Sind die Anliegen des Komitees, welches am 14. Juni zum landesweiten Frauenstreik aufruft, auch in der von Frauen zumindest zahlenmässig dominierten Reisebranche ein Thema? Am 14. Mai hat Travelnews bei den Arbeitnehmerinnen (und allenfalls auch Arbeitnehmern) nachgefragt. Am nächsten Tag um 10.30 Uhr hatten bei der Umfrage – an der man weiterhin teilnehmen kann ­– 134 Personen teilgenommen. Wir wissen leider nicht, welches Geschlecht die Teilnehmenden haben, doch das vorläufige Resultat spricht Bände: So war fast die Hälfte der LeserInnen der Ansicht, dass der Frauenstreik "überflüssig" sei. Immerhin fast ein Drittel meinte, der Frauenstreik sei eine gute Sache, doch könne man selber daran nicht teilnehmen.

Letzteres kann aufgrund privater Verpflichtungen sein, hat jedoch in ganz vielen Fällen wohl auch damit zu tun, dass der Arbeitgeber bereits im Vorfeld klare Anweisungen gibt. Swiss und SBB hatten bereits im Rahmen einer Umfrage des "Sonntags Blick" dekretiert, dass Streikteilnahmen nicht geduldet, als Bruch des Arbeitsfriedens taxiert und entsprechend geahndet würden. Hotelplan Suisse liess infolge des Travelnews-Berichts Folge über Soziale Medien verlauten, dass man "als ein Unternehmen von Migros […] die Gleichstellung und Chancengleichheit der Geschlechter ein zentrales Anliegen" sei. Mitarbeitende könnten sich am Frauenstreik beteiligen, dies gelte jedoch als Freizeit. Eben: Die Streikteilnahme per se wird nicht beanstandet, doch dafür müsse man frei nehmen. Womit der Streik dann eigentlich gar kein solcher wäre. Die Frage ist zudem, was denn passiert, sollte jemand doch am Streik teilnehmen.

Wir haben dafür bei grossen Arbeitgebern – konkret bei den fünf grössten Reiseveranstaltern der Schweiz – nachgefragt. Bei Hotelplan Suisse wird, zusätzlich zu obigen Feststellungen, von Sprecherin Prisca Huguenin-dit-Lenoir Folgendes gesagt: "Als einziges Unternehmen der Reisebranche hat die Hotelplan-Gruppe freiwillig einen sozialpartnerschaftlich verhandelten Gesamtarbeitsvertrag (GAV) abgeschlossen. Die Mitarbeitenden und die durch sie gewählte Angestelltenvertretung sind sich dieser Exklusivität bewusst und schätzen den GAV als Grundlage und Garantie für gute Arbeitsbedingungen. So wurde der aktuelle GAV erst per 1. Januar 2019 für eine Laufzeit von wiederum vier Jahren neu abgeschlossen. Wie schon in dessen Vorgängern ist die darin uneingeschränkt geltende Friedenspflicht ein selbstverständlicher Grundsatz und damit Bestandteil der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen jeder und jedes Mitarbeitenden – und wir haben absolut keinen Grund, an deren Vertragstreue zu zweifeln."

Ist wirklich alles bereits gut umgesetzt?

Auch andernorts wird darauf hingewiesen, dass es eigentlich weder Bedarf noch Spielraum für einen solchen Streik gibt. "Der Frauenstreik ist bei TUI nicht relevant, denn wir verfügen über Salär-Bandbreiten, welche geschlechterneutral sind", hält Bianca Schmidt (Sprecherin TUI Suisse) fest, "ausserdem verfügen wir über einen Frauenanteil von 79 Prozent. Sollte eine Mitarbeiterin am Frauenstreik teilgenommen haben, ohne dies vorab zu melden, und es nachgewiesen wird, müsste die Mitarbeiterin mit einem Gespräch rechnen, in welchem darauf hingewiesen wird, dass keine Lohnzahlungspflicht bei Streik gilt und die Absenz mit Ferien verrechnet wird."

Bei DER Touristik Suisse ist Lohngerechtigkeit zwischen den Geschlechtern selbstverständlich. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie unterstützt der Konzern mit zahlreichen Massnahmen: Teilzeitarbeit und Job-Sharing-Modelle seien möglich – auch für Führungskräfte. Der Frauenanteil liege bei 80 Prozent – das betreffe ausdrücklich auch Funktionen mit Führungsaufgaben (rund zwei Drittel). Das Geschlechterverhältnis in der Geschäftsleitung werde mit der Einführung des neuen Organigramms am 1. Juli 2019 ausgeglichen sein.

