Welches Buch entführt Sie auf die schönste Reise?

"Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück" von François Lelord. Hector, ein gestandener Psychiater, ist unzufrieden, weil er es nicht schafft, die Menschen glücklich zu machen. Er geht auf eine Reise und fragt die verschiedensten Personen, ob sie glücklich sind. Das Buch ist einfach geschrieben und spricht von einfachen Dingen. Es sagt uns auch, dass es schwierig werden kann, wenn wir das Glücklich-Sein zu unserem Ziel machen.

Sind Sie glücklich?

Ja sehr. Ich fühle mich durch mein Engagement nützlich, ich werde von meiner Familie geliebt so wie ich bin und empfinde meine Arbeit als Privileg, auch weil ich frei arbeiten kann. Ich kann die Richtung vorgeben, die Philosophie. Ich kann das leben, was mir wichtig ist.

Auch wenn Sie heute im Alltag Dossiers lesen statt tauchen?

Das ist ja gewissermassen auch ein Abtauchen – statt ins Meer halt einfach in interessante Themenbereiche. Wir arbeiten viel mit Wissenschaftlern zusammen und pflegen einen kooperativen Ansatz. Mit Dialog und Verhandlungen und einem Weg in kleinen Schritten. Wir wollen ja nicht einfach auf den Putz hauen und kurzfristige Erfolge feiern, sondern nachhaltig die politischen Entscheidungsträger dazu bringen, die Meeressäuger zu schützen. Mit unserem pragmatischen Ansatz erreichen wir wenig aufs Mal, aber viel hinsichtlich nachhaltiger Verbesserungen.

Was wollen Sie an der 60. Jahrestagung der Internationalen Walfangkommission erreichen?

Die verschiedenen NGOs, die sich für den Walschutz einsetzen, möchten einen Kuhhandel, wie ihn Japan mit dem so genannten "Küstenwalfang" vorschlägt, verhindern. Die Japaner wollen auf einen Teil ihrer selbst bestimmten Fangquote in der Antarktis verzichten, wenn sie im Gegenzug die Erlaubnis erhalten, Wale vor der eigenen Küste zu töten. Damit könnte das Walfang-Moratorium umgangen werden. Ausserdem möchten wir das Thema der Schadstoffbelastung von Walfleisch in die Diskussion einbringen. Das Fleisch schadet denen, die es essen, was auch zeigt, dass die Wale in einem ungesunden Ozean leben müssen. Wir argumentieren, dass für das Fleisch, das Menschen auch aus gesundheitlichen Gründen nicht essen sollten, kein Wal getötet werden soll.

Ist OceanCare mit den Delegierten der Schweizer Regierung einig?

Die Schweiz ist nicht per se gegen den Walfang. Sie versucht zwischen den Walfangnationen und den Walfanggegnern zu vermitteln und sucht Kompromisse. Das ist schwierig, denn die Walfangnationen unterlaufen die Vereinbarungen, wo sie nur können: Sie wollen keine Beobachter, manipulieren die Rapporte, weigern sich, DNA-Datenbanken der getöteten Wale offen zu legen, was zumindest Rückschlüsse auf die Arten und Populationen zulassen würde.

Was bedeutet für Sie fair unterwegs sein?

Es bedeutet so zu reisen, dass die Einheimischen auch etwas davon haben. Aber auch nachhaltig zu sein auf Reisen. Deshalb war ich nicht mehr auf den Malediven – obwohl es für mich der schönste Ort zum Tauchen war, den ich je erlebt habe. Aber auf den Malediven werden Riffe abgebaut, damit dort Häuser erstellt werden können. Die Abfallbewirtschaftung ist auch an Grenzen gestossen. Früher konnte man zum Beispiel Balair den Abfall am Flughafen in Male wieder mitgeben. Jetzt wird er, wie ich gehört habe, auf den Inseln verbrannt. Ich schaue auch vermehrt auf die Ökobilanz auf Reisen und kompensiere den CO2-Ausstoss. Früher reiste ich fürs Vergnügen, heute meist geschäftlich. Und ich geniesse die Zeit, die ich im und ums Haus verbringen kann, oder die Spaziergänge mit unserem Hund.

Wie gefällt Ihnen das Reiseportal fairunterwegs.org?

Es gefällt mir so gut, dass wir auf der OceanCare-Homepage einen Link gesetzt haben. Ich werde auch gerne mal einen Beitrag von fairunterwegs.org auf Oceancare.org übernehmen. Wer sich für die Fairness gegenüber Meeressäugern interessiert, dem sollte auch Fairness auf Reisen etwas bedeuten und umgekehrt. Ich wünsche mir zum Beispiel, das Reisende auf Besuche in Delfinarien verzichten und sich stattdessen im Voraus kundig machen, wo sie die Wale auf seriösen Whale Watching Ausflügen erleben können.

Es muss ein magischer Moment gewesen sein mit den Delfinen…

Ja, das war es. Dazu fällt mir ein weiteres Buch ein, von Juri Rytchëu "Wenn die Wale fortziehen". Der Autor von der Tschuktschen Halbinsel, der übrigens am 14. Mai dieses Jahres verstorben ist, geht von der Schöpfungslegende der Tschuktschen aus: Nau ist die Urmutter des Menschengeschlechts. Aus Liebe zu ihr wird Rëu, der Wal, zum Menschen und zeugt mit ihr Waljunge und Menschenkinder. Nach dieser Schöpfungslegende der Tschuktschen sind Menschen und Wale Brüder. Im Buch geht es auch darum, wie weit sich die Menschen von dieser Gemeinschaft von Mensch und Wal entfernt haben. Letztes Jahr wurden dort 57 Grauwale gefangen: Mit 297 Harpunen, über 3000 Kugeln, 50 Armbrustpfeilen. Da schliesst sich der Bogen zum ersten Buch über das Glück: Wo Glück mit Macht gleichgesetzt wird, hat man sich weit vom Ursprung entfernt.
François Lelord: Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück; Piper Verlag, München 2004, 192 Seiten, SFr. 30.60, Euro 16.90; ISBN 3-492-04528-6, EAN: 9783492045285
Juri Rytchëu: Wenn die Wale fortziehen; Aus dem Russischen von Eveline Passet, Unionsverlag, 2010, 144 Seiten, Hardcover, 136 Seiten, SFr. 16.90, Euro 8.90, ISBN 3-293-20481-3