Welches Buch führt dich auf die intensivste innere Reise?

Häufig das, welches ich gerade am Lesen bin, wenn es mich ermutigt, über mich und die Welt nachzudenken. Aber es gibt schon Bücher, die mich seit langem begleiten und immer wieder innerlich anregen. Dazu gehört Don Quijote de la Mancha von Miguel de Cervantes Saavedra. Ich erhielt es früh von meinem Vater geschenkt, der in Spanien aufgewachsen war.
Don Quijote macht eine äusserliche und eine innerliche Reise. Er geht als Narr und wird am Ende zum Weisen. Er verändert sich, setzt  sich mit der Welt auseinander, wagt und gewinnt am Schluss! Das Buch fordert seine Leser auf, ihren Traum zu leben,  sich zu exponieren, hinaus in die Welt zu gehen. Es ist auch eine Erzählung voller Humor, man lacht und wird plötzlich inne, dass man über sich selber lacht. Ein zweites Buch, das mich sehr berührt hat, ist das Gilgamesch-Epos.

Bei dem geht es auch um eine Reise.

Das Gilgamesch-Epos wurde im zweiten Jahrtausend vor Christus verfasst und ist sozusagen ein Urstoff der menschlichen Erzähltradition. Parallelen finden sich immer wieder in der Literatur, auch in der Bibel. So kommt beispielsweise das Motiv der Sintflut im Gilgamesch vor. Es ist eine Individuationsgeschichte.  Sie handelt von einem König, der zu zwei Dritteln von Göttern abstammt, ein ungeschlachter Kerl, der auszieht, um unsterblich zu werden. Nach einer Reise voller Gefahren, wird ihm die Erkenntnis zu Teil, dass er nicht durch einen Zauber, sondern als guter König, der Verantwortung übernimmt für seine Leute,  in die Unsterblichkeit eingehen wird. Good Governance macht unsterblich!
Ein weiteres Buch darf aber nicht unerwähnt bleiben, ich lese es immer wieder und liebe es sehr: Nicolas Bouviers L’usage du monde. Es erschien 1963. Nicolas Bouvier war 1953 im Alter von 24 Jahren zusammen mit seinem Freund Thierry Vernet mit einem Fiat Topolino von Genf zu einer Reise aufgebrochen, die ihn über den Balkan bis nach nach Afghanistan führte. Voller Abenteuerlust und Neugier lässt er sich ein auf Land und Leute, bleibt, wo es ihm gefällt, ändert die Route, wenn es ratsam erscheint, erlebt die asiatische Gastfreundschaft und überwindet schwierige, ja gefährliche Situationen. Es ist eine Lektüre, die fast die Reise ersetzt, eine Reise in Länder, die heute nicht mehr existieren oder von Kriegen verwüstet sind. Nicolas Bouvier gehört zu den Schriftstellern, die aus der Reiseliteratur ein grossartiges Genre gemacht haben. 

Nimmst du dein Leben manchmal auch als Reise wahr?

Auf jeden Fall hatte ich nie Angst vor Veränderung. Meine Arbeit als Journalistin brachte mich früh in Kontakt mit "dem Anderen", in der Schweiz und in anderen Kontinenten, mit anderen Kulturen und gesellschaftlichen Schichten. Reisen nach Übersee war früher ein Privileg, das nur wenigen vorbehalten war, denn Fliegen war teuer und Ökotourismus existierte nicht. Es gab kein Handy, Telefonieren war sündhaft teuer, man war tagelang, ja wochenlang auf sich selbst gestellt. Als Journalistin bin ich immer allein gereist, aus Prinzip, was zur Folge hatte, dass ich oft eingeladen wurde und derart die Lebensumstände der Menschen kennen lernte. Auf meiner dreiwöchigen Reise durch  Brasilien 1994 habe ich ein einziges Mal im Hotel übernachtet. Ich bin auch stets in Länder gereist, wo ich nicht auf Dolmetscher angewiesen war. Dazu hatte ich das Glück, dass mir mein Arbeitgeber genügend Zeit für die Recherchen gab, meist war ich eine bis drei Wochen unterwegs. Wenn ich aus Afrika oder Lateinamerika nach Hause kam, war ich immer überrascht, wie grün die Wiesen in der Schweiz waren und wie wenig die Menschen voneinander Notiz nahmen.

Was bedeutet für dich das Reisen?

