Immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten verlangen heute nach Produkten, die fair und ökologisch hergestellt werden. Nicht nur im Alltag, sondern auch in den Ferien. Doch braucht es noch viel, bis der Faire Handel auch im Tourismus den Durchbruch geschafft hat.

Stellen Sie sich vor, Sie könnten heute im Reisebüro so einfach faire Ferien buchen, wie Sie im Supermarkt oder im Weltladen um die Ecke fairen Kaffee, faire Bananen oder Blumen kaufen. Das ist Zukunftsmusik. Eine Zukunftsmusik jedoch, die bei den Reisenden auf großen Anklang stoßen würde. In einer anfangs 2004 durchgeführten Umfrage äusserten 80 Prozent der über 1’000 befragten britischen Reisenden den Wunsch, bei einem Tourismusunternehmen buchen zu können, das faire Arbeitsbedingungen garantiert, die Umwelt schützt und die soziale Entwicklung in den Zielgebieten fördert. In einer vergleichbaren Studie drei Jahre zuvor waren es erst 52 Prozent. Bei verschiedenen Umfragen in der Schweiz hat die überwiegende Mehrheit der Reisenden ihr Interesse für
umweltverträglichere Ferien bekundet und sich bereit erklärt, für diesen Mehrwert auch einen Aufpreis in Kauf zu nehmen.

Fünf Eckpunkte
Noch allerdings kann die Bereitschaft der Reisenden nicht auf die Probe gestellt werden, finden sie doch in den gängigen Reisekatalogen kaum klare Angaben über die Auswirkungen der Ferienangebote auf die Umwelt und die Gesellschaft in den Gastländern, die ihnen eine griffige Entscheidungshilfe beim Buchen liefern würden. Schade, denn die Kriterien, nach denen ein faires Tourismusangebot beurteilt werden könnte, stehen schon.
Nichtregierungsorganisationen und Tourismusinitiativen aus Nord und Süd, darunter auch der arbeitskreis tourismus und entwicklung, haben in sorgfältiger
Konzeptarbeit folgende Eckpunkte eines fairen Reiseangebotes festgeschrieben:

  • Existenzsichernde Löhne und faire Arbeitsbedingungen für die Angestellten im
    Tourismus sowie konkrete Massnahmen zur Förderung von Frauen und zum Schutz von Kindern
  • Berücksichtigung von landwirtschaftlichen Produkten, Baumaterialien,
    Transportunternehmen, Souvenirs oder Kulturdarbieten aus der Region, damit sich das Einkommen aus dem Tourismus breiter verteilt
  • schonende Nutzung und gerechte Verteilung der knappen natürlichen Ressourcen wie Wasser, Achtung der Lebensgrundlagen sowie des globalen Klimas
  • faire, vollumfänglich kostendeckende Preise, die eine nachhaltige Entwicklung der gesamten Tourismusregion unterstützen
  • verlässliche partnerschaftliche Beziehungen zwischen allen Beteiligten auf der Basis der Menschenrechte und Selbstbestimmung der BewohnerInnen in den
  • Tourismusgebieten, Aufbau eines fairen interkulturellen Austausches

Branche und Politik gefordert
Mit diesen Eckpunkten eröffnet sich für die Reisebranche ein ganz neues Feld, ihre Ausschreibungen – auch ohne Label, im Sinne einer detaillierten Angebotsdeklaration – innovativ zu gestalten und zu bewerben. Damit können sie eine Transparenz schaffen, die heute eigentlich längst überfällig ist: Weshalb sollten, wo heutzutage jedes Joghurt sein Verfallsdatum und die Bestandteile seiner Zusammensetzung auf seiner Packung ausweisen und jedes «Güggeli» oder Steak den Konsument/-innen beim Kauf Aufschluss über sein tiergerechtes Vorleben geben muss, nicht auch die Reisenden klare Auskunft über die elementarsten Bedingungen, die ihre «schönsten Wochen im Jahr» auszeichnen, erhalten?
Auch in der Politik ergeben sich für Abgeordnete und Behörden neue lohnenswerte Profilierungsmöglichkeiten, geht es doch um die Zukunftsfähigkeit der Ferien, die letztlich allen BürgerInnen nah am Herzen liegen. Noch gibt es aber, insbesondere im Bereich der Auslandsreisen oder der Entwicklungszusammenarbeit, kaum taugliche Lenkungsinstrumente, die den Fairen Handel im Tourismus fördern könnten. Mehr noch: Im Windschatten der Liberalisierung der öffentlichen Dienste wie Bildung, Gesundheit oder Wasserversorgung verlangt die Welthandelsorganisation WTO praktisch unbemerkt von der Öffentlichkeit von den Entwicklungsländern eine weitere Öffnung ihrer Märkte für den Tourismus. Das heißt: Die großen Tourismuskonzerne aus dem Norden sollen zu südlichen Märkten den gleichen Zugang erhalten wie lokale kleine Reiseveranstalter. Und sie sollen die gleichen Rechte genießen wie diese – ganz gemäß den WTO-Prinzipien «Marktzugang» und «Inländerbehandlung». Mit diesen starren Prinzipien der Welthandelsregeln drohen nachhaltige Initiativen im Tourismus, die effektiv der lokalen Bevölkerung zugute kommen, gegenüber der übermächtigen internationalen Konkurrenz unterzugehen. Sie stellen außerdem die Handlungsfähigkeit lokaler und nationaler Behörden in Frage, die die Rahmenbedingungen für die Förderung von fairen und nachhaltigen Tourismusinitiativen festlegen können. Mit einem neuen Positionspapier gelangten deshalb die Erklärung von Bern und der arbeitskreis tourismus & entwicklung Basel im Herbst 2004 an die Schweizer Behörden und PolitikerInnen. Sie wollen von ihnen wissen, wie sich die Liberalisierungsforderungen der Schweizer Regierung im Rahmen der WTO-OMC Dienstleistungsverhandlungen zum Tourismus mit den erklärten Zielen der Schweizer Entwicklungspolitik, namentlich zur Bekämpfung der Armut und im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung, verhalten. Gleichzeitig fordern sie die Schweizer Regierung zu einer kohärenten Politik für eine nachhaltige, faire Tourismusentwicklung auf.

Aktive und kritische Konsument/-innen gefragt
Um Privatwirtschaft und Politik zum fairen Handeln zu bewegen, braucht es allerdings den Druck der Konsument/-innen: Über ihren Einkaufskorb, mit Petitionen und Postkartenaktionen haben sie letztlich Anbieter und Anbieterinnen im Lebensmittel-, Textil und Sportbereich zu artgerechten, ökologischen und fairen Unternehmensverhalten gebracht und fairere politische Rahmenbedingungen bewirkt. Das wird beim Reisen nicht anders sein.
Deshalb: Die Fortschritte des Fairen Handels im Tourismus aufmerksam verfolgen, selber beim Buchen kritisch nachfragen, was ein Angebot der Bevölkerung im Zielgebiet bringt, und vor allem auch die fünf einfachen Faustregeln des Fairen Handels ins eigene Handgepäck packen und unterwegs beherzigen – und dann die Ferien so richtig unbeschwert genießen, im Wissen darum, dass auch die Gastgeber/-innen auf ihre Kosten kommen und ihre
Lebensgrundlagen geschont werden.

Christine Plüss, arbeitskreis tourismus & entwicklung
Beitrag für „Wendekreis“ Nr. 3, Schwerpunktheft „Reisen mit Respekt“, März 2005