Protect Our Winters – die Initiative zum Schutz unserer Winter

Die Organisation wurde 2007 in den USA vom Profi-Snowboarder Jeremy Jones gegründet. 2015 wurde POW Österreich gegründet. 2021 wurden europäische Niederlassungen (Deutschland, Italien, Frankreich, Finnland, Norwegen, Schweden, Schweiz, UK, Österreich) unter der Dachorganisation POW Europe zusammengefasst. Durch europaweite, aber auch globale Kampagnen werden Kräfte gebündelt, um sich gemeinsam für die zwei übergreifenden Schwerpunktthemen- politisches Lobbying und nachhaltige Mobilität – stark zu machen. POW AT ist Mitglied von Stay Grounded und hat sich symbolisch verpflichtet, beruflich keine Flüge europaweit zu nutzen.

Vera Thaler: In eurer Arbeit seid ihr auf die Outdoor-Community angewiesen; verschiedene Alliances – Guides, Wissenschaftler*innen, Athlet*innen und Kreative – unterstützen euch mit ihren unterschiedlichen Kompetenzen. Zum Beispiel tragen Athlet*innen mit ihrer Reichweite durch die sozialen Medien die Botschaft von POW in die Welt hinaus. Gleichzeitig suchen sie weltweite Ski Abenteuer und inspirieren mit atemberaubenden Fotos und Filmen andere. Wie gelingt es mit grossem CO2 Fussabdruck, die Botschaft vom Klimaschutz glaubwürdig zu vermitteln?  

Moritz Nachtschatt: Unser Leitspruch: Imperfect Advocacy – Fortschritt statt Perfektion. Es geht darum, zum einen mit dem Finger nicht auf andere zu zeigen, zumindest nicht auf Einzelpersonen, zum anderen sich seines Fussabdrucks zwar bewusst zu sein. Gleichzeitig ist der Handabdruck noch wichtiger: also wie man sich sozial engagiert, wie man die Nachricht in die Welt hinausträgt, wenn man als Athlet*in, als Influenzer*in, als Firma, oder auch als Privatperson eine grosse Reichweite hat. Man kann diese Stimme nutzen, um Bewusstsein zu schaffen und für strengere oder ambitioniertere Klimaschutzmassnahmen zu sorgen. Zum Beispiel, um die FIS (Fédération Internationale de Ski) zu verändern. Das haben wir mit dem Brief gemacht, der von verschiedenen Ski-Grössen unterschrieben wurde. Wenn sich daraufhin die FIS eingesteht, dass es Handlungsbedarf gibt, dann hat das einen weitaus grösseren Effekt, als wenn einzelne Athleten auf Flüge verzichten.

VT: Kämpft ihr als Organisation mit diesen Verurteilungen?  

MN: Athlet*innen haben grössere Schwierigkeiten, bei ihnen ist es oft ein innerer Konflikt. Wir haben schon einige Athlet*innen gehabt, die gesagt haben, sie können nicht mehr POW-Athlet*innen sein, weil sie es nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren können, auf Umweltschützer*in zu machen, aber gleichzeitig einen verhältnismässig grossen Fussabdruck zu haben. Ich glaube aber, es hilft viel mehr, den Handabdruck, also die soziale Reichweite zu nutzen, zu lobbyieren, zum Wählen motivieren, oder dazu aufzurufen, die Parteien zu wählen, die sich eher für Klimaschutz einsetzen. Es braucht gesellschaftliche Änderungen, es braucht andere Rahmenbedingungen auf Regierungsebene und den Druck aus der Zivilgesellschaft. Man kann auf persönlicher Ebene viel machen, aber man sollte die Auswirkungen auf persönlicher Ebene auch nicht überschätzen.

Moritz Nachtschatt ©Jennifer LangMoritz Nachtschatt ©Jennifer Lang

VT: Du erwähnst einzelne Athlet*innen, die ins Zweifeln kommen. Hast du schon mal einen Moment erlebt, in dem du die Sinnhaftigkeit eurer Arbeit angezweifelt hast?  

MN: Ehrlich gesagt nicht. Es ist zwar schwierig, wenn man sich jeden Tag mit Klimawandel und der Klimakrise beschäftigt, es gibt viele Rückschläge und global gesehen sind wir immer noch auf dem Weg in die falsche Richtung. Gleichzeitig erfährt man auch die vielen kleinen Erfolge, teilweise auch grössere Erfolge, die einem wieder Kraft geben. Das Wichtigste ist, sogar wenn es langsam voran geht, sogar wenn zu wenig passiert, zu wissen, auf der richtigen Seite gewesen zu sein. Irgendwann werden wir uns fragen, oder die zukünftigen Generationen werden es in den Geschichtsbüchern lesen. Und dann war man entweder auf der einen oder der anderen Seite. Ich mag auf keinem Fall auf der Seite sein, die den Klimawandel weiter vorangetrieben hat, sondern ich möchte auf der Seite sein, die versucht hat, alles dagegen zu unternehmen.