Grenzen überwinden ist für mich ein Lebenselixier, das war schon in der Kindheit so. Ich fand es immer grossartig, meine Verwandten mütterlicherseits in Italien zu besuchen. Als Kind faszinierte es mich, dass die Dinge plötzlich anders hiessen, die Menschen eine andere Sprache sprachen. Als Journalistin bist Du auf Reisen in einer ganz besonderen Lage, denn Du hast sofort Kontakt zu den Leuten. Die meisten reden gerne von sich, nehmen Dich mit, erleichtern Dir die Kontakte. Aber Reisen war für mich immer mit dem Beruf verbunden, mit dem Wunsch, etwas Unbekanntes, Fremdes, Unerhörtes, Unverständliches verständlich zu machen. Zum Reisen animieren, das wollte ich dabei nie.

Was hat dich dazu bewogen, den arbeitskreis tourismus & entwicklung ins Leben zu rufen?

Eine wichtige Triebfeder in meinem Leben ist die Gerechtigkeit. Schon im Kindergarten hat es mich zutiefst empört, wenn ein anderes Kind oder ich selbst ungerecht behandelt wurden. Warum das so war, weiss ich nicht. In den Sechzigerjahren, der Zeit der Dekolonialisierung Afrikas, habe ich ein Jahr in Afrika gearbeitet und nach einer kurzen Zeit der Euphorie und der Hoffnung auf eine bessere Welt den Beginn des Neokolonialismus erlebt, den Beginn der Korruption auf  beiden Seiten, der Ungerechtigkeit, der neuerlichen Ausbeutung. Aber auch den grossartigen Aufbruch durch die Theologie der Befreiung, eine Bewegung aus Lateinamerika, die uns, die Tiermondistes, stark beeinflusst hat. Ab 1974 war ich bei der Erklärung von Bern angestellt und befasste mich mit den Themen Rassismus und Ethnozentrismus in unserer Gesellschaft. Die Auseinandersetzung mit dem Anderen war damals noch eher theoretisch, weil man in der Schweiz wenig Erfahrung mit anderen Kulturen hatte und noch wenig Menschen aus anderen Kulturen in der Schweiz lebten.
1976 sah ich mit Freunden in Paris im Kino den Film Le soleil des Hyènes (Die Sonne der Hyänen). Der Film des Tunesiers Ridha Behi zeigt, wie der Bau eines Hotels in einem tunesischen Fischerdorf das Leben der lokalen Bevölkerung verändert. Sie verlieren ihre angestammten Erwerbsmöglichkeiten, einige verarmen, andere finden Arbeit im Hotel und werden abhängig vom Tourismus und sind den Launen der Touristen unterworfen. Der Film kritisiert die Touristen nicht, er stellt einfach dar, was geschieht. Meiner Ansicht nach ist der Film „Le soleil des hyènes“ noch heute hochaktuell und eine gute Basis für Tourismuskritik.

Der Film liess mich nicht mehr los und der Zufall wollte es, dass wenig später  die Kommission für Entwicklungsfragen der Uni und ETH Zürich eine Diskussion zum Thema Tourismus in Entwicklungsländern organisierte. Einer der vier Redner war Roger Schawinski, der eine Dissertation zum Tourismus in Guatemala geschrieben hatte. An diesem Abend fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Im Tourismus treffen Menschen aus Europa mit Menschen aus Entwicklungsländern direkt und völlig unvorbereitet aufeinander, der Banker mit dem Fischer, die Logistikerin mit der Bäuerin, die, die haben mit denen, denen es an allem fehlt. Da  fragt es sich, was dann passiert und was die Begegnung auslöst. Werden Vorurteile verstärkt oder vermindert? Lösen die Begegnungen Interesse aus oder Abkehr? Verstärkt der Tourismus das Verständnis für die Probleme zwischen arm und reich? Und was bringt er den armen Ländern ökonomisch?

In den Statuten des arbeitskreises tourismus & entwicklung (akte) wird als Ziel die "Solidarität mit den Bereisten" genannt. Was bedeutet dies, wenn man mit Reisenden hier spricht?

Damals war für mich bald klar: Tourismus ist nicht gut für die Besuchten, weil die Unterschiede zu gross sind. Es gab keine Strukturen, die es den Menschen vor Ort ermöglicht hätten, vom Tourismus nachhaltig zu profitieren. Fast alles Geld aus dem Tourismus floss in die Industrieländer zurück, weil fast alles im Besitz von Europäern war, Fluglinien, Reiseagenturen, Hotels. Die Möbel und fast das ganze Essen wurden importiert. Anderseits verloren die lokalen Bevölkerungen ihre angestammten Einkommensmöglichkeiten, die Fischer den Strand, die Bauern das Wasser, und ihre gesellschaftlichen Strukturen gerieten unter Stress. Wir wollten also nicht den Tourismus verbessern, unser Fokus lag auf den Auswirkungen des Tourismus auf die Menschen und die Länder der Tourismusindustrie. Deshalb konnte nur Vollmitglied werden im Arbeitskreis, wer diese Philosophie teilte. Reiseagenturen wurden als nicht stimmberechtigte Mitglieder aufgenommen.

