiert. Es sind nicht Leute, denen alles ausser dem Preis schnuppe ist und die beim Discounter buchen. Sondern es sind Leute, die naturnahe Individualreisen suchen und bereit sind, sich dafür auch zu informieren. Diese Leute suchen genau die Art von Informationen, welche fairunterwegs.org bietet, und uns als Unternehmen ist diese Art der Sensibilisierungsarbeit wichtig.