Wie würde DER Touristik Suisse im Falle streikender Mitarbeiterinnen reagieren? "Wir begegnen allfälligen Wünschen unserer Mitarbeitenden nach einer Teilnahme am Frauenstreik mit Verständnis und Respekt. Die DER Touristik Suisse bekennt sich zu flexiblen Arbeitszeitmodellen, welche die Wahrnehmung nicht-beruflicher Termine durch Mitarbeitende in Absprache mit dem/der Vorgesetzten grundsätzlich auch während Bürozeiten und ohne das Beziehen eines Ferientages ermöglichen. Die Teilnahme an einer Kundgebung auf Arbeitszeit ist – unabhängig von deren Inhalt – jedoch nicht vorgesehen", erklärt Markus Flick, Mediensprecher DER Touristik Suisse.

Bei der Globetrotter Group hält Sprecherin Sandra Studer zwar fest, dass "Globetrotter sicher niemanden aufgrund einer Teilnahme am Frauenstreik am 14. Juni entlassen würde" – fügt jedoch ebenfalls an, dass Globetrotter grossen Wert auf die Lohngleichstellung legt ("das Geschlecht hat keinen Einfluss") und auch bei Globetrotter der Frauenanteil um die 70 Prozent beträgt.

Wenn bei Knecht Reisen jemand für einen Streik einen Freitag einziehe, dann sei jedem selber überlassen, was er in seiner Freizeit tue. Ansonsten beruft sich Knecht Reisen auf das geltende Streikverbot in der Schweiz. Wer unentschuldigt der Arbeit fernbleibe, müsse mit Konsequenzen rechnen. Es würde zumindest eine Verwarnung geben und man würde der Person einen Ferientag abziehen, erklärt Matthias Reimann, Mediensprecher Knecht Reisen AG. Der Frauenanteil bei Knecht Reisen liegt bei 70 Prozent.

Alles im Butter also? Das sehen nicht alle so. Nathalie Sassine vom Reisebüro Webook.ch beispielsweise sagt, sie habe selber erlebt, wie es in der Reisebranche ungleiche Löhne für gleiche Arbeit gebe. Darüber hinaus gebe es viel zu wenige Frauen in den Geschäftsleitungen oder auch in den Verbänden. Jüngste Beispiele: Als Knecht Reisen gestern fünf neue Partner vorstellte, also Mitarbeitende die aufgrund guter Leistungen zu Aktionären erhoben wurden, war keine einzige Frau darunter. Auch im Vorstand des Schweizer Reise-Verbands (SRV) ist keine Frau zu finden, oder im Stiftungsrat des Garantiefonds. In einer Branche, deren Arbeitsleistung – wie oben gesehen – zu weit über zwei Dritteln von Frauen erledigt wird. Das hat nicht nur mit mangelndem Einsatzwillen von Frauen zu tun, sondern auch mit bestehenden Strukturen. Solchen, welche nun im Rahmen des Frauenstreiks in Frage gestellt werden sollen. "Es gibt noch viel zu tun", meint Nathalie Sassine, die selber am Streik teilnehmen wird – als Arbeitgeberin nota bene.

Wie sehen es die KMU-Reisebetriebe?

Doch nicht alle Arbeitgeber wollen sich in dieser Frage öffentlich exponieren. Deshalb wurde für Arbeitgebende eine separate Umfrage vorbereitet, um auch der KMU-Seite etwas auf den Zahn zu fühlen. Bis zum 23.05. um 15:30 Uhr fanden 42 Prozent der Antwortenden, dass es den Streik nicht brauche, weil die Gleichstellung in ihrer Firma bereits Tatsache sei. 33 Prozent finden den Frauenstreik eine gute Sache und lassen die Angestellten auf Wunsch daran teilnehmen. 18 Prozent stehen dem Frauenstreik zwar ebenfalls positiv gegenüber, gearbeitet werden müsse aber trotzdem. Eine kleine Minderheit von 6 Prozent droht TeilnehmerInnen gar mit Verwarnung oder Entlassung.