Die Delegierten am Klimagipfel in Glasgow sind nicht zu beneiden: Sie kennen die wissenschaftlichen Grundlagen und wissen um die Notwendigkeit drastischer Massnahmen, um die Klimaerwärmung auf einem Niveau zu stabilisieren, die das Leben auf der Erde für Menschen, Tiere und Pflanzen weiterhin ermöglicht. Doch sie sind politische Abgeordnete mit eingegrenzten Mandaten unter dem Druck starker Lobbyverbände, die ihren Handlungsspielraum einengen.  

So ähnlich sieht es im Tourismus aus: Gemäss Prognosen der UN Welttourismusorganisation UNWTO wird sich die Anzahl Auslandreisen bis 2050 mehr als verdoppeln. Bewahrheitet sich diese Voraussage und nehmen die internationalen Flüge entsprechend zu, so wird der Tourismus bald mehr zur Klimaerwärmung beitragen als jeder andere Wirtschaftssektor: Er würde rund ein Viertel des Emissionsbudgets verbrauchen, was die Klimaerwärmung nur noch auf 2°Celsius beschränen würde. Bis 2060 würden die Emissionen aus dem Tourismus gar das ganze Emissionsbudget übersteigen.  

Doch auch die vielen jungen Menschen an den Klimademos sind nicht zu beneiden: Schaffen es die Verantwortlichen nicht, die nötigen Massnahmen zu treffen, damit die Erwärmung auf 1,5 bis zwei Grad begrenzt bleibt, drohen grosse Landstriche durch Brände, Fluten, Dürren und andere Extremereignisse für Menschen, Fauna und Flora unbewohnbar zu werden. Der Tourismus verlöre viele Destinationen etwa in ökologisch sensiblen Küsten- und Berggebieten. 

Träge Tourismus- und Flugreisepolitik 

Trotzdem wollte die UN Welttourismusorganisation lange kein Reduktionsziel für den Tourismus festlegen. Das CORSIA-Programm der internationalen Organisation für Zivilluftfahrt ICAO, das auf staatlich subventionierte Alternativtreibstoffe setzt, die in ausreichender Menge nicht vorhanden sind, auf ein bisschen Effizienz und auf das als "Klimakolonialismus" kritisierte Kompensieren des verbleibenden CO2-Ausstosses, hat gemäss Experten einen vernachlässigbaren Effekt oder wird sogar als Mogelpackung betitelt. Und die Schifffahrtsorganisation IMO beschränkt sich auf einen schwachen Effizienzstandard für neue Schiffe. 

Die Fliegerei ist nicht nur umweltschädigend, sondern auch asozial: weniger als ein Zehntel der Menschheit fliegt und gefährdet damit alle anderen. Für überdimensionierte Flughafenprojekte werden zudem immer wieder Menschen vertrieben und Menschenrechte verletzt. 

Und sie bewegt sich doch – zumindest verbal 

Aber es tut sich etwas. In seinem jüngsten Statement hat die Organisation der internationalen Zivilluftfahrt ICAO angekündigt, die Emissionen der zivilen Luftfahrt würden bis 2050 auf netto Null gesenkt. Auf der COP26 sind eine Reihe von luftfahrtbezogenen Regierungs- und Industrieveranstaltungen geplant. UN-Generalsekretär Antonio Guterres rief kürzlich dazu auf, die von der ICAO und der IMO festgelegten Ziele radikal zu verschärfen, um sie mit den Zielen von Paris in Einklang zu bringen – im Moment seien sie lediglich mit einer 3 Grad-Erwärmung vereinbar. Und Grossbritannien lanciert auf der COP26 die internationale Staatenkoalition "Aviation Climate Ambition Coalition" . Diese will im Vorfeld der ICAO-Versammlung im nächsten Jahr dafür sorgen, dass die Organisation der Luftfahrtbranche ehrgeizigere und griffigere Ziele setzt.  15 Länder haben sich bereits der Koalition angeschlossen. Übrigens hat auch die Swiss angekündigt, ihren Treibhausgasausstoss bis 2030 zu halbieren und strebt das Null-Emissions-Ziel per 2050 an. Auch eine neue Koalition «führender Persönlichkeiten der Welt» rund um Seine Exzellenz Ahmed Al Khateeb, Tourismusminister von Saudi-Arabien wurde gebildet. Sie verfolgt das Ziel der Netto-Null-Emissionen und «Maßnahmen zum Schutz der Natur und zur Unterstützung von Gemeinden» voranzutreiben, vermeldet ots.at. Bleibt zu hoffen, dass die Ankündigungs-Emissionen zu einem Tatenschub führen.  

Tourismusunternehmen, -verbände und -NGOs wollen mehr Engagement  

Tourism Declares, eine globale Gemeinschaft von 395 Tourismusorganisationen, -unternehmen und -fachleuten, zu denen auch fairunterwegs gehört, haben sich verpflichtet , einen Klimaaktionsplan zu erstellen, der auf die Notwendigkeit ausgerichtet ist, die Emissionen bis 2030 zu halbieren und so rasch wie möglich, jedenfalls vor 2050, auf null zu senken. Auf der COP26 bringen wir gemeinsam mit der UNWTO, UNEP, VisitScotland und der Travel Foundation dieGlasgow-Erklärung für ein Jahrzehnt des Klimaschutzes im Tourismus auf den Weg, um diese Verpflichtungen auf den ganzen Tourismussektor auszuweiten. Wir fordern jede Organisation im Tourismus auf, die gleiche Verpflichtung einzugehen. 

Ohne steuerliche Anreize geht es nicht 

Dabei ist klar: Weder mit Elektrofliegern noch mit Agrotreibstoffen lässt sich dieses Ziel erreichen, sondern nur mit der Reduktion der Fliegerei. Dazu braucht es steuerliche Anreize wie zum Beispiel eine Vielfliegerabgabe, die Schliessung unrentabler Flughäfen und eine Limitierung neuer Projekte, die Bepreisung aller Umweltschäden, auch der bisher nicht berücksichtigten Kondensstreifen1 und eine klare Neuausrichtung der Subventionen auf die Einhaltung der Klimaziele.  

1 Das Verbrennen von Kerosin in der Luft erzeugt Kondensstreifen, induzierte Bewölkung und Stickstoffoxid-Derivate, die, obwohl sie nur von kurzer Dauer sind, weitaus mehr zur globalen Erwärmung beitragen als das gesamte bisher akkumulierte CO2 des Flugverkehrs.Mehr zur Studie von StayGrounded.  

  • Der Tourismus sorgt für 8 Prozent der Treibhausgase – die Massnahmen, die das deutsche Bundesamt für Umwelt vorschlägt:Anpassung an den Klimawandel im Tourismus | Umweltbundesamt.  
  • Die Luftfahrt, die zu 90 Prozent dem Tourismus dient, wird nicht um eine starken Verringerung des Wachstums oder gar einen Wachstumsstillstand herumkommen, wenn wir die Klimaziele erreichen wollen. Das sagt eine Studie an der Uni Delft:vernachlässigbaren Effekt.
  • Mehr zur Vielfliegerabgabe und andern primär ökonomischen Instrumenten zur Reduktion des Flugverkehrs:Vielfliegerabgabe.