Wie siehst du das heute?

Es muss auch heute in erster Linie um die Solidarität mit den Menschen vor Ort gehen. Aber die Branche hat sich verändert wie wohl keine andere. Früher wurden Vorurteile nach arrangierten Reisen eher verstärkt. Heute, glaube ich, ist es eher umgekehrt. In den siebziger- und achtziger Jahren trafen die Touristen im Süden fast immer auf Menschen, die arm und ungeschult waren. Heute erleben sie in Afrika auch einheimische Ärztinnen, Lehrerinnen, Banker, Manager, Hotelbesitzer etc. Es entstehen überall Mittelschichten. Deshalb finde ich es gerechtfertigt, heute Reisende anzusprechen. Damals in den Anfängen des Arbeitskreises reisten wenige viel, Reisen war teuer. Unsere Idealvorstellung war, dass viele wenig reisen sollten. Einmal eine grosse Reise im Leben, oder alle zehn Jahre! Das ist lange her! Aber ich sehe auch, dass heute viele Touristen gut vorbereitet auf Reisen gehen, dass sie lokale Unterkünfte bevorzugen und  sich auch ungewohnten Situationen aussetzen. Auf der anderen Seite hat der Superluxustourismus zugenommen, entsprechend der Schere, die sich in der Gesellschaft zwischen oben und unten öffnet.

Wie gefällt dir fairunterwegs.org

Wer hier sucht, findet umfassende Infos, die stimmen und mit Witz daherkommen. Auch wer nur schnell reinschaut, kommt auf seine Rechnung. Wichtig finde ich, dass ihr nicht moralisiert. Besonders gefallen mir die Faustregeln. Sie sind einfach und geben hilfreiche Anhaltspunkte. Ausserdem mag ich die Film- und Literaturhinweise. Der Newsletter ist manchmal etwas sehr umfangreich, da müsst ihr aufpassen, dass die Leser nicht von der Fülle abgeschreckt werden.
Miguel de Cervantes Saavedra: Don Quijote (2 Bände, illustriert). Anaconda, 2016. 1584 Seiten, CHF 19.90, EUR 14.95. ISBN 978-3-7306-0403-8
Stefan M. Maul: Das Gilgamesch-Epos. Beck-Verlag, 2014, 192 Seiten, CHF 28:90, EUR 19.90, ISBN 978-3-406-52870-5
Nicolas Bouvier: Die Erfahrung der Welt. Lenos Pocket, 2010. 440 Seiten, CHF 19.90, EUR 16,00. ISBN 978-3-85787-738-4       

Bei dem geht es auch um eine Reise.

Das Gilgamesch-Epos wurde im zweiten Jahrtausend vor Christus verfasst und ist sozusagen ein Urstoff der menschlichen Erzähltradition. Parallelen finden sich immer wieder in der Literatur, auch in der Bibel. So kommt beispielsweise das Motiv der Sintflut im Gilgamesch vor. Es ist eine Individuationsgeschichte.  Sie handelt von einem König, der zu zwei Dritteln von Göttern abstammt, ein ungeschlachter Kerl, der auszieht, um unsterblich zu werden. Nach einer Reise voller Gefahren, wird ihm die Erkenntnis zu Teil, dass er nicht durch einen Zauber, sondern als guter König, der Verantwortung übernimmt für seine Leute,  in die Unsterblichkeit eingehen wird. Good Governance macht unsterblich!
Ein weiteres Buch darf aber nicht unerwähnt bleiben, ich lese es immer wieder und liebe es sehr: Nicolas Bouviers L’usage du monde. Es erschien 1963. Nicolas Bouvier war 1953 im Alter von 24 Jahren zusammen mit seinem Freund Thierry Vernet mit einem Fiat Topolino von Genf zu einer Reise aufgebrochen, die ihn über den Balkan bis nach nach Afghanistan führte. Voller Abenteuerlust und Neugier lässt er sich ein auf Land und Leute, bleibt, wo es ihm gefällt, ändert die Route, wenn es ratsam erscheint, erlebt die asiatische Gastfreundschaft und überwindet schwierige, ja gefährliche Situationen. Es ist eine Lektüre, die fast die Reise ersetzt, eine Reise in Länder, die heute nicht mehr existieren oder von Kriegen verwüstet sind. Nicolas Bouvier gehört zu den Schriftstellern, die aus der Reiseliteratur ein grossartiges Genre gemacht haben. 

