Erst der Super-GAU am 11. März 2011 in Japan hat es möglich gemacht – Risiko-Reaktoren werden überprüft oder abgestellt und die Atomdiskussionen wieder heftiger geführt. Auch in der Schweiz, wo Energieunternehmen gerade noch zwei oder drei neue AKWs bauen wollten. Plötzlich reden alle über erneuerbare Energien. Wie verhält sich das Land, das pro Kopf am meisten Energie verbraucht, nämlich die USA?

Auf Hawaii fürchtet man sich vor dem radioaktiv verseuchten Meereswasser der japanischen Ostküste. Die indigene Bevölkerung der Inselgruppe hat denn auch zur Vorsicht gemahnt und die Behörden zu strengeren Kontrollen des Wassers und des Fischbestandes aufgerufen. Aber: Das erste Glied der strahlenden Atomenergie-Kette ist noch zuwenig im Gespräch – der Uranabbau.

Auch nach der Fukushima-Katastrophe ein Vierteljahrhundert nach Tschernobyl bezeichnet US-Präsident Barak Obama Atomkraft als wichtigen Teil der zukünftigen Energieversorgung der USA; diese Haltung wird leider von seinem Energieminister Steven Chu kräftig unterstützt, der zwar anerkannter Klimaschützer und Nobelpreisträger ist, aber in der Energiepolitik die verheerenden Folgen des Uranabbaus nicht bedenken will. Die USA betreiben die meisten Atomkraftwerke weltweit. 104 Anlagen stehen vor allem im Westen des Landes. Rund 30 Jahre lang wurden keine neuen AKWs gebaut. "Eine grössere Kapazität zur Herstellung sauberer Atomenergie ist entscheidend für unseren Kampf gegen den Klimawandel, Energiesicherheit und weiteren wirtschaftlichen Wohlstand", schrieb Obama in einem Memorandum. Die Kreditgarantien für die Atomindustrie sind längst ausgeweitet.

Dazu braucht es auch eine sichere Versorgung mit dem Rohstoff Uran, möglichst aus dem eigenen Land. Für die 20 Prozent, die Atomstrom an der nationalen Stromversorgung ausmacht, liegt der jährliche Uranverbrauch bei knapp 25’000 Tonnen. Die heimische Produktion liefert aber nur acht Prozent davon. Dabei sind einmal mehr indigene Völker der USA betroffen: Die meisten Uranvorräte liegen auf indigenem Land, vor allem in den für die Sioux heiligen Black Hills und im Südwesten – dort befinden sich auch die bevölkerungsreichsten Indianerreservate.

Uranabbau bei heiligen Bergen der Indigenen
Wie bei den Sioux ist auch bei den Havasupai in Arizona ein heiliger Berg vom Uranabbau betroffen: Rund um Red Butte im Kaibab National Forest und südlich des Grand Canyon sind in den letzten fünf Jahrenüber 5000 neue Abbaulizenzen beantragt worden. Schon seit fast 30 Jahren wehren sich die Havasupai und die Hualapai gegen den Uranabbau in ihren traditionellen Gebieten. Erst die Angst der weissen Bevölkerung vor einer Verseuchung des Grand Canyon-Nationalparks führte in den vergangenen Jahren zu einer starken Koalition zwischen der indigenen Bevölkerung und den grossen amerikanischen Umweltverbänden wie dem Sierra Club. Ähnlich wie beim geplanten Atomendlager Yucca Mountain in der Nähe von Las Vegas, als die betroffenen Western Shoshone sich erst mit der Unterstützung des Bürgermeister von Las Vegas landesweit Gehör verschaffen konnten, setzen auch die Pai-Völker Arizonas auf eine Allianz mit weissen Institutionen und auf die Karte "Tourismus" – im Wissen, dass hier grosse Interessen auf dem Spiel stehen. Denn nicht der Bergbau, sondern der Tourismus ist das wirtschaftliche Rückgrat der Region. Der Besucherstrom spült jährlich 687 Millionen Dollar in die Kassen der Lokalwirtschaft und sichert 12’000 Arbeitsplätze. Auch die Havasupai sind vom Tourismus abhängig, denn jährlich strömen über 30’000 Besucher in ihr Tal. Seit einigen Jahren arbeiten die Havasupai daher auch eng mit dem Grand Canyon Trust sowie dem Center for Biodiversity zusammen. Das ist auch bitter nötig:

Strahlende Gefahr am Grand Canyon
Im Juli 2009 erliess Innenminister Salazar ein Moratorium: Zwei Jahre lang sollten im Umkreis von rund 4000 Quadratkilometern um den Grand-Canyon-Nationalpark keine Explorationen erlaubt werden. In dem Moratorium hiess es, dass auf öffentlichem Land der genannten Region keine neuen Minen erlaubt würden. Diese Region umfasst den Grand Canyon – ein UNESCO-Weltnaturdenkmal –, die Kaibab Creek Region, das House Rock Valley unter der Verwaltung des Bureau of Land Management (BLM) sowie im Kaibab National Forest den Tusayan Ranger District. Diese Gebiete wurden für die Laufzeit des Moratoriums den Regelungen des umstrittenen Minengesetzes von 1872 entzogen. Dieses Mining Law erlaubt jegliche Erschliessung von Ressourcen "zum Wohle der Nation", auch gegen Umwelt- oder Religionsrechte. Schon lange setzen sich indigene Gemeinschaften und Umweltschützer für die Abschaffung dieses immer wieder zu Konflikten führenden Gesetzes ein, das den Bergbaugesellschaften freie Hand gegenüber ökologischen Erwägungen oder indianischen Religionsrechten gibt. Ungehindert können sie beispielsweise bei den Pueblo oder Navajo ganze Gebiete in Mondlandschaften verwandeln. So geschah es bei der Uranförderung im Tagebau-Verfahren in den Reservaten der Acoma oder Laguna Pueblo, deren sichtbare Zerstörung abseits der grossen Touristenströme liegt.