VT: Ihr habt vor Kurzen recht medienwirksam ein Gletscherbegräbnis organisiert. Wie war die Resonanz, wie reagieren die Leute auf so eine Aktion?

MN: Das Gletscherbegräbnis der Pasterze, Österreichs grösstem Gletscher, war wie ein richtiges Begräbnis inszeniert. Eine grossartige Aktion, die durch sehr viel Glück und Zufälle genau so geworden ist, wie wir uns das vorgestellt haben und – auch durch wissenschaftliche Beiträge – viel Bewusstsein geschaffen hat. Mit der Kirche als Verbündete konnten wir selbst viele, die ursprünglich dagegen waren, überzeugen. Nur aus erzkonservativer Ecke gab es im Nachgang den absurden Vorwurf, wir hätten den Berg verflucht durch ein Begräbnis ohne Leiche: eine Woche nach unserem Akt ist eine junge Frau tragischerweise verunglückt, wir wurden dafür verantwortlich gemacht.

VT: Mit Aktionen wie dem POW “Hot Planet Cool Athletes” Programm versucht ihr, die Outdoor-Gemeinschaft zur nachhaltigen Anreise motivieren und Anreize dafür zu schaffen. Wie genau gelingt euch das?  

MT: Mobilität ist für uns ein grosses und generell ein schwieriges Thema. Dazu muss man Zahlen kennen wie, dass nur 12-13% der Ski-Gäste öffentlich anreisen, selbst bei Skigebieten, die direkt mit dem Zug angebunden sind, sind es unter 20%. Dabei ist die An- und Abreise für den Grossteil (ca. 75%) der Emissionen beim Skifahren verantwortlich.  Wir versuchen die nachhaltige Mobilität mit Vorbildwirkung voranzutreiben, indem Athlet*innen mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen und wir in direkten Gesprächen mit Verkehrsverbunden, Tourismusverbänden, Gemeinden, oder Skigebieten nach Lösungen suchen. Dadurch dass so viele Stakeholder involviert sind, wird aber auch die Verantwortung oft im Kreis geschoben, es wäre wichtig sich gemeinsam an einen grossen Tisch zu setzen. Was wir aber zum Beispiel erreicht haben: im Wipptal in Tirol gibt es seit letztem Jahr einen zusätzlichen Bus vorrangig für Skitourengeher*innen.

Begräbnis eines Gletschers © Luca JaenichenBegräbnis eines Gletschers © Luca Jaenichen

VT: Auf was bist du besonders stolz bei POW? 

MN: Wir haben letztes Jahr unsere ersten Bücher mit BahnzumBerg rausgebracht, Öffi-Tourenführer für Sommer und Winter: Eigentlich ein klassisches Druckprodukt, das Besondere ist ein QR-Code, der nicht nur zu einer detaillierten Tourenbeschreibung führt, sondern auch zu echten Abfahrtsplänen verlinkt und aktuelle Verbindungen aufzeigt. Neben dem Gletscherbegräbnis, das sehr viel Bewusstsein geschaffen hat, trägt die bereits erwähnte Kampagne für mehr Nachhaltigkeit innerhalb der FIS schon Früchte. Ein toller Erfolg, wenn man bedenkt, dass wir nur 2,5 Vollzeitstellen aufgeteilt auf 5 Personen haben.

VT: Was ist dein Wunsch für POW, wo siehst du euch in den nächsten Jahren? 

MN: Mein Wunsch ist natürlich, die Bergsport-Community zu vereinen und gemeinsam Klimaschutzmassnahmen so voranzutreiben, dass es wirklich einen merkbaren Impact hat. Ein grosses Ziel wäre, Allianzen mit anderen Vereinen wie dem Alpenverein und den Naturfreunden einzugehen und so eine noch viel grössere Reichweite zu erwirken.
Ein kurzfristiges, aber sehr wichtiges Ziel: Die Wahlentscheidungen auf europäischer, aber auch auf nationaler Ebene unterschwellig so zu beeinflussen, dass sich die Regierung (egal welche Parteien) für bessere Klimaschutzmassnahmen stark macht. Irgendwann ganz in der Zukunft braucht es uns hoffentlich nicht mehr, aber in den nächsten Jahren und Jahrzehnten wird das wohl leider noch nicht Realität sein.

VT: Welche Tipps hast du für unsere Leser*innen: 

MN: Der wichtigste Punkt ist die öffentliche Anreise, die nicht nur für umweltfreundlicheres, sondern auch entspannteres Reisen (auch oder gerade mit Familie) sorgt. Wenn wir als Ski-Community da ansetzen können, haben wir einen grossen Schritt geschafft. Das Wichtigste ist wählen zu gehen, und seine eigene Stimme zu nutzen und nicht zu unterschätzen.

Portrait Moritz Nachtschatt

Moritz Nachtschatt

Moritz Nachtschatt ist seit 2020 Geschäftsführer von POW Österreich. Als passionierter Outdoorsportler, professioneller Fotograf und Vater eines Kleinkinds ist ihm wichtig, das Mögliche zu tun, um der Klimakrise entgegenzuwirken.