Nimmst du dein Leben manchmal auch als Reise wahr?

Auf jeden Fall hatte ich nie Angst vor Veränderung. Meine Arbeit als Journalistin brachte mich früh in Kontakt mit "dem Anderen", in der Schweiz und in anderen Kontinenten, mit anderen Kulturen und gesellschaftlichen Schichten. Reisen nach Übersee war früher ein Privileg, das nur wenigen vorbehalten war, denn Fliegen war teuer und Ökotourismus existierte nicht. Es gab kein Handy, Telefonieren war sündhaft teuer, man war tagelang, ja wochenlang auf sich selbst gestellt. Als Journalistin bin ich immer allein gereist, aus Prinzip, was zur Folge hatte, dass ich oft eingeladen wurde und derart die Lebensumstände der Menschen kennen lernte. Auf meiner dreiwöchigen Reise durch  Brasilien 1994 habe ich ein einziges Mal im Hotel übernachtet. Ich bin auch stets in Länder gereist, wo ich nicht auf Dolmetscher angewiesen war. Dazu hatte ich das Glück, dass mir mein Arbeitgeber genügend Zeit für die Recherchen gab, meist war ich eine bis drei Wochen unterwegs. Wenn ich aus Afrika oder Lateinamerika nach Hause kam, war ich immer überrascht, wie grün die Wiesen in der Schweiz waren und wie wenig die Menschen voneinander Notiz nahmen.

Was bedeutet für dich das Reisen?

Grenzen überwinden ist für mich ein Lebenselixier, das war schon in der Kindheit so. Ich fand es immer grossartig, meine Verwandten mütterlicherseits in Italien zu besuchen. Als Kind faszinierte es mich, dass die Dinge plötzlich anders hiessen, die Menschen eine andere Sprache sprachen. Als Journalistin bist Du auf Reisen in einer ganz besonderen Lage, denn Du hast sofort Kontakt zu den Leuten. Die meisten reden gerne von sich, nehmen Dich mit, erleichtern Dir die Kontakte. Aber Reisen war für mich immer mit dem Beruf verbunden, mit dem Wunsch, etwas Unbekanntes, Fremdes, Unerhörtes, Unverständliches verständlich zu machen. Zum Reisen animieren, das wollte ich dabei nie.

Was hat dich dazu bewogen, den arbeitskreis tourismus & entwicklung ins Leben zu rufen?

Eine wichtige Triebfeder in meinem Leben ist die Gerechtigkeit. Schon im Kindergarten hat es mich zutiefst empört, wenn ein anderes Kind oder ich selbst ungerecht behandelt wurden. Warum das so war, weiss ich nicht. In den Sechzigerjahren, der Zeit der Dekolonialisierung Afrikas, habe ich ein Jahr in Afrika gearbeitet und nach einer kurzen Zeit der Euphorie und der Hoffnung auf eine bessere Welt den Beginn des Neokolonialismus erlebt, den Beginn der Korruption auf  beiden Seiten, der Ungerechtigkeit, der neuerlichen Ausbeutung. Aber auch den grossartigen Aufbruch durch die Theologie der Befreiung, eine Bewegung aus Lateinamerika, die uns, die Tiermondistes, stark beeinflusst hat. Ab 1974 war ich bei der Erklärung von Bern angestellt und befasste mich mit den Themen Rassismus und Ethnozentrismus in unserer Gesellschaft. Die Auseinandersetzung mit dem Anderen war damals noch eher theoretisch, weil man in der Schweiz wenig Erfahrung mit anderen Kulturen hatte und noch wenig Menschen aus anderen Kulturen in der Schweiz lebten.
1976 sah ich mit Freunden in Paris im Kino den Film Le soleil des Hyènes (Die Sonne der Hyänen). Der Film des Tunesiers Ridha Behi zeigt, wie der Bau eines Hotels in einem tunesischen Fischerdorf das Leben der lokalen Bevölkerung verändert. Sie verlieren ihre angestammten Erwerbsmöglichkeiten, einige verarmen, andere finden Arbeit im Hotel und werden abhängig vom Tourismus und sind den Launen der Touristen unterworfen. Der Film kritisiert die Touristen nicht, er stellt einfach dar, was geschieht. Meiner Ansicht nach ist der Film „Le soleil des hyènes“ noch heute hochaktuell und eine gute Basis für Tourismuskritik.

