Basel, 15.09.2010, akte/ Ende Juli letzten Jahres lancierte die grösste australische Gewerkschaft LHMU die Website thefirststar.com.au. Sie sollte Luxushotels aufführen, die ihre Mitarbeitenden fair behandeln und sich um die Einhaltung der gängigsten Nachhaltigkeitsstandards bemühen. Das Resultat ist ernüchternd: Bis heute, melden die Betreiber, habe sich leider keine der in Australien präsenten Hotelketten für eine Erwähnung auf der Website qualifiziert.

Das liegt nicht etwa daran, dass die Gewerkschaftsleute der LHMU überkritisch sind. Vielmehr verschärfte die Krise weltweit die bereits unterdurchschnittlichen Arbeitsbedingungen im Gastgewerbe. Schon vor einem Jahr berichtete beispielsweise der britische Sender BBC von den Bedingungen in London in den Hotels Park Plaza County Hall Hotel und Park Plaza Riverbank für polnische Reinigungskräfte. Sie kommen nie auf den minimalen Stundenlohn, denn diesen erhalten sie nur, wenn sie pro Stunde zweieinhalb Zimmer putzen. Sie würden wie Vieh behandelt, fänden oft keine Reinigungsmittel vor und müssten improvisieren, berichtete eine Angestellte. Weiterbildung sei obligatorisch, müsse aber in der Freizeit absolviert werden. Berichte über Streiks bei namhaften Hotelketten wie Hyatt, Accor oder Hilton häuften sich dieses Jahr ebenso wie Meldungen über unhaltbare Zustände für Auszubildende im Hotelgewerbe etwa in Deutschland oder die Prekarisierung der Arbeit, mit der auch das Schweizer Gastgewerbe den neuen Gesamtarbeitsvertrag unterläuft.

Internationale Arbeitsorganisation überwacht die Krisenauswirkungen
Die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen in einer Branche, wo diese schon unterdurchschnittlich sind – viele Teilzeit- und Temporärstellen, Gelegenheits- und Saisonjobs, schlechte Bezahlung, keine Jobsicherheit, schlechte Karriereaussichten, hohe Flukutation und die Zunahme von Untervertragsnehmern mit noch schlechteren Arbeitsbedingungen – stellte auch die internationale Arbeitsorganisation ILO fest. Sie begann letztes Jahr damit, die Entwicklungen der aktuellen Krise nach Sektoren zu dokumentieren. In ihrem ersten Bericht im Februar 2010 wurde auf die Folgen der leichten Schrumpfung im Tourismussektor vom letzten Jahr eingegangen. Die Krise habe besonders in Nord- und Südamerika zu Entlassungen geführt, während Asien und der Pazifik die Stellen besser halten konnten. In Europa habe sich der Stellenmarkt erholt, allerdings nur, weil viele feste Anstellungen in Gelegenheits-, Temporär-, Teilzeit- und Saisonjobs umgewandelt wurden. Wie viele Jobs wirklich verloren gegangen sind, darüber schweigt sich die ILO aus. Sie sagt aber, die Last der Krise sei ungleich zwischen Männern und Frauen verteilt: Weltweit arbeiten fast zweimal mehr Frauen als Männer im Gastgewerbe, nämlich zwischen 60 und 70 Prozent. Die Anzahl der Wochenarbeitsstunden war während der Krise rückläufig, was ohne Festanstellungen zu Lohneinbussen führt, die gerade in den letzten Quartalen des letzten Jahres bedeutend gewesen seien.
Strategien der Krisenbewältigung
Die ILO hält die Verfolgung von Ansätzen der Nachhaltigkeit im Tourismus für eine erfolgversprechende Strategie zur Überwindung der Krise. Es habe sich gezeigt, dass Nachhaltigkeit im Tourismus Synonym sei von Wachstum, neuen Jobs und der Verminderung der Absatzkosten. Dazu sei auch der "Global Jobs Pact" (siehe Kasten), mit seinen sozialpolitischen und arbeitsmarktwirksamen Massnahmen zur Überwindung der Krise wichtig. Die ILO möchte hierfür den bisher allzuoft von Managementseite verweigerten Dialog mit den Sozialpartnern fördern.

