Fairtrade-Kaffee aus dem «Land der Kokospalmen“
Indien ist mit einer jährlichen Produktion von rund 290‘000 Tonnen das sechstgrösste Kaffeeproduktionsland der Welt noch vor Mexiko und Guatemala. Da aber der grösste Teil der Produktion im Land selbst konsumiert wird – vor allem im Süden des Landes ist Kaffee beliebt – ist Indien nicht bekannt für seinen Kaffee. Hinzu kommt, dass der grössere Teil der Produktion auf die auf dem Weltmarkt weniger begehrte Sorte "Robusta" entfällt. Nachdem die Schweizer Kaffeeröster wachsendes Interesse an Fairtrade-Kaffees mit "exotischem" Ursprung zeigen, nutzte ich eine Südindienreise für einen Abstecher ins Kaffee-Anbaugebiet von Kerala – bisher für uns ein „weisser Fleck“ auf der Fairtrade-Landkarte.
Nicht zu Unrecht wird der für indische Verhältnisse kleine Bundesstaat Kerala (32 Mio. Einwohner) von der eigenen Tourismusbehörde als "God’s own Country" vermarktet, denn die landschaftliche Schönheit und die Herzlichkeit der Menschen sind legendär. Doch auch in diesem vergleichsweise wohlhabenderen Teil Indiens sind die meisten Menschen arm und verfügen nur über sehr wenig fruchtbares Land. Doch speziell das bergige Hinterland von Kerala bietet beste Anbaubedingungen für Tee, Kaffee, Kakao und Gewürze und so kann der faire Handel diesen Menschen eine Alternative bieten und zur Verbesserung ihrer Lebensumstände beitragen.
Verbesserungen bereits dank Zertifizierungsprozess
Einige hundert Kleinproduzenten haben diese Chance gepackt und sich auf demokratische Art und Weise organisiert, so dass sie sich erfolgreich für eine Fairtrade-Zertifizierung bewerben konnten. Zu diesen gehört die "Golden Mist Organic Coffee Farmers Society" mit Sitz in Nirmalacity im Distrikt Idukki mit etwa 400 Mitgliedern in 24 Dörfern. Zwar konnte die erst seit Mitte 2010 zertifizierte Organisation erst einen kleinen Teil ihres Kaffees zu Fairtrade-Bedingungen verkaufen, doch die befragten Mitglieder meinten einhellig, dass ihnen bereits der Zertifizierungsprozess als solcher Verbesserungen gebracht hätte, indem sie nun über ein umfassendes Umweltmanagement verfügten, dank Training die Qualität ihres Kaffees verbessern konnten und wegen der besseren Organisation in einer stärkeren Verhandlungsposition seien.
Besonders beeindruckend war die interne Organisation bei der zweiten besuchten Kooperative, der "Manarcadu Social Service Society" (MASS), die bereits 2001 gegründet wurde, 2006 die Bio- und ebenfalls 2010 die Fairtrade-Zertifizierung erreichte. Stolz konnte uns jeder besuchte Bauer ein Betriebsheft vorweisen, in welchem alle Angaben über seinen Betrieb, wie die Fläche, die Anzahl Kaffee-Sträucher, die produzierten Mengen der verschiedenen Gewürze etc. vermerkt sind. Auch konnte für jeden auch noch so kleinen Verkauf an die Kooperative (oft nur einige Kilogramme Pfeffer, Zimt oder Muskatnuss) eine detaillierte Quittung vorgewiesen werden. Zwar sind die Betriebe oft kleiner als eine Hektare und die Bauern entsprechend sehr arm, doch das Bildungsniveau ist dank grosser Anstrengungen der Regierung erstaunlich hoch. In Kerala gibt es nur wenige Analphabeten und alle Kinder gehen zur Schule. Wir lernten Kleinbauernfamilien kennen, deren Kinder sogar eine höhere Ausbildung begonnen haben (oft in Informatik). Trotzdem bleiben sie mit dem Land eng verbunden und sehen dort auch eine Zukunft, nicht zuletzt dank dem fairen Handel.
Modernste Kommunikationstechnologien
Eindrücklich war auch wie die moderne Kommunikationstechnologie bis in die hintersten Winkel Indiens dringt und zwar mit höchst spannenden Effekten. So hat zum Beispiel MASS ein internes SMS-Meldesystem aufgebaut, durch welches die regionalen Gruppenleiterinnen und –leiter der Organisation zweimal wöchentlich die aktuellen Marktpreise für Kaffee und die wichtigsten Gewürze erhalten (bio und konventionell). Auf diese Weise kennen stets alle Mitglieder die aktuellen Preise und können so auch bei jenen Produktionsmengen bessere Preise lösen, die sie wegen noch fehlender Absatzmöglichkeiten nicht der Organisation abgeben können, sondern an lokale Händler verkaufen müssen. Kurz: Sie können weniger leicht "über den Tisch gezogen" werden. Dies ist genau die Art von Entwicklung die Fairtrade erzielen will: Eine Stärkung der Kleinbauern und ihrer gemeinsamen Organisation.
Eine konkrete Folge des Besuchs von Max Havelaar Schweiz bei der Organisation MASS war, dass deren Präsident im Rahmen einer Europareise seinerseits einen Abstecher in die Schweiz machte und eine ganze Anzahl von Kaffee-Röstern treffen konnte, von denen einige Interesse am Kaffee aus Kerala zeigten. Wer weiss: Vielleicht können Sie bald einmal auch Fairtrade-Kaffee aus "dem Land Gottes" geniessen.
Dieser Beitrag vom August 2011 ist der Website von Max Havelaar Schweiz, www.maxhavelaar.ch entnommen. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.