Galapagos: Aufruhr im «Naturparadies»
Der Konflikt zwischen Umweltkreisen und einem Teil der Bevölkerung auf den Galapagos Inseln, welche die strengen Schutzbestimmungen aufheben und das zu 98 Prozent unter Naturschutz stehende Inselreich vermehrt wirtschaftlich nutzen möchten, dauert an. Gemäss Informationen des Vereins der Freunde der Galapagos Inseln Schweiz besetzten anfangs September militante Gruppierungen den Sitz der Nationalparkverwaltung sowie die Charles‑Darwin‑Forschungsstation und verweigerten den MitarbeiterInnen unter massiven Drohungen bis heute den Zugang. Gleichzeitig blockierten gemäss Agenturberichten rund 600 Menschen den Flughafen von San Cristobal sowie wichtige Zufahrtsstrassen. Auslöser des seit längerem schwelenden Konflikts ist ein umstrittener Gesetzesentwurf, der die Bestimmungen rund um Tourismus und Fischfang liberalisieren will. So sieht das vom neuen Abgeordneten der Galapagosinseln, Eduardo Veliz, eingebrachte Gesetz vor, dass TouristInnen, die bisher ausschliesslich auf Schiffen untergebracht waren, in Zukunft mindestens eine Nacht in einem Hotel verbringen müssen, was unweigerlich zum Bau etlicher Hotelkomplexe führen würde. Auch die bisherigen Beschränkungen rund um das lukrative Geschäft mit den in Asien als Delikatessen hochgeschätzten Haifischflossen und Seegurken sowie die Regulierung der Einwanderung würden gelockert. Der ecuadorianische Nationalkongress hatte das Gesetz am 1. August ohne Gegenstimme genehmigt. Massive Proteste aus Umweltschutzkreisen veranlassten den ecuadorianischen Präsidenten Eduardo Ballén sein Veto einzulegen. Mitte September krebste die in einer schweren Regierungskrise steckende Regierung aber wieder zurück und stimmte der Gesetzesvorlage in den meisten Punkten zu. NaturschützerInnen befürchten nun den unkontrollierten Ausbau von Fischfang und Tourismus, was zum Untergang des einmailgen und heute bereits jährlich von rund 50’OOOTouristlnnen besuchten Naturreservats führen würde. Mit der enormen Zunahme der Besucherströme in den letzten Jahren wurde Galapagos zur reichsten Provinz Ecuadors: 1993 erwirtschaftete der Nationalpark allein mit den Eintrittsgebühren 2 868 271 US‑Dollar. In der Folge wurden die Inseln zu einem Anziehungspunkt der wachsenden Zahl arbeitsloser EcuadorianerInnen, die sich ein Auskommen in der Fischerei oder im Tourismus erhofften. In den letzten zehn Jahren hat sich die Bevölkerung mehr als verdoppelt und heute leben IYO00 Menschen auf den vier bewohnten Inseln. Die militanten Gruppierungen, welche sich für die Aufhebung der Schutzbestimmungen stark machen, setzen sich laut Hendrik N. Hoeck, dem ehemaligen Leiter der Charles‑Darwin‑Forschungsstation, hauptsächlich aus neuzugezogenen FestlandEcuadorianerInnen zusammen, die mit Tourismus oder Fischerei rasch Geld verdienen wollen. Das grösste Problem sei die zur Zeit fehlende Kontrolle, sowohl was das Einführen neuer Arten auf die Inseln anbelangt wie auch der ungehemmte Zugriff auf die letzten Bestände von Seegurken im Indopazifik. Beim Tourismus fehlt es vor allem an adäquater Infrastruktur, die den wachsenden BesucherInnenströmen gerecht werden. Da von den gesamten Einnahmen aus dem Tourismus aber nur 6 (!) Prozent auf den Inseln verbleiben, ist daran im Moment nicht zu denken. Die heftigen Auseinandersetzungen im «Naturparadies» schlagen laut David Meier von Tucan‑Travel vor allem in den USA grosse Wellen und führen zu massiven Einbrüchen in der Reisebranche. In der Schweiz zeigt sich kein einheitliches Bild. Während einige Veranstalter stark rückläufiges Interesse vermelden sind die Galapagos‑Reisen bei anderen nach wie vor ausgebucht.
Presseinformation des Vereins Freunde der Galapagos Inseln Schweiz vom 1. 10. und 8,9.95, NZZ 13.10., 3.10., 11.9,95; Tages‑Anzeiger 7.2.95; AK T+E Recherchen/kg