International kann festgestellt werden, dass die erprobten Einsätze von Fachleuten in der personellen Entwicklungszusammenarbeit mehr und mehr durch die Entsendung junger Freiwilliger, die über keinen oder einen erst kürzlich erworbenen Berufsabschluss verfügen, verdrängt werden.
Ausländische Organisationen, welche entsprechende Programme für junge Erwachsene durchführen, begründen diese mit dem Grundsatz der Universalität, wie er in den neuen Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals) festgehalten ist – so wie sie von der UNO im September verabschiedet worden sind. Dabei geht es nicht mehr nur darum, Armut und deren Symptome zu bekämpfen, die vor allem im Süden auftauchen, sondern ebenso um deren Ursachen, die den Norden genauso wie den Süden betreffen. Die Länder im Norden können sich nicht mehr einfach durch die Finanzierung von Entwicklungsprogrammen im Süden ihrer Pflicht entledigen, sie müssen durch ihre nationale Politik verstärkt zum globalen Wandel beitragen.
Aus diesem Grund sind heute manche Organisationen der Personellen Entwicklungszusammenarbeit bestrebt, möglichst viele junge Erwachsene mittels Einsätzen im Süden für die Entwicklungsproblematik zu sensibilisieren – auf die Gefahr hin, ihre erprobten Programme für Fachkräfte zu vernachlässigen. Ihre Annahme ist, dass durch das so geweckte Bewusstsein ein Wandel im Norden in Gang kommt. Im Rahmen des Programms "weltwärts" etwa wurden seit 2008 gegen 25’000 junge Deutsche in den Süden entsandt, und in Frankreich waren 2013 nur 12 Prozent der TeilnehmerInnen des "Volontariat de solidarite internationale" älter als 32 Jahre.
Zum Vergleich: Bei den Schweizer Mitgliedorganisationen von Unité waren es um die 80 Prozent. Deren Einsätze waren vor allem durch die von den Partnern im Süden gefragten Kompetenzen geleitet. Dies schliesst erwünschte Ruckwirkungen im Herkunftsland der Fachleute nicht aus, doch Entwicklung wird in diesem Fall hauptsachlich über die Stärkung einer lokalen Organisation gefordert.

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Soll der schweizerische Ansatz – im Ausland bisweilen als konservativ bezeichnet – ebenfalls geändert werden, um den Nachhaltigkeitszielen besser gerecht zu werden? Nicht zwingend, denn man darf die Wirksamkeit dieser Jugendeinsatze auf den Einfluss der Politik im Norden und somit den globalen Mehrwert zu Recht bezweifeln, vor allem wenn berücksichtigt wird, dass ein unerfahrener junger Erwachsener sogar eine zusätzliche Last für eine Partnerorganisation darstellen kann.
Tatsächlich suchen die lokalen Partnerorganisationen immer spezialisiertere Fachpersonen. Die Entsendung junger Erwachsener deckt jedoch kaum die Bedürfnisse des Südens. Während bei der professionellen Personellen Entwicklungszusammenarbeit die Wirkung hauptsächlich beim Know-how und den Kompetenzen der lokalen Organisationen im Süden liegt, profitieren bei den freiwilligen Einsätzen junger Erwachsener vor allem diese selber. Auch wenn es viele junge Erwachsene aus einem Land sind, die solche Einsätze absolviert haben, bleibt das Veränderungspotenzial in den Gesellschaften des Nordens zufällig und beschränkt. Es fragt sich zudem, ob ein solcher Wandel überhaupt messbar ist. In Anbetracht dieser Zweifel bleibt die Wirkung für den Süden ungewiss.

Eine Hilfe für den Norden

Diese Überlegungen führen uns dazu, die tatsächlichen Gründe zu hinterfragen, welche zahlreiche Länder dazu bringen, intensiv Jugendeinsätze zu fördern. Geht es möglicherweise darum, den nationalen Zusammenhalt immer stärker multikultureller Gesellschaften zu fördern oder den Zugang von StudienabgängerInnen zum Arbeitsmarkt durch einen ersten Einsatz zu erleichtern? Beides sind durchaus legitime Ziele, dennoch sollten die Dinge beim Namen genannt werden: Wenn das Ziel wirklich die Entwicklung des Südens ist, weshalb werden dann nicht besser junge Leute aus Afrika, Asien oder Lateinamerika in den Norden eingeladen, um sie an Aus- und Weiterbildungen teilnehmen zu lassen? Sie hätten gleichzeitig Gelegenheit, im Norden Sensibilisierungsarbeit zu leisten, indem sie ihre Wirklichkeit mit den Menschen hier teilen würden. Der Grundsatz der Universalität sollte deshalb nicht dazu führen, dass der Norden, der verglichen mit dem Süden weiterhin über beträchtliche Geldmittel verfügt, seine direkte Hilfe zu innenpolitischen Zwecken nutzt. So gesehen, erscheint das Festhalten der schweizerischen Organisationen am "traditionellen" Ansatz der Personellen Entwicklungszusammenarbeit immer noch angebracht. Doch diese müssen sich auch fragen, wie sie die Stimme des Südens wirkungsvoll in der Schweiz zu Gehör bringen.