Der Film liess mich nicht mehr los und der Zufall wollte es, dass wenig später  die Kommission für Entwicklungsfragen der Uni und ETH Zürich eine Diskussion zum Thema Tourismus in Entwicklungsländern organisierte. Einer der vier Redner war Roger Schawinski, der eine Dissertation zum Tourismus in Guatemala geschrieben hatte. An diesem Abend fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Im Tourismus treffen Menschen aus Europa mit Menschen aus Entwicklungsländern direkt und völlig unvorbereitet aufeinander, der Banker mit dem Fischer, die Logistikerin mit der Bäuerin, die, die haben mit denen, denen es an allem fehlt. Da  fragt es sich, was dann passiert und was die Begegnung auslöst. Werden Vorurteile verstärkt oder vermindert? Lösen die Begegnungen Interesse aus oder Abkehr? Verstärkt der Tourismus das Verständnis für die Probleme zwischen arm und reich? Und was bringt er den armen Ländern ökonomisch?

In den Statuten des arbeitskreises tourismus & entwicklung (akte) wird als Ziel die "Solidarität mit den Bereisten" genannt. Was bedeutet dies, wenn man mit Reisenden hier spricht?

Damals war für mich bald klar: Tourismus ist nicht gut für die Besuchten, weil die Unterschiede zu gross sind. Es gab keine Strukturen, die es den Menschen vor Ort ermöglicht hätten, vom Tourismus nachhaltig zu profitieren. Fast alles Geld aus dem Tourismus floss in die Industrieländer zurück, weil fast alles im Besitz von Europäern war, Fluglinien, Reiseagenturen, Hotels. Die Möbel und fast das ganze Essen wurden importiert. Anderseits verloren die lokalen Bevölkerungen ihre angestammten Einkommensmöglichkeiten, die Fischer den Strand, die Bauern das Wasser, und ihre gesellschaftlichen Strukturen gerieten unter Stress. Wir wollten also nicht den Tourismus verbessern, unser Fokus lag auf den Auswirkungen des Tourismus auf die Menschen und die Länder der Tourismusindustrie. Deshalb konnte nur Vollmitglied werden im Arbeitskreis, wer diese Philosophie teilte. Reiseagenturen wurden als nicht stimmberechtigte Mitglieder aufgenommen.

Wie siehst du das heute?

Es muss auch heute in erster Linie um die Solidarität mit den Menschen vor Ort gehen. Aber die Branche hat sich verändert wie wohl keine andere. Früher wurden Vorurteile nach arrangierten Reisen eher verstärkt. Heute, glaube ich, ist es eher umgekehrt. In den siebziger- und achtziger Jahren trafen die Touristen im Süden fast immer auf Menschen, die arm und ungeschult waren. Heute erleben sie in Afrika auch einheimische Ärztinnen, Lehrerinnen, Banker, Manager, Hotelbesitzer etc. Es entstehen überall Mittelschichten. Deshalb finde ich es gerechtfertigt, heute Reisende anzusprechen. Damals in den Anfängen des Arbeitskreises reisten wenige viel, Reisen war teuer. Unsere Idealvorstellung war, dass viele wenig reisen sollten. Einmal eine grosse Reise im Leben, oder alle zehn Jahre! Das ist lange her! Aber ich sehe auch, dass heute viele Touristen gut vorbereitet auf Reisen gehen, dass sie lokale Unterkünfte bevorzugen und  sich auch ungewohnten Situationen aussetzen. Auf der anderen Seite hat der Superluxustourismus zugenommen, entsprechend der Schere, die sich in der Gesellschaft zwischen oben und unten öffnet.

Wie gefällt dir fairunterwegs.org

Wer hier sucht, findet umfassende Infos, die stimmen und mit Witz daherkommen. Auch wer nur schnell reinschaut, kommt auf seine Rechnung. Wichtig finde ich, dass ihr nicht moralisiert. Besonders gefallen mir die Faustregeln. Sie sind einfach und geben hilfreiche Anhaltspunkte. Ausserdem mag ich die Film- und Literaturhinweise. Der Newsletter ist manchmal etwas sehr umfangreich, da müsst ihr aufpassen, dass die Leser nicht von der Fülle abgeschreckt werden.
Miguel de Cervantes Saavedra: Don Quijote (2 Bände, illustriert). Anaconda, 2016. 1584 Seiten, CHF 19.90, EUR 14.95. ISBN 978-3-7306-0403-8
Stefan M. Maul: Das Gilgamesch-Epos. Beck-Verlag, 2014, 192 Seiten, CHF 28:90, EUR 19.90, ISBN 978-3-406-52870-5
Nicolas Bouvier: Die Erfahrung der Welt. Lenos Pocket, 2010. 440 Seiten, CHF 19.90, EUR 16,00. ISBN 978-3-85787-738-4