International Trade Union Confederation
Das ist auch dringend nötig, stellte die International Trade Union Confederation fest, der internationale Gewerkschaftsdachverband mit 301 Landesvertretungen, der 176 Millionen ArbeiterInnen in 151 Ländern vertritt. "Sollten die Arbeiter wieder auf die Strassen gezwungen werden, um gegen die Orthodoxie der Arbeismarktderegulierung, der Kürzungen von Löhnen, Renten, Arbeitslosenleistungen und öffentlichen Dienstleistungen zu kämpfen, so werden die Gewerkschaften an der vordersten Front der Mobiliserung sein", sagte die frisch zur Generalsekretärin der ITUC gewählte Sharan Burrow am IUTC Kongress letzten Juni. Die Gewerkschaft äusserte sich verärgert darüber, dass die Wirtschaft die jahrelangen Warnungen der Gewerkschaften vor dem Casino-Kapitalismus nicht ernster genommen habe und jetzt die ArbeitnehmerInnen und Regierungen die Zeche in Form brutaler Sparübungen zahlen müssten, und formulierte alternative nachhaltig und faire Vorwärtsstrategien. Der Global Jobs Pact wurde begrüsst. Er stelle jahrelang doktrinär gepredigte Mantras der Wirtschaftsgurus in Frage. So werde endlich gesagt, internationale Abkommen hätten fair auf die wirtschaftliche Entwicklung von Ländern des Südens einzugehen und wichtige öffentliche Dienste sollen nicht privatisiert werden.

Welche Stategie der UNWTO?
Am World Travel Market in London diesen November will die UNO Welttourismusorganisation UNWTO an einem Ministertreffen eine Erklärung über die Marschrichtung der Reise- und Tourismusbranche für die nächsten 12 Monate formulieren. Zum ersten Mal sollen sich also die Tourismusminister der verschiedenen Länder auf einen Aktionsplan und Prinzipien für die Zukunft der Branche einigen. Das wäre eine Gelegenheit, die am Kongress der ITUC formulierten Ansätze aufzunehmen und von der globalen Krise zur globalen Gerechtigkeit vorwärts zu denken, kommentiert Imtiaz Muqbil, Chefredaktor des Travel Impact Newswire. Dazu müssten aber erst einmal andere als die sonst üblichen Sprecher eingeladen werden. Zum Beispiel eben die neue Generalsekretärin des ITUC, Sharan Burrow.
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Erholung von der Krise: Ein Globaler Beschäftigungspakt

Der globale Beschäftigungspakt (Global Jobs Pact), den die Internationale Arbeitsorganisation ILO 2009 schloss, befasst sich mit den sozialen und beschäftigungspolitischen Auswirkungen der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Vision des Pakts ist eine produktive und ausgewogene Erholung, die die Würde von Menschen schützt und dazu beiträgt, eine faire und nachhaltige Weltwirtschaft und Globalisierung zu schaffen. Die Hauptpunkte des Pakts beinhalten Massnahmen zur menschenwürdigen Arbeit, der Förderung wirtschaftlicher Erholung und Entwicklung sowie einer fairen und nachhaltigen Gestaltung der Globalisierung.
Im Tourismus sind das zum Beispiel gemeinsame Projekte von Privaten und  öffentlicher Hand zur Vermarktung von Destinationen, Vereinfachung von Reisebestimmungen, Entlastungsprogramme für Kleine und Mittlere Unternehmen (Neuseeland), Weiterbildungsprogramme zur Überbrückung unausgefüllter Arbeitszeiten (Griechenland, Malta und Singapur).
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Quellen: Tägliche Schikanen und fliegende Pfannen, Spiegel Online 27.07.2010, www.spiegel.de; Hyatt Hotels targeted for civil disobedience, 21.07.2010, www.eturbonews.com; Global Unions Rage at Job Crises, Warn of More Strikes, Travel Impact Newswire, 19.07.2010; Hilton San Francisco hotel workers strike, 04.07.2010, eturbonews.com; Vor dem G20-Treffen in Toronto: Gewerkschaft lanciert dringenden Appell an Accor, 18.06.2010; Vom Tellerwäscher zum Arbeitslosen, Wochenzeitung 15.04.2010; International Labour Office. Governing Body: The sectoral dimension of the ILO’s work. Update of sectoral aspects regarding the global economic crisis: Tourism, public services, education and health GB307-STM_1_[2010-02-0408-1]-En.doc, www.oit.org; www.thefirststar.com.au;