Fatou Diome: Der Bauch des Ozeans. Roman
(Le ventre de l’Atlantique, 2003)
Aus dem Französischen von Brigitte Grosse
Diogenes Verlag, Zürich, 2004
274 Seiten, Fr. 32.90
ISBN 3-257-06445-4
Einer, der aus Frankreich zurückkehrt, kriegt jede. Im Fischerdorf auf der Insel Niodir vor Senegal glaubt man den grossspurigen Erzählungen der Heimkehrer. Wie genau die Arbeitssuchenden im Gelobten Land überlebt haben, fragt keiner. «La France» reimt sich auf «la chance» – das genügt.
Madické tanzt diesbezüglich etwas aus der Reihe. Er schwärmt für Italien, genauer: für den AC Milan und dessen Star Paolo Maldini. Madické träumt von einer Fussballerkarriere in Europa, reich und berühmt will er werden. Deshalb hofft er auf die Hilfe seiner Halbschwester Salie, die in Strassburg lebt. Sie hat ihre liebe Mühe, dem Jugendlichen die Illusionen zu nehmen und ihm klarzumachen, dass Europa nicht das Fussballparadies ist, das er aus dem Fernseher kennt. Doch in den vielen R-Telefongesprächen, die Madické mit Salie führt, will er von Fremdenhass, Sans-Papiers und Abschiebung nichts hören. Salie lebt schliesslich auch in Frankreich, wieso sollte für ihn eine Auswanderung nicht möglich sein?
Fatou Diome schildert die realitätsfernen Träume vieler Afrikaner und im Gegenzug die Ausbeutung und Verfolgung von Illegalen in Frankreich. Eindrücklich gelingen ihr bei der Beschreibung der senegalesischen Dorfgemeinschaft die Geschichten von Täuschung und Selbsttäuschung der Rückkehrer.
Die Ich-Erzählerin Salie schafft es zwar – genau wie die Autorin – in Europa Fuss zu fassen. Die Sehnsucht nach Afrika, das Zerrissensein zwischen zwei Welten aber bleibt.
Katrin Ruchti-Fehr
Weitere Literaturtipps finden Sie bei Literatur glObal