
Frauen in Sri Lanka zwischen Fischerei und Tourismus: Drei Fragen an die sri-lankische Frauenrechtlerin Nalini Ratnarajah
Welche Erfahrungen machen Frauen in den neuen „Tourismuszonen“ Sri Lankas mit der touristischen Entwicklung?
Vertreibungen im Namen des Tourismus beeinträchtigen Frauen auf andere Weise als Männer. Die meisten der Frauen hier sind alleinstehend. Viele haben ihren Mann, ihren Vater oder Sohn durch den Tsunami oder im 30-jährigen Konflikt verloren, in dem viele Männer umgebracht wurden oder verschwanden. Als die Frauen aus Pasikuda noch in ihren Fischerdörfern an der Küste lebten, holten sie am Strand die Netze ein und brachten den Fisch zum Markt. Sie wurden von den Fischern bezahlt und erhielten zudem Fisch als Gegenleistung. Damit konnten sie ihren täglichen Lebensunterhalt decken. Sie hatten eiweissreiche Mahlzeiten für ihre Kinder und konnten sie zur Schule schicken. Durch den Verkauf von frischem oder getrocknetem Fisch verdienten sie Geld, das sie selbstbestimmt ausgeben konnten.
Vor dem Tsunami haben Frauen in Pasikuda auch Zimmer an Touristen vermietet. Ausserdem verkauften sie Essen, Tee und Kaffee an die Fischer und an Touristen. Nun müssen sie sich alternative Einkommensmöglichkeiten suchen, um ihre Familien durchzubringen. Darüber hinaus müssen sie jetzt auch Geld für Dinge auftreiben, die sie vorher kostenlos bekamen. In den Fischerdörfern lebten sie als akzeptierte Mitglieder einer Gemeinschaft. Nach ihrer Vertreibung ist es nun schwierig für sie, gesellschaftliche Akzeptanz und Unterstützung zu finden. Die Orte Paddiadichenai und Karunkalisolai, wo sie nun leben, sind zwei bis drei Kilometer von der Küste und der Hauptstrasse entfernt. Dadurch ist es jetzt schwierig für die Frauen, zum Strand zu kommen oder öffentliche Verkehrsmittel zu erreichen, um in die Stadt zu fahren.
Wie verlief die Diskussion am “Runden Tisch” in Colombo und welche wesentlichen Einsichten und Erfolge hat sie erbracht?
Anders als in vorangegangenen Konsultationen sassen diesmal auch Frauen aus den Fischerdörfern mit auf dem Podium und berichteten von ihren Problemen. Normalerweise wird die Arbeit der Fischerfrauen und ihr volkswirtschaftlicher Beitrag weder wahrgenommen noch anerkannt. Daher ist es ein Erfolg des Runden Tisches, dass ihre Stimmen gehört wurden.
Dass ein Vertreter des Fremdenverkehrsamts teilgenommen hat, ist ebenfalls ermutigend. Als die vertriebenen Fischer ihre Kritik vorbrachten, bestritt er allerdings den durch den Tourismus verursachten Schaden. Ein Vertreter der Sri Lanka Tourism Development Authority (SLTDA) versuchte zu zeigen, dass seine Behörde die Fischergemeinschaft dadurch “gestärkt” hätte, dass einige der Fischer nun in Hotels angestellt wurden. Zum Beispiel seien 40 Männer für Walbeobachtungen mit Touristen in Kalpitiya eingestellt worden. Doch er schien nicht zu verstehen, wie viele Personen ihren Lebensunterhalt verloren haben und wie stark ihr Einkommen gesunken ist – wenn man kalkuliert, wie viel sie vorher in der Fischerei verdient hatten, bevor die Hotels gebaut wurden. Er schien auch nicht zu verstehen, was die Fischerfamilien tatsächlich durchmachen und sah darin auch keine ernsthafte Verletzung ihrer Menschenrechte. Er war der Meinung, die SLTDA würde gute Arbeit leisten, weil sie ein paar Leuten Jobs in den Hotels vermittelt.
Was wären vielversprechende Ansätze, damit der Tourismus im Norden und Osten Sri Lankas den Menschen und insbesondere den Frauen nützt?
Ganz sicher braucht es im Tourismus aktive Förderungsmassnahmen, um die wirtschaftliche und sozialen Rechte der Fischerfamilien zu gewährleisten. Zuallererst sollten die Hoteliers es den Fischern erlauben, ihre traditionelle Fischerei weiter zu betreiben. Dann sollten sie ein System entwickeln, um Fisch direkt von den Kleinfischern statt von Grosshändlern zu kaufen und sie sollten Frischhaltemöglichkeiten bereitstellen (z.B. grosse Kühlgeräte). Die Hoteliers sollten umfassende Ausbildungsprogramme anbieten und Frauen aus der näheren Umgebung statt von ausserhalb einstellen. Sie können die Frauen auch in der Fertigung von Kunsthandwerk ausbilden, unter Verwendung vor Ort vorhandener Ressourcen. Um die Produkte an Touristen zu verkaufen, können die Hotels kostenlos oder gegen eine geringe Pacht Stände auf dem Hotelgelände zur Verfügung stellen. Die Hoteliers sollten auch gezielt jungen Leuten – Söhnen und Töchtern aus Fischerfamilien – Ausbildungs- und Arbeitsplätze anbieten.
Meist wird nicht anerkannt, dass Frauen im informellen Sektor auch arbeiten, doch das tun die Fischerfrauen natürlich. Die Banken sollten ihre Arbeit anerkennen und ihnen Kredite geben, damit sie als Kleinunternehmerinnen selbständig arbeiten können. Die Hoteliers und das Militär sollten den Frauen erlauben, am Strand Verkaufsstände für Snacks und Kunsthandwerk aufzustellen. Frauen aus Fischerfamilien könnten auch zu Hause kleine Gemüsegärten anlegen, wo die Hotels ihr Gemüse einkaufen können. Die Hotels könnten sie unterstützen, indem sie die Frauen im biologischen Anbau schulen und Finanzierungsmöglichkeiten schaffen. Für Boots- und Tauchausflüge oder als Schreiner oder Maurer sollten Fischer aus der unmittelbaren Umgebung eingestellt werden, statt Arbeitskräfte von ausserhalb. Zudem sollte gemeindebasierter Tourismus eingeführt werden. Dafür müssen die Fischerfamilien ausgebildet werden, zum Beispiel durch Besuche in Dörfern, die bereits Erfahrungen damit haben, touristische Aktivitäten selbst zu managen, und von denen sie lernen können.