Hunger nach Uran
Wie lässt sich dieser neue Hunger nach Uran erklären? Dank der atomfreundlichen Politik von Präsident Obama und des gestiegenen Uranpreises! 2005 lag der Preis für ein Pfund Uran noch unter 20 US-Dollar, fünf Jahre später bereits bei 60 US-Dollar. Der Anstieg beruht allerdings nur auf Spekulationen für Uran: Die Atomlobby vermutete wegen der Klimadebatte, die Welt würde auf "klimafreundliche, CO²-freie" AKWs setzen und den Urangesellschaften Auftrieb geben. Die französische Staatsfirma AREVA zum Bsp. hat ihre Abbautätigkeit bei indigenen Völkern in Afrika forciert – mit der gleichen Rücksichtslosigkeit wie einst bei den Cree in Saskatchewan, die heute an Krankheiten leiden und in verseuchten Gebieten leben…

Im März 2011 hat nun die Umweltbehörde Arizona Department of Environmental Quality ADEQ der Denison Mines Corp. den Betrieb von drei neuen Uranminen erteilt und die vorgelegte Umweltverträglichkeitsprüfung beziehungsweise Wasser- und Luftqualität abgenommen. Momentan besteht noch das Moratorium des Innenministers; und das BLM hat übersehen, dass die von der Firma vorgelegte Umweltprüfung veraltet ist – und hat damit gegen die eigene Sorgfaltspflicht verstossen. Laut einem Gespräch mit Carletta Tilousi, Mitglied des Havasupai Stammesrats und eine der führenden Urangegnerinnen, ist ihr kleines Volk nicht untätig geblieben: Mit den Umweltorganisationen haben sie umgehend Klage gegen Denison eingereicht, denn die Genehmigung der Arizona-1-Mine verstosse gegen Tier- und Umweltschutzgesetze.

Zudem wissen die Behörden nicht, wie sie die bereits erfolgte Verstrahlung von 15 Quellen, fünf Brunnen und zwei Bächen durch früheren Uranabbau eindämmen sollen. Deshalb wollen die Havasupai eine Schutzzone für die nächsten 20 Jahre, selbst wenn sich dies nur auf neue Claims bezieht. Dazu entsandten die Havasupai acht Elders zu den Hearings. Auch Carlettas Onkel Rex Tilousi, der Hüter des spirituellen Erbes der Havasupai, bemühte sich bis nach San Francisco, und überzeugte den Direktor der zuständigen Umweltbehörde EPA Region 9 von der Schutzwürdigkeit des Grand-Canyon-Gebiets. Nun ist "sein" heiliger Berg Red Butte zu einem von nur drei "traditional cultural property area" ernannt worden und untersteht besonderem Schutz. "Wenn das Moratorium in 20 Jahren ausläuft, muss sich dann die nächste Generation wieder für Red Butte und den Canyon einsetzen, momentan aber glauben wir, dass wir auf der sicheren Seite sind, denn nun untersteht unser Canyon der Bundeszuständigkeit und ist der Zuständigkeit von Arizona entzogen", so Carletta Tilousi.

Am 1. Mai hat das Havasupai-Dorf Supai die Tourismus-Saison offiziell eröffnet. Alle freuen sich, nach den vergangenen Flutkatastrophen wieder Gäste empfangen zu können; die Wanderwege und Ausläufer der grandiosen Wasserfälle seien wiederhergestellt. Wäre in ihrem Gebiet bereits Uran abgebaut worden, hätten die Wassermassen im Sommer 2009 radioaktiven Schutt in ihr Dorf gespült. Schon bei der Überflutung 1995 hatten sie auf die Gefahr einer Verstrahlung hingewiesen, denn das Wasser kam aus der Region der geplanten Minen – und ihres heiligen Berges… Deshalb wehren sich die Havasupai so vehement gegen den Uranabbau. Hoffen wir, dass in 20 Jahren – wenn das Moratorium ausläuft – gar kein Uran mehr gebraucht wird.

Quellen:

Gespräch Mai 2011 mit Carletta Tilousi; COYOTE Nr. 89 2011
Incomindios-Newsletter 33, 2010, S.10–11: Charmaine White Face, Defenders of the Black Hills.
Incomindios-Newsletter 31, 2009, S. 4 ff.; Sonderheft Nordamerika "bedrohte Völker – pogrom" Nr. 258, 2010.

Dieser Beitrag wurde im Newsletter 34, 2011 von Incomindios Schweiz publiziert. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.