Freiwilligeneinsatz: Lehrertausch
Auf dem Gymnasium, das ich von 2006 bis 2009 in Ouagadougou, der Hauptstadt Burkina Fasos, besuchte, hatte ich eine Lehrerin, die sehr gut Deutsch sprach. Ich war begeistert und dachte, eines Tages möchte ich die Sprache auch so gut beherrschen. Während meines Germanistikstudiums habe ich dann einige Deutsche kennengelernt, Touristen oder Leute, die in Ouagadougou arbeiteten. Mit ihnen habe ich Sprachtandems gemacht – sie halfen mir, mein Deutsch zu verbessern, und ich brachte ihnen Mooré, eine der Landessprachen Burkina Fasos, bei. Ich erfuhr viel über Europa, über den Krieg, aber auch darüber, wie schön Berlin ist und dass viele Afrikaner dort leben. Ich hoffte, dass ich vielleicht auch einmal nach Berlin reisen könnte.
Die Gelegenheit kam 2013, als ich ein Stipendium des Deutschen akademischen Austauschdienstes für einen vierwöchigen Sommerkurs in Berlin bekam. Mein erster Eindruck war: Hier ist alles so schnell. Man drückte mir gleich einen Stadtplan in die Hand, auf dem mein Hotel markiert war. Ich hatte noch nie so einen Plan benutzt und dachte, ich schaffe das nicht. Aber dann habe ich mir gesagt: Wenn die anderen das können, dann kannst du es auch.
Auch als ich 2013 an einem siebenwöchigen Programm der Organisation easyGo-easyCome, die interkulturelle Praktika für Lehrer vermittelt, teilgenommen habe, hat mich einiges überrascht. Ich habe in zwei Schulen in der Nähe von Münster Sechstklässler in Französisch und Deutsch unterrichtet. Dort gab es so viele Fahrräder! Auch in Burkina Faso bin ich in meiner Schulzeit Fahrrad gefahren. Aber hier fuhren sogar die Leute eins, die ein Auto hatten, und es gab spezielle Fahrradstrassen. Ich war erstaunt, wie viele Sorten Brot es in Deutschland gibt, und ich habe den Unterschied zwischen normalem Obst und Bio-Obst kennengelernt.
Schülerfilme aus dem Alltag
An deutschen Schulen gibt es unvorstellbar viele Materialien und die Klassen sind klein. In Burkina Faso sind im Durchschnitt 65 Kinder in einer Klasse, es können aber auch Mal hundert sein. Das kann ein ganz schönes Chaos geben, wenn man zum Beispiel in Gruppen arbeiten will. Deshalb macht man bei uns meistens Frontalunterricht: Der Lehrer kommt rein, redet zwei Stunden und die Schüler schreiben mit. Auch die Schulzeiten sind anders. In Burkina Faso geht der Unterricht von sieben bis zwölf Uhr, dann gibt es drei Stunden Pause, und dann ist noch einmal von 15 bis 17 Uhr Unterricht. Was ihr Benehmen angeht, unterscheiden sich die Schüler in Burkina Faso nicht von denen in Deutschland, aber die Lehrer sind hier strenger. Wenn ein Kind laut ist, sagen sie ihm, es soll ruhig sein oder es wird rausgeschickt. Bei so vielen Schülern wie in Burkina Faso hat man oft keine Zeit, einem Kind zu erklären, dass es die anderen stört, wenn es sich so benimmt.
Ich habe mit den deutschen Schülern in Münster kleine Filme zu verschiedenen Themen aus ihrem Alltag gedreht, zum Beispiel zu ihren Hobbys, ihrer Familie oder ihrem Lieblingsessen. Nach meiner Rückkehr habe ich sie meinen Schülern in Ouagadougou gezeigt. Die waren total begeistert. Manche Sachen fanden sie lustig. Zum Beispiel, dass die Haustiere in Deutschland Namen haben. Und Reiten und Schwimmen sind hier eher etwas für Erwachsene oder reiche Leute. Die Kinder treffen sich meistens draussen zum Spielen. Ich bin gerade dabei, mit meinen Schülern Antwortfilme zu drehen, und glaube, die deutschen Kinder werden davon ebenso begeistert sein.
Eine Lehrerin aus Deutschland, die ein Schulpraktikum in Burkina Faso gemacht hat, hat mir erzählt, dass sie erstaunt war, wie schüchtern die Kinder hier sind und dass keiner sich getraut hätte, Fragen zu stellen. Das möchte ich ändern. Gemeinsam mit einer Freundin bringe ich jetzt jeden Samstag Kindern bei, vor Publikum zu sprechen. Seit dem Praktikum in Deutschland bin ich engagierter. Ich habe neue Unterrichtsmethoden gelernt und dass Schule Spass machen kann. In Burkina Faso machen viele Lehrer einfach das, was das System vorschreibt. Deshalb möchte ich jetzt einen Workshop organisieren, bei dem sich Lehrer austauschen und Ideen sammeln können. Auch zwei Kollegen aus Deutschland wollen dafür nach Burkina Faso kommen. Natürlich lässt sich nicht alles hier umsetzen – ohne Beamer kann man zum Beispiel keine PowerPoint-Präsentation machen – aber man kann auch mit einfachen Mitteln etwas Neues probieren.
Aguiaratou Kabore, geboren 1988, ist Lehrerin in Ouagadougou, Burkina Faso