Lieber Dr. Sommerferien

Etwas, auf das ich immer wieder stosse, ist mir nicht ganz klar. Warum legt man den Leuten ans Herz, wenn sie schon Fliegen dann sollten sie länger am Aufenthaltsort sein? Aus ökologischer Sicht macht dies ja nicht wirklich Sinn oder? 

Lieber Gruss
Naemi Wälchli (Suerteria)

Liebe Naemi Wälchli

Danke für Ihre Frage, die durchaus berechtigt ist. Tatsächlich taucht die Empfehlung "je weiter man verreist, desto länger sollte man bleiben" häufig im Kontext von Nachhaltigkeit und Reisen auf. Leider wird nur selten ausgeführt, warum dies sinnvoll ist. 

Natürlich haben Sie recht: Wenn man nur den CO2-Ausstoss der An- und Rückreise anschaut, spielt es tatsächlich keine Rolle, wie viel Zeit man am Zielort verbringt: der CO2-Ausstoss bleibt derselbe. Diese Betrachtung greift meiner Meinung nach aber viel zu kurz. Denn die Nachhaltigkeit einer Reise lässt sich nicht einfach nur auf deren CO2-Ausstoss reduzieren.

Folgende Argumente sprechen für die Formel "je weiter weg, desto länger bleiben":

1. Länger und seltener statt kürzer und öfter: Die viel zu niedrigen Flugpreise verleiten seit einiger Zeit dazu, immer häufiger und für immer kürzere Ausflüge ins Flugzeug zu steigen. Dass dies alles andere als nachhaltig ist, ist bekannt. Wer sich hingegen die oben genannte Empfehlung "je weiter weg, desto länger bleiben" zu Herzen nimmt, verreist mit grosser Wahrscheinlichkeit automatisch weniger oft per Flugzeug. Und zwar aus einem einfachen Grund: Die Urlaubstage pro Jahr sind limitiert (vom Budget mal ganz zu schweigen). Flugreisen werden also wieder zu einem kostbareren Gut, wenn sie nur dann gemacht werden, wenn mehrere Wochen Urlaub zur Verfügung stehen. Und dies ist wiederum ganz im Sinne der Nachhaltigkeit.

2. Reisebedürfnis nachhaltiger stillen: Ich bin davon überzeugt, dass ein Reiseerlebnis langfristig prägender und befriedigender ist, wenn es nicht nur aus "Been there, done that" (Slogan einer Fluggesellschaft) besteht. Wer am Aufenthaltsort mehr Zeit verbringt, erhält die Chance, tiefer in eine lokale Kultur einzutauchen und eine engere Verbindung zu den Menschen vor Ort aufzubauen. Solche Erfahrungen stillen das "Reisebedürfnis" nachhaltiger, weshalb die Verlockung, nach der Heimkehr gleich wieder eine Flugreise zu planen, kleiner ist, als wenn man in der Weltgeschichte hin- und herjettet, um Destinationen wie bei einer To Do-Liste abzuhaken. Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und dazu ermutigen, eine Reise so zu verlängern, dass sie bereits vor der Anreise beginnt und mit der Heimkehr noch nicht zu Ende ist: Wenn man sich vor einer Reise eingehend informiert über Land und Leute, sich mit einem Spielfilm oder einem Roman auf das Land einstimmt und man nach der Rückkehr eine besondere Bekanntschaft (z. B. mit der freundlichen Betreiberin des Gasthauses) weiter pflegt oder eine Spende zugunsten eines sinnvollen Hilfsprojekts im Reiseland macht, profitiert man nicht nur selbst nachhaltiger von der eigenen Reise, sondern hat auch die Bevölkerung des Urlaubsortes mehr davon.

Ich hoffe, Ihnen damit Ihre Frage zufriedenstellend beantwortet zu haben. Falls Sie Rückfragen oder Bemerkungen haben, können Sie sich gerne melden.

Beste Grüsse   

Haben auch Sie eine Frage zu Nachhaltigkeit auf Reisen? Dr. Sommerferien freut sich über Ihre E-Mail an info@akte.ch